Kapitel 42

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Spät am Nachmittag wache ich mit Rücken- & Nackenschmerzen und einem kratzenden Hals auf. Der kühle Wind hat also Spuren hinterlassen. Ich schwanke zum Bad, wo ich mich etwas frisch mache und meine Zähne putze, dann gehe ich die Treppe runter. Kenny liegt noch immer auf der Couch, eingemummelt in einer alten Decke und schläft. In der Küche finde ich meinen Vater, der gemütlich Kaffee trinkt und Zeitung liest. Ebenfalls liegt ein leerer Teller auf den Tisch, er hat also schon gegessen.

„Er war ziemlich ruhig. Und hat sich nur noch einmal übergeben müssen." erzählt er mir als ich mir gerade einen Tee mache.

„Ist er etwas zu sich gekommen?" frage ich. Vater nickt mild: „Er hat mich erkannt und war verwirrt wo er war. Ich habe ihn etwas am Kopf gekrault und er ist wieder eingeschlafen." schmunzelt er, was ich erwider. Nachdem ich einen Teebeutel und heißes Wasser in die Tasse gab, setze ich mich zu Papa. Er erzählt mir noch, dass er uns beide heute für die Arbeit abgemeldet hatte, wofür ich mich bedanke. Den Job habe ich schon völlig vergessen.

„Musst du eigentlich nicht zur Bar?"

„Ich wollte noch warten bis du wach bist. Ich werde mich gleich auf dem Weg machen." kurz stoppt er und schaut besorgt zu mir: „Oder soll ich lieber bleiben?"

Sanft schüttel ich mit dem Kopf: „Kenny ist ja kein gewaltiger Junkie. Er nimmt Drogen nur, wenn er nicht weiter weiß und den Schmerz ausblenden will. Außerdem hat er seinen Rausch hoffentlich ausgeschlafen."

„Wenn trotzdem etwas sein sollte, ruf mich in der Bar an."

„Werde ich machen." ich lächel meinen Vater zu, was er erwidert. Dann geht er auch schon zur seiner Arbeit. Ich trinke in Ruhe meinen Tee aus bevor ich zu Kenny tapse. Er schläft so seelenruhig als wäre nichts auf der Welt passiert – als hätte er ein erfülltes Leben. Ich setze mich vor die Couch auf den Boden und mache leise den Fernseher an.

Nach ungefähr einer Stunde wälzt sich Kenny und öffnet müde die Augen, die zum Glück nicht mehr so tot ausschauen. Ich lächel ihm zu doch er realisiert noch nicht so ganz und setzt sich auf. Er rülpst wobei ich gleich Angst habe, dass er sich wieder übergibt und halte ihm einen Eimer entgegen doch er schüttelt mit dem Kopf und ich stelle ihn wieder zur Seite.

„Erzähl, wie geht es dir?" frage ich leise und setze mich mit auf die Couch. Behutsam streiche ich seine blonden, fettigen Haare nach hinten als er dann redet: „Ich fühle mich als wäre ich gestern auf brutalster Weise gestorben und jetzt merke ich erst, dass man mich zurück ins Leben holte."

Kurz erstarre ich. Den Satz aus seinem Mund zuhören ist gerade so erschreckend.

„Möchtest du einen Tee oder was anderes?" ich mache eine kleine Pause und schaue sein dreckigen Pullover an: „Oder vielleicht doch erst ein Bad nehmen?"

Kenny blickt mich müde an und nickt schwach. Ich denke mal, dass er das Letztere bevorzugt. Ich helfe ihm aufzustehen und folge ihm zum Bad. Als ich gerade das Wasser einlasse, merke ich wie Kenny seinen Arm versucht zu bewegen. Skeptisch beobachte ich das bevor ich frage: „Ist etwas mit deinem Arm?"

„Ich kann meine Gliedmaßen kaum spüren. Sie sind so benebelt." antwortet er mit kratziger Stimme. Ohne zu zögern tapse ich zu ihm und helfe ihm aus dem dreckigen Pullover, den ich sofort in einem Eimer voll heißem Wasser lege – die Hose folgt darauf. Bei der Unterhose zögert Kenny. Ich schmunzel: „Mich stört es nicht wenn du nackt vor mir stehst. Dir muss es also auch nicht peinlich vor mir sein."

Und so liegt auch das letzte Stück Stoff auf den Boden. Kenny ist etwas wackelig auf den Beinen weshalb ich ihm auch beim einsteigen in die Wanne helfen muss. Er stöhnt gleich auf als er das warme Wasser auf sich hat und sich entspannt hinlegen kann. Ich kicher etwas: „So schön?"

„Besser als ein Orgasmus." stöhnt er, „Es ist lange her als ich so heiß baden war."

„Du kannst solange drin bleiben wie du willst." sage ich und gehe an die Tür: „Ich werde dir frische Klamotten holen. Soll ich dir vielleicht noch was zu essen machen?"

„Ich bin dir schon zu viel schuldig."

„Und du nervst mich langsam damit." sage ich gespielt zickig, wobei er kurz lacht und mir dann leicht zunickt. Lächelnd gehe ich aus dem Bad direkt zur Küche, wo ich ihm einige Sandwiches mache. Dann gehe ich wieder zu ihm und überreiche sie ihm, wofür er sich herzhaft bedankt. Kurz danach hole ich ihm noch eine Boxershorts von mir und einen Oversize Pullover, der ihm passen müsste.

„Darf ich schon fragen, was gestern los war oder sollte ich es komplett lassen?" frage ich als ich wieder bei ihm auf einen Hocker vor der Wanne sitze. Er kaut gerade sein Essen und schluckt runter: „Es gibt nicht wirklich was zu sagen." fängt er leise an und stellt den Teller beiseite, „Ich habe mir zu viele Gedanken über meinen Vater gemacht, dass ich es an einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr aushielt. Ich wollte zu ihm aber habe auf dem Weg einen alten Bekannten betroffen, der Drogendealer ist. Er gab mir zwei Pillen, die er neu zum Verkauf hat und der Rausch ging gleich los als ich sie eingenommen hatte. Ich dachte es wäre so ein leichtes Zeug, doch es war stärker als erwartet."

„Wie konntest du das bezahlen?" frage ich vorsichtig. Unbeeindruckt hebt er seine Brauen an: „Ich bezahle ihm immer mit einem Blowjob."

Ich bin sprachlos und schaue dementsprechend auch so. Kenny blickt zum Wasser und fährt fort: „Irgendwie ging es die Runde und einige Männer, auch welche die ich schon kannte, kamen auf mich zu und gaben mir Geld dafür, dass ich ihnen einen blase."

Erdrückende und schmerzliche Stille herrscht einen langen Moment im Raum.

„Ich bin eine Drecksnutte, wenn ich drauf bin und merke es nicht einmal." spricht Kenny weiter, „Ich spüre am nächsten Tag nur diesen Muskelkater in meinem Hals und diesen widerlichen Geschmack von Fremden."

Er starrt seine Hand an und diesen Ausdruck in seinem Gesicht kenne ich. Reue, Ekel, Hass, Verabscheuung gegenüber sich selber.

„Ich bin so ein widerlicher Mensch." flüstert er gebrochen und bricht in Tränen aus. Ich zöger keine Sekunde und nehme ihn in meine Arme, dass ich dabei ein bisschen nass werde ist mir herzlich egal.

„Du bist nicht widerlich, Kenny. Du bist ein wundervoller Mensch." sage ich ihm ehrlich zu doch es tröstet ihm nicht. Er erwidert meine Umarmung nicht einmal. Es macht mich traurig, dass Kenny sich so sieht. Ich mache keine große Anstalt und steige mit Klamotten in die Wanne ohne mich von ihm zu lösen. Wasser fließt aus der Wanne doch ich halte Kenny fester an mich: „Du bist mein Held, Kenny. Hasse dich nicht selber, ich liebe dich und werde es auch zukünftig tun!"

Ich spüre wie Kenny unter mir erstarrt. Nur kleine schluchzende Geräusche vernehme ich und dann spüre ich endlich seine Arme um mich. Ich lächel und streichel seinen Kopf während er weiter weint.

Nach längerer Zeit in dem er sich wieder beruhigt hatte, halte ich sein Gesicht in meinen Händen und betrachte ihn. Mit dem Daumen wische ich ihm noch wenige Tränen weg: „Du bist ein toller Mensch, Kenny. Es macht mich schon beinahe wahnsinnig und es tut mir im Herzen weh zuhören, wie du dich selbst verabscheust."

Er lächelt zerbrechlich und schaut runter um mir nicht in die Augen zuschauen: „Bislang hatte nur meine Schwester mir solch süße Worte gegeben."

Meine eine Hand bleibt an seiner Wange: „Ich helfe dir bei allem, Kenny. Du musst sie nur annehmen."

Erneut blickt er hoch zu mir und nickt schwach, was ich belächel. Ich bin dabei aufzustehen, da es mit nassen Klamotten nicht wirklich angenehm ist aber Kenny hält mich fest mit flehenden Blick, dass ich noch bleiben soll, was ich auch gleich tue. Er lehnt sich an meiner Schulter, wie in der Nacht wo er einfach auf der Straße eingeschlafen ist. Seine ruhige Atmung entspannt mich und ich summe leise ein Lied vor mich her während ich ihm weiter am Kopf streichel.

Die Seele ist billig │ South Park FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt