3 - Unerwartet

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Mein Herz fing sofort wie verrückt zu klopfen an.

Er stand vor mir, das wusste ich ganz genau.

Selbst von hier nahm ich seine angenehme Wärme, die von seinem Körper ausging, wahr, so nah befand er sich.

Meine Augen klebten unwirkürlich an seinem Oberkörper, der nunmal genau auf meiner Höhe war. Gordan trug nie so extrem enge Shirts wie andere Jungs in unserem Jahrgang, die sich so gerne präsentierten.

Nein, bei ihm konnte man nur erhahnen, wie die Muskeln unter dem dünnen Stoff ausgeprägt waren.

Er zeigte sich nie gerne oberkörperfrei, nichtmal bei anstrengenden Spielen in der Abendhitze, wenn sich alle anderen Mannschaftsmitglieder die Trikots vom Leib rissen, als würde es kein Morgen mehr geben.

Wenn ich so darüber nachdachte... ist das vielen Mädchen aufgefallen, selbst die, die schon näher was mit ihm zutun hatten. Anscheinend ließ er doch nicht alle immer so nah an sich heran, wie es immer gemutmaßt wird. Ich meine, wenn niemand so richtig wusste, außer vielleicht die Jungs in der Umkleide, ob und wie trainiert er war...

Schon komisch.

Vielleicht stimmten viele Gerüchte auch einfach nicht, aber was wusste ich schon. Ich kannte ihn schließlich nur flüchtig. Und das, was ich kannte - sollte mich von ihm so weit wie möglich auf Abstand bringen.

Anstatt dass ich mich jetzt jedoch umdrehte, um das Weite zu suchen, blieb ich starr wie eine Statue stehen.

Meinen Blick hielt ich gesenkt, ich traute mich nicht in ihn anzuschauen.

"Hallo Jane", hörte ich ihn leise an meinem Ohr wispern, sein heißer Atem strich über meine empfindliche Haut am Hals.

Entegegen diesem arroganten, überheblichen Tonfall, den er so oft anderen gegenüber anschlug, klang er diesmal so... so sanft.

Ich war froh, dass er nicht sehen konnte, wie sehr meine Hände zitterten, denn diese hatte ich in den Taschen meiner Jeansjacke schon vorher tief vergraben.

Bleib verdammt nochmal standhaft.

So richtig konnte ich mich immer noch nicht dazu durchringen, zu ihm hochzuschauen. Noch war ich dafür nicht bereit. "Gordan", gab ich stockend zurück, meine Stimme triefte vor Unsicherheit. "Was... was gibt es?"

"Ich weiß nicht, sag du es mir... gibt es einen Grund, den ich wissen sollte, warum du mich nicht anschauen willst?"

Seine tiefe, gänsehautverursachende Stimme blieb weiter weich und sanft, stimmte mich langsam zum Misstrauen seiner aufeinmal netten Art.

Aus den Augenwinkeln versuchte ich wahrzunehmen, ob uns hier irgendwer beobachtete, doch wir waren die Einzigen auf diesem Korridor, der nur zur Bibliothek und wieder zurückführte. Wer hielt sich hier auch schon in der Pause normalerweise auf?

Wenn ich nicht ein Referat in Geschichte und mir der Lehrer nicht ausdrücklich gesagt hätte, ich sollte nur die Bücher in der Bibliothek dazu nutzen, würde ich jetzt auch lieber in der Schulcafeteria sitzen und quatschend mit Carly Muffins essen.

"Es gibt keinen Grund", nur um ihm das zu bestätigen, schaute ich endlich zu ihm hoch - begegneten seinen dunkelbraunen Augen, deren Glitzern ich noch nie richtig deuten konnte. Es faszinierte mich lediglich... und lenkte mich ab.

Gordan verzog seine immer weichaussehenden Lippen zu einem Lächeln. Beinahe wölfisch wirkte er nun. Ein Wolf, der auf der Lauer lag... "Nun gut", setzte er an. "Ich wollte nur von dir wissen, ob du am Samstag auch zu Eriks Party kommst." Abwartend musterte er mich, seine Augen hefteten sich ziemlich lange auf meine Lippen, bevor er diesen eigenartigen Blickkontakt zwischen uns wieder aufbaute.

Seit wann interessierte ihn das denn, zu welcher Party ich erschien oder nicht erschien?

Da ich jedoch immer mehr Zeit von dieser kostbaren Pause verlor, entschied ich mich ihm einfach schlicht zu antworten. "Nein, ich denke nicht. Ich habe noch ein paar Sachen, die ich erledigen muss."

Er beobachtete beinahe schon etwas versunken, wie ich meine Lippen beim Sprechen bewegte, ehe ich deutlich erkennen konnte, wie er sich innerlich zusammenriss, um sich auf mein Gesagtes zu konzentrieren. "Was musst du denn noch so erledigen?", hakte er interessiert nach.

Langsam begann er mich immer mehr zu verwirren... woher aufeinmal sein ganzes Interesse gegenüber mir? Ich wollte nicht sein neues Spielzeug werden, das er nach ein paar Tagen wegwarf, sodass ich mir das restliche Schuljahr irgendwelche erfundenen, dreckigen Gerüchte über mich anhören durfte.

"Ich muss einfach noch was erledigen und habe keine Zeit", blieb ich nach wie vor ihm gegenüber verschlossen.

Sichtbar amüsiert von meinem Verhalten, konnte er ein Schmunzeln nicht unterdrücken. "Warte... liegt es an dem Vortrag in Geschichte, den du zu Montag fertig haben sollst?", schob er gleich die nächste Frage hinterher.

Ach ja richtig, wir waren ja beide im gleichen Kurs.

Leider.

Leider saß er nämlich schräg rechts genau eine Reihe vor mir und sein perfektes Gesichtsprofil hatte mich schon mehr als nur einmal abgelenkt.

"Eventuell."

Wieder zuckten seine Mundwinkel bei meiner Antwort und belustigt blitzen seine Augen kurz auf.

Warum zum Henker konnte ich ihn durch meine schnippische Art heute einfach nicht vertreiben?

"Was war das nochmal für ein Thema gleich? Die französische Revolution? Ich hatte letztes Jahr im unangekündigten Test die volle Punktzahl. Vielleicht kann ich dir ja helfen und so bist du schneller fertig..." Wieder betrachteten mich die braunen Augen aufmerksam, warteten geduldig auf eine Reaktion meinerseits.

Mir blieb der Mund fast offen stehen.

Er will mir helfen? Sodass ich doch noch zur Party konnte? Was hatte er denn bitte davon? Zeit, um mich herumzukriegen oder wie?

Nichts da.

Ich schüttelte stur den Kopf. "Lass mal, die Bücher in der Bibliothek wissen bestimmt auch noch einiges über diese Zeit, da bin ich mir sicher." Nervös schob ich mich somit an ihm vorbei, peinlich darauf achtend, ihn nicht zu streifen oder sonst irgendwie zu berühren, und machte mich weiter alleine auf den Weg.

Hoffentlich war das kein Fehler.






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