18. Kapitel

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JP Saxe, feat Julia Michaels - If The World Was Ending



K a t h a r i n a

James klopft erneut an die Scheibe und der Fahrer fährt sie erneut herunter.

„Ja, Sir?" „Bringen Sie uns bitte sofort zur Madrid Arena. Unsere Sachen müssen dann ins Hotel gefahren werden", gibt der Sänger ihm neue Anweisungen. Fragend sehe ich ihn an, das Taubheitsgefühl in meinem Inneren ignorierend. Der Fahrer drückt auf einen Knopf, und die ozonschwarze Scheibe gibt uns wieder Privatsphäre. „Vor einem Auftritt möchte ich immer die Bühne erkunden. Heute wollte ich es eigentlich alleine tun, aber ich glaube, dass du es genauso nötig hast wie ich." Ich ziehe meine Augenbrauen nach oben. „Aber wir haben in einer Stunde Probe, da sehe ich die Bühne ja auch." James schüttelt den Kopf. „Da ist zu viel Chaos. Viel zu viel. Wenn man da oben steht, auf dieser Bühne..." Er kommt ins Stocken und schüttelt den Kopf, nur um sich dann durch seine kurzen, dunklen Haare zu fahren. „Man ist fasziniert. Diese Stille und dieses Gefühl, dass kann man nicht erleben, wenn mehrere Menschen da sind. Man schließt für einen Moment die Augen und es fühlt sich besser an, als es der Auftritt manchmal selbst tut. Nicht, dass es der Auftritt nicht ist. Wenn man Menschenmassen bewegt und ihnen einen unbeschwerten Tag liefert, ist es wundervoll. Aber wenn man in diesem viel zu großem Stadium steht, in dieser magischen Stille, scheint man für einen kurzen Moment die ganze Welt zu verstehen. Das klingt... verrückt."

Ich schüttle den Kopf. „Das klingt überhaupt nicht verrückt. Das klingt wunderschön. Tust du das bei jeden deiner Auftritte?" Er nickt und schmunzelt. „Das scheint mein eigenes kleines Ritual zu sein." „Und ich darf dabei sein?" Er nickt. „Danke", meine ich. Verständnislos sieht er mich an. „Für was?" „Dass ich bei deinem Ritual dabei sein darf."

Erneut legt sich eine Stille über uns. Wie kann man leer sein, und trotzdem einen Druck auf der Brust verspüren, dass man kaum atmen kann? Ich nehme einen tiefen Atemzug, habe aber immer noch das Gefühl zu ersticken. Nach einem Jahr scheint das ganze Spiel von vorne zu beginnen. Drama, Depressionen und die Feigheit.

Um mich abzulenken, schaue ich aus dem Fenster. Häuser ziehen an uns vorbei. An einer roten Ampel halten wir an und ich lasse mir Zeit alles mit meinen Augen abzusuchen. Die Häuser sind ganz anders als in New York. Sie haben einen alten Stil und verschnörkelte Fenster in den verschiedensten Farben. Die Häuser sind auch nicht so hoch, wie sie in der Stadt, in der ich derzeit lebe, sind. Es ist wunderschön und irgendwie erinnert es mich ein wenig an mein Herkunftsland. Man kann von meiner Perspektive auch einen Kirchturm erkennen, der fast schon golden in der Sonne schimmert. Er ist spitz und es scheint, als würden Teile hinunterfallen und jemand hätte es auf einem Foto festgehalten. Alles ist viel heller als New York und auch die Leute scheinen ein Strahlen auf ihrem Gesicht zu tragen. Ich liebe es. Am liebsten würde ich aussteigen und mit diesen Menschen mitgehen, die gerade den Zebrastreifen überqueren. Die Menschen tragen ein Lächeln auf dem Gesicht und ein junges Paar hält sich im Arm. Die Spanierin, mit den schwarzen Haaren, beginnt zu lachen, nachdem er etwas gesagt hat. Er ist gerade mal ein paar Zentimeter kleiner als sie, aber ich finde die Beiden wunderschön. Die Liebe, die zwischen ihnen herrscht, kann man fast ergreifen. Auf der anderen Straßenseite verschwinden sie in der dahinziehenden Menschenmenge, und ich verliere sie aus meinem Blick.

Die Ampel springt wieder auf grün und der Wagen setzt sich wieder in Bewegung. Die Stadt verschwimmt erneut vor meinen Augen, bis der Wagen langsamer fährt und schließlich stehen bleibt. Der Fahrer scheint auszusteigen und öffnet James die Türe, während der sich seine Sonnenbrille wieder aufsetzt. Für einen kurzen Moment sitze ich alleine im Auto, und würde am liebsten schreien, als James schon die Türe aufmacht und ich mehr oder weniger gezwungen bin auszusteigen.

Die Sonne scheint mir ins Gesicht und blendet mich. Da es mich aber wärmt, lasse ich es zu und schließe notgedrungen nur meine Augen. Die Sonnenstrahlen liebkosen mein Gesicht und ich möchte mich nicht mehr bewegen. Nie wieder. Können wir bitte kurz eine Pause einlegen? Nur diesen einen gewissen Moment fühlen. Nicht das, was einmal war oder das, was einmal sein wird. James legt seine große Hand an die Kule meines Rückens und übt leicht Druck auf, um mich zum Gehen zu bringen.

Die Hochhäuser daneben sind gleich hoch wie das Stadion selbst, aber die Arena ist unbeschreiblich. Das Silber glänzt in der Sonne. Ich muss meinen Kopf in den Nacken legen, um überhaupt die Ausmaße des Gebäudes zu sehen. „Es ist toll, nicht wahr?" Sprachlos nicke ich. „Die Schönheit ist unbeschreiblich", spricht der Mann neben mir weiter. „Es ist einfach umwerfend", stimme ich ihm zu. Ich lasse meinen Blick zu ihm schweifen, und erkenne, dass er dem Stadion keine Aufmerksamkeit widmet. James sieht die ganze Zeit über mich an.

Peinlich berührt schaue ich weg und laufe rot an. Was ist los mit mir? Im einen Moment geht es mir schlecht und er holt mich raus aus dieser Phase, mit nur einem Blick.

Ich räuspere mich. „Wollen wir rein gehen?" Er beginnt zu lächeln, wendet seinen Blick nicht ab. Meine Haut scheint zu brennen, wo sein Blick mich liebkost. Dann, nach einer halben Ewigkeit, nickt er und geht vor. Unbewusst bildet sich ein Grinsen auf meinem Gesicht. Ich beiße mir auf meine Lippen und im selben Moment, werde ich wieder von einer tiefen Traurigkeit gefüllt.

Weil er mein Boss ist.

Weil er einen Namen hat.

Weil ich ein Niemand bin.

„Hey." Eine warme Hand legt sich auf meine linke Schulter.
„Alles in Ordnung, Katharina? In welche Traumwelt verschwindest du jetzt schon wieder?" Eine Träne schien zuvor über meine Wange gelaufen zu sein. Ich habe es nicht einmal bemerkt. James wischt mir mit seiner warmen Hand die Träne von meiner Wange, dann umschließen seine Hände meine. Warm und kalt. „Sollen wir rein gehen?" Ich atme zitternd ein und nicke.

Das Stadion ist riesig. Nicht in Worte zu fassen. Ich schaue mich um. Die Wände an den Seiten, gehen noch ein paar Meter in eine Decke über, bis sie verschwinden und über uns der Himmel sichtbar wird. Einzelne Wolken ziehen vorüber. James zieht mich weiter, bis wir in der Mitte angekommen sind. Er zieht mich an seine Brust, und legt seine Hände auf meinen Hüften ab. Ich spüre seinen Atem an meiner Kopfhaut und kann die Bewegung seiner Brust an meinen Rücke spüren. Ein und aus. Druck und Wärme. Er nimmt eine Haarsträhne und klemmt sie hinter mein Ohr, um sich dann zu mir runter zu beugen. Sein warmer Atem an meinem Ohr lässt mich erzittern. Dann flüstert er: „Schau in den Himmel." Ich drehe meinen Kopf zu ihm um, schaue ihn fragend an. Er grinst nur. Legt seine Finger unter mein Kinn, und schiebt es nach oben. Ich habe die ganze Zeit schon in den Himmel gestarrt, aber jetzt, genau in diesem Moment, in James Armen ist es egal, ob wir nur zwei von acht Milliarden sind. Es zählt nicht, wie viele sich an einen erinnern. Es zählt, wie und an was man sich erinnern kann. Die Akzeptanz, dass wir irgendwann verschwinden werden, nimmt Steine von meinem Rücken. Es wäre mir eine Ehre von James Connor eine Erinnerung zu sein, wenn ich einmal nicht mehr auf dieser Erde weile.

„Friedlich", durchbricht die Stille. Ich beginne zu lächeln. Dieses Wort beschreibt es perfekt. „Ich wünschte, es könnte für immer so sein", flüstere ich. Ich weiß nicht, ob James es gehört hat, aber falls doch, kommentiert er es nicht, sondern steht einfach so da.

Ich frage mich, wie wir wohl aussehen. Zu zweit in dieser riesigen Arena, beide den Kopf in den Nacken gelegt, auf das Ende der Welt wartend, während die Sonne in ihre Gesichter scheint und die Wolken ihre Form verändern.

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