Chapter 18

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Meine Mutter war neben Niall vermutlich die erste und letzte Besucherin, die ich im Krankenhaus empfangen würde. Sie hatte mich beinahe jeden Tag besucht und konnte kaum aufhören, immer und immer wieder zu erwähnen, wie unheimlich niedlich meine Tochter doch wäre – und dass ich mich langsam aber sicher für einen Namen entscheiden musste.
Ich seufzte auf, als ich durch das Fenster beobachtete, wie die Sonne hinter den Hochhäusern Londons verschwand. Meine Mutter war bereits seit einer Stunde fort, und seitdem konnte ich irgendwie nicht aufhören nachzudenken. In mir mischten sich so viele Emotionen.
Glück, Euphorie – aber auch Angst. Angst davor, dass ich diesem Kind nicht bieten konnte was es brauchte.
Sobald ich aus dem Krankenhaus entlassen werden würde, würde Simon diesen Vaterschaftstest vornehmen lassen – dieser würde dann beweisen, dass Niall tatsächlich ihr Vater war. Was danach passierte, wollte ich lieber noch gar nicht wissen. Außerdem … Wie erklärte man einem Kind, dass sein Vater ein berühmter Sänger war, der sich zwar um es sorgte, aber in der Öffentlichkeit nicht zugeben wollte, dass es tatsächlich sein Kind ist?
Wieder stieß ich einen Seufzer aus, als jemand an die Tür klopfte. Und obwohl ich niemanden hereingebeten hatte, öffnete sie sich ganz langsam.
„Kann ich reinkommen?“
Ich kannte diese Stimme. Sie gehörte zu Niall.
„Natürlich“, ich zuckte beide Schultern und warf einen Blick auf unsere Tochter, die zu schlafen schien. „Aber versuch leise zu sein, sie schläft.“
Er nickte und schloss die Tür vorsichtig wieder hinter sich und ließ sich auf einem Stuhl neben meinem Bett nieder. „Wie geht es ihr?“
„Sie schläft ziemlich viel“, ich lächelte bei dem Gedanken daran und deutete auf die kleine Wiege neben meinem Bett. „Aber es geht ihr wirklich sehr gut.“
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Und wie geht es dir?“
Ich brauchte einen Moment um zu begreifen, was er mich gerade gefragt hatte. Das war eine Frage, die ich aus seinem Mund niemals erwartet hätte – genau deshalb schien es auch so absurd zu sein, dass ich es im ersten Moment gar nicht richtig glauben konnte.
„Mir?“
„Ja, dir“, er grinste mich an, als wäre es völlig selbstverständlich gewesen sich nach meinem Befinden zu erkundigen, und als hätte er aufrichtiges Interesse daran.
„Gut“, antwortete ich schließlich, „Ich bin nur etwas müde. Und dir?“
„Viel zu viele Termine“, seufzte er, „Aber ansonsten ist alles Bestens.“
Ich lächelte. Irgendetwas zwischen uns hatte sich verändert. Ich will nicht sagen, dass es komisch geworden ist, aber ich konnte nicht begreifen, was genau passiert war.
Aber dieser ganze Ärger den wir miteinander hatten, schien plötzlich in den Hintergrund zu treten. Jetzt, da ich gesehen hatte, dass er auch anders sein konnte begann ich, ihn zu verstehen.
Wir wussten beide, dass uns etwas verband – bis an unser Lebensende. Und wir wussten beide, dass wir das nicht ändern oder gar rückgängig machen konnten. Aber plötzlich wusste ich gar nicht mehr, ob wir das überhaupt wollten.
Wieder musste ich lächeln. Es war eine eigentlich schöne Erkenntnis, auch mit ihm auskommen zu können.
„Wissen deine Kollegen, dass du hier bist?“
Niall nickte. „Ja.“
„Sind sie sehr wütend?“
Nun schüttelte er seinen Kopf. „Nein“, antwortete er, „Überhaupt nicht. Diese Jungs sind nicht nur meine Kollegen, sie sind meine besten Freunde.“
Es musste wirklich schön sein, so gute Freunde zu haben. Ich hatte nämlich nach dieser Geschichte keinen Einzigen mehr.
„Haben deine Freunde dich denn schon besucht?“, fragte er schließlich, als hätte er in diesem Moment meine Gedanken gelesen.
Ich schüttelte meinen Kopf. „Nur meine Mutter.“
„Wie hat sie denn reagiert?“
Ich zuckte beide Schultern. „Wie Mütter eben auf ihre Enkelkinder reagieren“, ich grinste ihn scherzend an, „Ich habe den Satz Sie ist wirklich ein wunderschönes Baby in den letzten Tagen vermutlich mehrere hundert Male gehört.“
Er lachte kurz auf. „Wenigstens freut sie sich.“
Ich zog beide Augenbrauen nach oben. „Freut deine Mutter sich denn nicht?“
Nun war er derjenige, der beide Schultern zuckte. „Naja, sie hätte sich mit Sicherheit Schöneres vorstellen können, als jetzt schon Oma zu werden“, seufzte er, „Außerdem hat sie das am Anfang wirklich nur für ein Gerücht gehalten.“
Ich senkte meinen Kopf.
„Aber ich glaube schon, dass sie sie ins Herz schließen wird, sobald sie sie das erste Mal im Arm hält“, vorsichtig warf er einen Blick in die Wiege.
„Das bleibt zu hoffen“, gab ich zurück, während ich jetzt schon begann, Angst vor dem Tag zu haben, an dem ich seine Familie kennenlernen würde.
„Ich kenne meine Mutter“, meinte er, „Glaub mir, sie wird sich beruhigen.“
Während er mit leisen Schritten an die Wiege trat und behutsam die Wange des schlafenden Kindes streichelte, musste ich lächeln. Er konnte so anders sein, so liebevoll. Es gab auch noch einen echten Menschen hinter dieser ganzen Fassade.
Langsam glaubte ich, ihn zur falschen Zeit kennengelernt zu haben.
„Rose?“
„Ja?“
„Was hältst du davon sie Grace zu nennen?“
„Grace?“
Niall nickte.
„Die Idee gefällt mir“, lächelte ich, „Meine Großmutter hieß Grace.“
In diesem Moment sahen wir uns einfach nur an. Er sagte nichts mehr, ich sagte nichts mehr. Wir sahen uns einfach nur an, ohne wirklich zu wissen, weshalb.
„Es wird langsam spät“, bemerkte ich nach einer Weile, „Musst du nicht langsam zurück?“
„Nein“, antwortete er kopfschüttelnd, „Ich habe Zeit.“
Wieder sprach niemand ein Wort. Ich hatte zwar keine Ahnung, was diese Stille bedeutete und wofür sie stand, aber es war nicht diese peinliche Art von Stille, als würde niemand wissen, was man sagen sollte.
Es war viel mehr, als würde man gar nicht wollen, dass jemand sprach – als wären Worte überflüssig.

Sharing the secret (Niall Horan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt