Kapitel 1

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Wo fängt man eine Geschichte an, die über eine Zeit handelt, in der die Zeit eingefroren zu sein schien? Vermutlich würden viele sagen, das man mit dem 'Anfang' beginnen sollte. Aber wo ist der Anfang? Wenn die Kälte sich leise und schleichend auf einen zubewegt, kann man gar nicht so richtig verstehen, wann es wirklich angefangen hat. Vielleicht wartete die Dunkelheit schon mehrere Monate darauf, auszubrechen und über mich herzufallen. Vielleicht kam aber auch alles so plötzlich wie es sich anfühlte.

Wenn ich so darüber nachdachte, dann war es der Abend des Falls, an dem sich alles änderte. Wer weiß ob es Wochen vorher schon Anzeichen gegeben hatte, die ich hätte erkennen müssen. Doch an jenem abend, es war ein Sonntag und ich war über Tag auf der Arbeit gewesen, an jedem Abend vergassen meine Beine wie sie zu funktionieren hatten. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.
Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Wie der Tag ablief und wie er endete. Wie ich am Montag darauf zum Arzt fuhr und dieser glaubte, ich hätte nur einen schwachen Kreislauf gehabt. Wie gern wünschte ich, es wäre dabei geblieben. Ich habe damals nicht gewusst, das dies der Beginn einer eingefrorenen Zeit sein würde. So verbrachte ich eine Woche mit Bettruhe und versuchte mich auszuruhen. Es erwies sich als schwirig, da ich nicht dann schlafen konnte, wann ich es wollte. Eigentlich.. schien mein Kopf gar nicht mehr schlafen zu wollen und nur wenn ich erschöpft genug war, fielen mir die Augen zu. Man muss wohl erwähnen, das ich zu dieser Zeit sowieso einen sehr ungeregelten Schlafrythmus hatte. Ich habe in einer Konidtorei gearbeitet und war dort noch in der Ausbildung. So musste ich zwei mal die Woche zur Schule, die erst um acht Uhr morgens begann und an den anderen Wochentagen schon mitten in der Nacht auf der Arbeit sein. Dieser Wechsel schien mir nicht besonders gut zu bekommen. Das war wohl auch der Grund, warum ich der Annahme eines schwachen Kreislaufes glauben schenkte. Doch dieser körperliche Zusammenbruch war nur das erste Anzeichen eines Ausbruches, welcher sich erst eine Woche später zeigte. An meinem ersten Arbeitstag nach der einwöchigen Ruhephase. Wie immer machte ich mich mitten in der Nacht auf dem Weg zur Arbeit. Doch ich war nur wenige Meter mit meinem Auto unterwegs gewesen, da spielte das Radio einen Song, der mir die Tränen in die Augen trieb. Heute kann ich nicht mehr sagen was für ein Lied das war, aber ich war schon immer etwas emotional und lies mich schnell von Musik und Geschichten beeinflussen. Also dachte ich, das würde schon wieder vorbei sein, wenn ich auf der Arbeit war. Doch je näher ich dem Ort kam, an dem ich arbeiten musste, desto größer wurden die Tränen. Selbst das Umkleiden in die Arbeitskleidung erwies sich als schwirig und erst als eine Kollegin mich darauf ansprach, erkannte ich, das ich so nicht arbeiten konnte. So machte ich mich zurück auf den Weg nach Hause. Immernoch voller Tränen. Dort hatte es ein wenig gedauert bis die Tränen versiegt waren und der Schlaf mir ein paar Stunden Ruhe gönnten. Schon kurz darauf ging es dann zurück zu meinem Hausarzt.

Vielleicht war es gut, das er mich schon mein Leben lang kennt und auch der Rest meiner Familie dort ein und aus geht. So brauchte ich mich nie wirklich mit langen Erklärungen aufhalten. Vor allem nicht, wenn man bedachte, das einige Jahre zuvor mein Vater schon durch ein Burn Out gegangen war. Vielleicht war das der Grund, das schnell herausgefunden wurde, das meine Beschwerden alle nicht körperlicher Natur waren. Das ich an etwas litt, das ich erst gar nicht begreifen wollte. Depressionen.
Ja, das was heute als 'Modekrankheit' bei der kleinsten Überforderung galt, hatte mich tatsächlich erwischt. Gut, das geht schon wieder weg. Ich bekomm nun ein paar Tabletten und dann kann ich bald wieder arbeiten, die Ausbildung beenden und mein Leben weiter führen. Zu diesem Zeitpunkt ging ich mit diesen Depressionen noch um wie mit einer ganz normalen Grippe. Wie sehr ich mich doch täuschte...

Als erstes bekam ich eine Therapeutin vorgeschlagen. Tatsächlich bekam ich von der Dame die erwarteten Tabletten. Anti-Depressiva, die mir helfen sollten, mich zu beruhigen. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde ich oft von unkontrollierbaren Heulattacken und Herzrasen heim gesucht.
Was ich an diesem Punkt vielleicht erwähnen sollte.. Gedanken mir selbst das Leben zu nehmen hatte ich in diesem einem Jahr nicht gehabt. Es war nicht so, das ich sie nicht kannte aber das lag schon lange zurück. Zudem.. besitze ich eine riesige Phobie gegen Schmerz. Daher war es in meinem Kopf gar nicht möglich über soetwas nachzudenken wie Selbstmord. Zu dem Zeitpunkt war das zwar eher wie ein Fluch, weil ich nicht entkommen konnte... aber aus heutiger Sicht bin ich froh und erleichtert drum. Nun.. aber zum Beginn meiner Therapie dachte ich ja auch noch, ich würde ein paar Wochen meine Tabletten nehmen und dann wäre wieder alles okay.
Aber wenn es etwas gab, was Tabletten nur bedingt beeinflussen konnten, dann war es wohl die Psyche.

Von diesem Zeitpunkt an war ich also aufgrund von Depressionen krank geschrieben. Ich hockte zuhause und wusste nichts mit mir anzufangen. Wahrscheinlich würde sich jeder freuen wenn er mal ein bisschen 'Urlaub' hätte, denn Depressionen klangen ja nicht wie eine Krankheit, bei der man sich nicht bewegen konnte. Aber tatsächlich gab es Stunden, in denen es für mich unmöglich war, gerade dies zu tun.
Die ersten Tage, vielleicht sogar Wochen ging das ganze wieder etwas bergauf. Ich beschäftigte mich mit einigen Dingen die mir Spaß machten und versuchte mich auszuruhen. Das Einzige, was mir wirklich schwer viel, war das Schlafen. Immer wieder gab es Nächte, in denen ich wach blieb. Manchmal sogar mehrere Tage und Nächte am Stück.
Ich begann auf dem Sofa zu schlafen. Immer dann, wann ich merkte, das ich traumlos einschlafen würde. Denn sonst wurde ich von Gedanken heim gesucht, die ich nicht kontrollieren konnte, wenn ich die Augen schloss. So versuchte ich mich in meinem Wachzustand auch immer irgendwie abzulenken. Um ja nicht an Sachen denken zu müssen, die mich ins Negative ziehen könnten.
So gingen wohl viele Wochen ins Land ohne das ich es überhaupt merkte. Es gab Tage, da wusste ich nichteinmal ob wir nun Montag oder Mittwoch hatten. Ich besaß auch kein Zeitgefühl mehr, dadurch das ich nachts nicht mehr ordentlich schlief. Ich hatte auch keine Kraft mehr für viele Dinge, weil ich nie ausgeschlafen war. Es war wie ein Kreislauf, den ich nicht durchbrechen konnte. Die Schuld schob ich auf die schlaflosen Nächte.
Also suchte ich mir etwas um genau das zu bekämpfen. Die schlaflosen Nächte in denen ich mir Serien reinzog, irgendwelchen Quatsch auf Videoplattformen wie YouTube anschaute und angestrengt nicht versuchte darüber nachzudenken, was meine Kollegen wohl von mir dachten. Denn dort wurde schon getuschelt wenn man nur einen Tag krank war. Geglaubt das man wirklich krank war.. wurde nie einem. Das setzte mich sogar noch zusätzlich unter Druck.

Die schlimmste Zeit des gefrorenen Jahres waren da aber noch gar nicht angebrochen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich zwar, das es nichts schlimmeres gab als schlaflose Nächte aber ich konnte ja auch nicht wissen was die Zukunft noch bringen würde.
Zunächst konzentrierte ich mich also darauf, die Schlaflosigkeit wieder los zu werden und einen geregelten Ablauf der Schlafzeiten zurück zu bekommen. Etwas das sich schwiriger erwies als gedacht und letztlich nur mit starken Anti-Depressiva möglich waren, die beruhigende und schlaffördernde Wirkungen hatten. Es waren Tabletten mit denen ich nicht einmal mehr Auto fahren durfte. Wenn ich sie genommen hatte, dann wurde ich schnell müde und schlief ein. Aber zu diesem Zeitpunkt war dies ja auch genau das, was ich wollte. Also setzte ich mein ganzes Vertrauen in diese Tabletten.
Ein zweischneidiges Schwert, wie ich erst später bemerkte...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 27, 2019 ⏰

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A year without Time ~ Als die Zeit für mich stehen bliebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt