Vergangenheit

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So lange sitze ich nun hier, warte darauf, dass sie die Sporttasche inder ich mich befinde, endlich abstellt. Ich muss wissen, was da draußen passiert. Wie es dazu kam, dass ich mein Kind ausspioniere fragst du? Ich möchte dir diese Geschichte erzählen. Es fing vor Jahren an. Der Build a Bear Store öffnete im Janur 2010 in Hannover und war super beliebt bei den ganzen Kindern. Tag ein und aus liefen sie verteilt duch den Laden und suchten sich ihre Kuscheligen Partner fürs Leben raus. Ich gebe zu, ganz billig war dieses Erlebnis nicht und ich habe viele Eltern erlebt, die nicht grade zufrieden mit den Preisen waren. Ich wartete so lange darauf, dass auch ich ein Kind bekomme, dass mich auffüllt, das Bärchen-Belebungs Ritual vollzieht und mich glücklich mit nach Hause nimmt. Ich gab die Hoffnunug fast auf, als sie kam. Sie sah mich, nahm mich in ihre kleinen Hände und lachte. Ich glaube sie hatte kurz vorher geweint, doch ich sah wie immer nur ganz verschwommen. Wie durch Milchglas. Doch ihr Lächeln, das sah ich genau. Sie lief mit mir zur Befüllungsmaschine und ließ mich Auffüllen. Es war so weit! Als sie anfing das Ritual zu vollziehen, wurde meine Sicht langsam immer klarer. Ich hörte besser und bekam viel mehr mit als sonst. Ein komisches, wärmendes Gefühl durchzog meine nicht mehr ganz so leere Hülle. Sie hüpfte grade auf einem Bein, als ich sie richtig erkennen konnte. Sowas süßes hab ich noch nie gesehen! Ihre langen blonden Haare flogen nur so durch die Luft und als sie fertig war, machte sie mir ihr aufgewärmtes Herz in meinen flauschigen Körper. In null komma nichts war das Ritual vollbracht und sie nahm mich zum Computer, an dem man eine Geburtsurkunde drucken lassen kann. Sie überlegte, gab dann aber irgendwann in der Namensspalte ,,Cookie" ein. Auf der Urkunde steht ganz unten immer, zu wem man gehört. Da tippte sie dann ihren Namen ein ,,Candy". Ich war so begeistert, Candy und Cookie, was besseres wäre mir nie eingefallen. Aber noch bevor sie mit mir nach Klamotten stöbern konnte, tippte ihre Mutter sie an. >Wir müssen langsam los, mein Schatz< sagte sie leise. >Ist gut, danke Mami< antwortete sie.  Sie klang wie ein Engel. Candy holte sich dann also die Geburtsurkunde am Tresen ab, ihre Mutter bezahlte und dann gingen wir auch schon. Ich glaube ich kann sagen, dass ich das glücklichste Bärchen auf der ganzen weiten Welt war. Sie machte Teepartys mit mir, wir spielten Burg auf ihrem Hochbett, lasen ohne Ende Bücher und nie verließ sie das Haus ohne mich (außer zur Schule). 3 einhalb Jahre war ich nun bei ihr. Wir waren unzertrennlich und mit ihren anderen Spielzeugen war ich auch ziemlich gut befreundet. Vor allem mit Barbie, sie war vor mir das Lieblingsspielzeug von Candy. Ich dachte ja, sie würde mich dafür hassen, doch sie gönnte es mir und meinte, ich wäre vielleicht besser dafür geeignet, auf Candy aufzupassen. Wir beschlossen also, zusammen diese Verantwortung zu übernehmen. Aber niemals werde ich den Tag vergessen, an dem sie mir durch die Pfoten rutschte. Ich bemerkte es nicht einmal. Es fing an, alls sie ihre neuen besten Freundinnen kennen lernte. Sie kam damals grade in die 5. Klasse und es hatte ein paar Wochen gedauert, bis sie den Anschluss fand. Zuerst freuten wir uns alle für sie, sie hatte schließlich nie richtige Freunde (außer uns natürlich) gehabt. Sie war mit ihren 11 Jahren unverbesserlich fand ich. Sie trug ihre Einhorn Pullis und hatte einen Schulranzen mit Barbie drauf. ich fand den Look klasse. Und als sie dann eben diese Mädchen kennen lernte, dachten wir uns nichts Böses. Im Gegenteil, wir waren froh, dass sie Candy so akzeptierten wie sie ist. Aber genau das war unser Fehler. Wir haben sie ins Messer rennen lassen. Sie hielt sich natürlich an dieser Freundschaft fest (das haben ihr ihre Lieblingsserien nun mal so beigebracht) und baute alles daruf auf. Und als dann der Tag kam, an dem diese Mädchen Candy in der Schule bloßstellten, war sie nicht mehr dieselbe... Ich habe Schuld an dieser Geschichte. Zwei Tage bevor das geschah, sprach sie ganz lange mit mir bei einer unserer Teepartys darüber, dass sie die beiden einladen möchte. Ich war natürlich durch ihre Erzählungen über sie überzeugt, dass sie ganz nett sind. Den Tag darauf waren die Zwei dann bei uns. Candy zeigte ihnen alles, vertraute ihnen Geheimnisse an, die vorher nur wir als Spielzeuge kannten und erzählte sogar von unserer Geschichte. Ich bin ehrlich, diese Zwei sahen null begeistert aus. Sie waren Candy nicht mal ähnlich. Sie sahen sogar viel Älter aus als sie. Ich dachte schon darüber nach, ob ich was falsch verstanden hätte und die Mädchen gar nicht in ihre Klasse gehen. Doch da Candy es mal erwähnt hatte, dass sie jetzt seit ein paar Tagen neben den Beiden säße, wusste ich, dass der Gedanke fehl am Platz war. Mein bedenken war dann eher, wenn sie schon wie richtige Teenager aussehen, werden sie bestimmt auch so handeln. Ich kannte das natürlich nur aus Serien wie Hannah Montana, Gilmore Girls und Violetta wo sie immer alle über die anderen Späkulieren und Tratschen, Gerüchte setzen oder jemanden Bloßstellen. Und diese Zwei regten diesen Gedanken kräftig an. Ab da begann dann auch meine große Sorge. Und den Tag darauf.... wisst ihr ja, was passierte. Ich weiß nicht genau, was sie ihr angetan haben, doch sie kam weinend nach Hause, schmiss sich aufs Bett und hörte für Stunden nicht mehr auf. Wir als Spielzeuge müssen uns daran halten, niemals einzuschreiten. Uns allen tat das Herz weh, nur zugucken zu können. Irgendwann schlief sie ein und wir begannen sie zuzudecken und uns um sie herum zu kuscheln. Die Tage bekamen dann auch genau denselben ablauf, sie kam heim, weinte, aß nichts, schlief. Immer so weiter. Irgendwann verstummte sie. Sie redete nicht mal mehr mit uns, selbst wenn wir uns provokativ auf ihrem Bett postierten, bereit umarmt und vollgequatscht zu werden. Doch sie kletterte hoch, schmiss sich über unsere Köpfe hinweg auf die Matratze und blieb still. Keine Tränen, kein schluchzen. Gegessen hat sie wieder nicht. Sie nahm so viel ab, wurde Woche für Woche dünner. Eines Tages, rief ich alle Spielzeuge zusammen. Ich verkündete also, dass ich mich mit zur Schule schleiche. Entsetzen füllte das Zimmer. Barbie war dagegen. Sie sagte:>Willst du riskieren, dass ihre tollen Klassenkameraden dich sehen und es sie noch härter trifft?< ich musste das Risiko eingehen. Also sagte ich:>Wenn ihr wollt, dass sie irgendwann an ihrer Unterernähung stirbt, dann bleibt im Regal und schweigt. Doch ich werde sie nicht länger allein lassen... nicht jetzt wo sie uns am meisten braucht< es schien, als hätte ich mit diesem Satz einen Schalter umgelegt. Schweigen... dann stimmten mir die Ersten zu. Dann begann sogar Barbie diesen Plan zu unterstützen. Aber viele waren der Meinung, sie sollte mitgehen. Sie ist kleiner und kann sich besser verstecken. Ich schüttelte den Kopf. >Morgen hat sie Sport im letzten Block, ich verstecke mich im zweiten Abteil ihrer Sporttasche. Das benutzt sie eh nie< wieder schweigen und viele überlegende Gesichter. Dann stimmten sie jedoch alle zu. Der Plan stand also. Sobald sie schlafen ging, kletterte ich in ihre Sporttasche. Die Nacht war unbequem und ich schob schon ein bisschen Panik als es dann zur Schule ging. Jetzt gibt es kein zurück mehr.

Jetzt wisst ihr, wie es dazu kam. Ich bin kurz davor herauszufinden, was in diesem Gebäude des Schreckens vor sich geht, wenn ich (normalerweise) nicht da bin.

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⏰ Last updated: Dec 29, 2019 ⏰

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Als sie mir entglitt... Das Leben aus der Sicht eines SpielzeugsWhere stories live. Discover now