Part 10

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Lucy

Ein Paar?
Henry und ich?
Das war doch vollkommen absurt.
Was dachten sich bloß diese ganzen Leute? Wir passten doch überhaupt nicht zusammen.
Abgesehen davon, dass er von Natur aus gutaussehend war, hatte er einen trainierten Körper, war groß, immer perfekt gestylt..., kombiniert mit seinen wunderschönen blauen Augen, die mehr lächelten als seine Lippen, obwohl sein Lächeln einfach herzzerreißend war, war er der Traum eines jeden Mädchens, dass sich einen Märchenprinzen wünschte.
Außerdem besaß sein Vater eine Millionen schwere Firma, er selbst fuhr einen Porsche, so wie es aussah war er sehr beliebt und höchstwahrscheinlich war er der Typ, der immer gute Noten schrieb ohne viel dafür tuen zu müssen.
Dazu kam noch, dass ihn das alles anscheinend nicht interessierte und er ganz und gar nicht arrogant, sondern einfach nur der sympathischste Typ war, den ich je kennengelernt hatte, naja, mit einer Ausnahme...
Natürlich basierte das alles auf freundschaftlicher Ebene. Nicht mehr.
Wenn ich mich da selbst neben ihm verglich...
Im Gegensatz zu ihm, dieser einfach perfekten Person war ich eine riesige Baustelle.
Klar, niemand war perfekt, doch er wirkte, als wäre er es.
Ich hasste Menschen, bei denen es so wirkte, als sei alles perfekt. Klar, hassen klang vielleicht etwas hart, ich möchte diese Menschen einfach nicht. Doch bei Henry war das anders. Er strahlte etwas aus, dass meine Meinung völlig durcheinander brachte. Ich hasste ihn nicht dafür, dass er so perfekt wirkte, ich mochte ihn sogar. Und das war überhaupt nicht gut. Ganz und gar nicht gut.
Und als ich bemerkte, dass er mich wieder mit diesem schuldbewussten Blick musterte, konnte ich einfach nicht anders, als zu lachen.
Alles, einfach alles von unserem Aufeinandertreffen, unseren Unterhaltungen, seiner Einladung zu dem Konzert, wozu er mich nur als Entschuldigung eingeladen hatte, so blöd war ich ja nun nicht zu denken es wäre, weil er mich wirklich mochte, bis hin zu dem Video, welches von uns gemacht wurde, als was auch immer passierte, und dieser Situation bei der plötzlich alle dachten wir seien ein Paar, war wie in einem dieser klischeehaften Bücher oder Filme, bei dem es am Ende das Happy End gab, welches man von der erste Sekunde an voraus sagen konnte, in der sich die Protagonisten über den Weg liefen, man aber trotzdem bis zum Ende mit fieberte.
Es gab einfach nichts besseres, als darüber zu lachen.
Zuerst sah Henry mich völlig entgeistert an, doch nach wenigen Sekunden stimmte er in mein Lachen mit ein.
>Das ist einfach genau... <
>... wie in diesen ganzen schlechten Filmen mit einem vorraussehbaren Happy End? <
Jetzt beendete er sogar noch meine Sätze. Das war einfach zu viel.
>Ja. <
Und wieder mussten wir lachen.
>Nur, dass das keine schlechten Filme sind, sie sind einfach nur zu übertrieben im Vergleich
zur Realität. <
Als wir uns endlich wieder beruhigt hatten, sah er mich wieder mit diesem verspielten Blick und endlich mich nicht mehr so schuldbewusst an.
>Du liebst diese Filme, oder? <
Erwischt. Ja, ich liebte diese Filme. Eben weil sie nicht der Realität entsprachen und einen in eine andere Welt führten. Aber das musste ich Henry ja gerade nicht unter die Nase reiben.
>Naja, ich würde mal sagen, klar schaue ich mir mal einen an, aber lieben würde ich
nicht sagen. <
Vielleicht schaute ich mir auch fast jede Woche zusammen mit meiner Mum einen, manchmal sogar mehrere an. Wir sind eben beide immer auf der Suche nach Romantik.
Da sagte man wohl, wie die Mutter so die Tochter...
>Ich sehe es dir an der Nasenspitze an, wenn du lügst, Lucy. Du liebst diese Filme und wünscht dir mit Sicherheit genau so einen Traumprinzen wie in allen diesen Filmen. <
Um ganz ehrlich zu sein, ja ich wünschte mir einen Traumprinzen,welches Mädchen wünschte sich denn keinen?
Doch ich wünschte mir einen, der genau so war, wie ich meine Vorstellung von einem und nicht einen allgemeinen Traumprinzen.
>Gut, ich gebe es zu. Ja, ich liebe solche Filme. Aber ich weiß auch, dass es so einen Traumprinzen, wie im Film einfach nicht gibt. Mir reicht schon jemand, der nur einen Funken romantisch ist und weiß, was im Leben wirklich wichtig ist und ich
bin zufrieden. <
>Einen Romantiker also... <
Am liebsten hätte ich ihn gefragt, woran er gerade dachte, doch dann klingelte es schon zum Ende der Pause.
Henry schaute kurz nach hinten zum Eingangsbereich, wo seine Freunde schon auf ihn warteten.
Ich stellte mich schon darauf ein, dass er kurz zum Abschied etwas sagen und dann verschwinden würde, doch da hatte ich mich getäuscht.
>Können wir uns in der Mittagspause  treffen? Ich glaube wir sollten uns noch mal etwas ernster unterhalten, was wir jetzt machen. <
Was wir jetzt machen? Für mich war es eigentlich klar, was ich machen würde. Mein Leben weiter so leben wie bisher, aber anscheinend hatte Henry da eine andere Vorstellung.
Und dann tat ich wieder mal etwas, was ich bei jedem anderem Menschen nicht getan hätte, und verabredeten mich mit Henry, uns in der Mittagspause wieder zu sehen.

Ich hatte Anna und Sumi erzählt, ich würde mich mit Henry in der Mittagspause treffen und ihnen tausend mal versichert, dass es die einzige Mittagspause sein würde, die  ich nicht mit ihnen verbrachte.
Natürlich war Sumi total ausgetickt, als ich zugab, ich würde mich mit Henry treffen. Anna schaute uns nur völlig verwirrt an und fragte, wer Henry sei, woraufhin Sumi Anna mit sich zur Eingangstür zog, um ihr in Ruhe zu erklären, was letztes Wochenende passiert war.
Jetzt stand ich selbst bei der Eingangstür und wartete auf Henry. Als er endlich die Treppe herunter kam, zogen die anderen Mädchen um mich herum scharf die Luft ein und vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, doch als er zu mir kam und mich fragte, ob wir nicht lieber wieder an einen etwas ruhigeren Ort gehen wollten, fühlte ich mindestens 10 feindselige Blicke auf mir ruhen.
>Du bist so ein richtiger Mädchenschwarm, oder? <
>Ja, das ist er. Und jetzt sind sie noch feindseliger gestimmt. Nach dem Video kann man es ihnen auch nicht übel nehmen. Jedes andere Mädchen hätte sich an deine
Stelle gewünscht. <
Erst als Alex mich ansprach, bemerkte ich, dass er neben uns lief.
Ich war heute irgendwie nicht wirklich aufmerksam.
>Alex, komm schon. Lucy denkt noch ich bin ein richtiger Fuckboy. <
>Das denkt doch jeder, der dich kennenlernt. <
Ich musste wieder lachen. Die beiden waren echt süß, wenn sie so genervt miteinander sprachen und Blicke austauschten.
>Um ehrlich zu sein, bis jetzt dachte ich noch nicht daran. Aber man merkt, dass die Mädchen voll auf dich  stehen. <
Mit einem erleichtertem Lächeln, aber gleichzeitig einem Seufzen öffnete Henry uns die Tür und wir verließen die Schule.
Endlich konnte ich auch wieder richtig atmen. In den ganzen letzten Stunde hatte ich mich so eingeengt und überall beobachtet gefühlt, dass ich es mir kaum getraut hatte, zu atmen. Dabei war mir auch klar geworden, dass die Sache wirklich erst war und wir so schnell wie möglich eine Lösung finden sollten.
>Genau das ist ja auch das Problem. Durch das Video denken alle wir wären ein Paar, besonders die Mädchen sind davon betroffen . Ich kann es ihnen noch nicht mal übel nehmen, ich wäre es auch, wenn ich mich selbst treffen würde. <
Aha, da war ja der Fuckboy. Obwohl ich den Sarkasmus in seiner Stimme wahrgenommen hatte, war ich etwas enttäuscht. Ich hatte gehofft, er sei nicht so.
>Hörst du es Lucy? Reinste Arroganz eines Fuckboys.<
Beide hatten ein leichtes Grinsen auf den Lippen, also spielte ich ihr Spiel mit.
>Und genau mit diesem Fuckboy wurde ich gefilmt und jetzt halten mich alle für so eine komplett naive Tussi, die sich an ihn ran schmeißt , hofft nicht fallen gelassen zu werden und denkt, sie könnte wirklich eine Chance bei ihm haben, was natürlich völlig absurt ist. <
Plötzlich starrte mich Henry völlig verängstigt an und auch ich bemerkte, dass es sich nicht sarkastisch, sondern wirklich ernst angehört hatte. Und das es sogar stimmte. Die ganzen Blicke der anderen...
Das dachten wirklich alle. Anscheinend wurde das gerade auch Henry und Alex klar, als sie einen hilfesuchenden Blick wechselten.
>Hör mal, Lucy... <
Genau in diesem Moment wurde es mir auch klar. Endlich verstand ich, warum Henry mit mir reden wollte. Er würde klar stellen, dass ich wirklich nur ein kleiner Wochenendflirt gewesen war, damit keiner hinter den wahren Grund kam.
Er würde mich wirklich fallen lassen und auch wenn ich nicht in ihn verliebt war, würde es genauso weh tuen, wie als wenn ich es wäre.
Ich würde nicht mehr das schüchterne Mädchen sein können, welches versuchte, nicht aufzufallen und einfach diese paar Jahre durch stehen wollte.
Wir würden zwar beide unser Leben weiter führen, jedoch hatte alles was passiert war, Auswirkungen darauf. Besonders auf meines.
Ich ärgerte mich auch plötzlich über mich selbst, weil ich so dumm gewesen war und vor der ganzen Schule zusammen mit Henry und Alex die Schule verlassen hatte, als würden sie versuchen wollen, alles so schnell wie möglich und abseits der Augen der anderen, zu beenden.
Ich fühlte mich schrecklich missbraucht und ausgenutzt, und ich war wieder mal selbst daran Schuld, dass mein Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen würde, sobald dieses Gespräch beendet war und Henry alles klar stellen würde.

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