Kapitel 10

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Trotz Marcs widerwärtigem Plan habe ich recht gut geschlafen, vielleicht auch einfach nur weil ich total übermüdet war und um meinen vor Hunger schmerzenden Magen zu vergessen.

Seit mehreren Minuten liege ich wach auf der Liege ohne die Augen zu öffnen, in der vergeblichen Hoffnung wieder einzuschlafen.
Soll Marc seine perversen Pläne doch mit jemand anderem spielen.

"Dir ist doch klar, dass ich weiß, dass du wach bist, nicht wahr?" Natürlich weiß er das. Anscheined weiß er ja sowieso alles.

"Natürlich", bluffe ich schnaubend mit geschlossenen Augen.

"Ich habe mich schonmal daran gemacht dich auszuziehen. Das ist dich hoffentlich kein Problem für dich, Prinzessin." Mit einem Schlag sitze ich kerzengerade da und sehe mit vor Entsetzen geweiteten Augen an mir herab.

"Ach, wie herrlich, dass du mir jedes Wort glaubst! Wenigstens bist du jetzt komplett wach." Er hat geblufft. Er verwendet meine Mittel gegen mich.
Na toll.

Mein Blick schweift kurz durch den Raum. Es ist nicht der, den ich bereits kenne. Er ist nicht so grell und riesig mit kühler Ausstrahlung, sondern kleiner mit dunkelgrauen Wänden und kleinen Lampen in der gefliesten hohen Decke. Außer meine Liege inmitten des Raumes befindet sich rechts neben mir noch ein schwarzer Stuhl und in der Ecke links vor mir ein durchsichtiger Kasten, der bis zu der Decke nach oben reicht, den ich auf eine Fläche von etwa 4 Quadratmetern schätze.

Soll ich dadrin etwa duschen? Wo soll denn das Wasser herkommen, wenn es keinen Duschkopf gibt? Und wieso scheint die Dusche auch als kugelsicherer Bunker nutzbar zu sein?

Ich will ihm gerade irgendeine schnippische Frage oder Bemerkung an den Kopf werfen, da schneidet mein grummelnder Bauch mir schon das Wort ab.

"Hat da etwa jemand Hunger? Es hat mich schon gewundert, dass du so lang durchgehalten hast ohne etwas zu sagen. Die anderen waren nicht so stolz. Aber mir gefällt das; du stehst voll und ganz hinter deiner Meinung. Pass nur auf, dass du nicht hochmütig wirst, meine Hübsche", rät er mir, so wie ein Vater seinem Sohn beibringt, dass es wehtut, wenn er seine Hand auf die aufgeheizte Herdplatte legt.

"Was meinst du mit die anderen?"

"Hast du denn gar nichts mitbekommen? Beth, du musst doch auf dem Laufenden bleiben!", tadelt er, doch das ist nicht die Antwort auf meine Frage.

"Die vier Mädchen vor dir. Ich habe mir ein bisschen einen Spaß erlaubt mit ihnen, aber wenn ich ehrlich bin, dann ist es mit dir noch viel unterhaltsamer!"

Er hat das schon öfter gemacht? Aus Spaß?

"Du bist krank!", zische ich.

"Ja, das haben die anderen vier auch gesagt... Vielleicht ist da ja etwas dran?" Er schaut eher durch mich hindurch, was wohl darauf hindeutet, dass er nicht mit mir spricht.

"Aber wenn du jetzt schonmal da bist, können wir ja auch noch etwas spielen, meinst du nicht? Ich habe geniale Ideen, Beth! Deine Klaustrophobie scheint ja wirklich schlimm zu sein, wie sieht es dann wohl mit den anderen Ängsten aus? Wenn die auch so stark ausgeprägt sind, wird das äußerst amüsant, wirklich, äußerst amüsant!" So viel kranke Freude und Euphorie kenne ich von sonst niemandem, wahrscheinlich weil die alle in der Psychiatrie sind und unter Phylea, eine Droge - offiziell ein Medikament -, die ins Trinkwasser getan wird und einem durch irgendeinen komplizierten chemischen Signalstoff den eigenen Willen blockiert.

Meiner Meinung ist das abartig und unmenschlich, aber das habe ja ich nicht zu entscheiden.

"Wollen wir uns nicht erstmal um dieses... Filzkissen auf deinem Kopf kümmern, was meinst du?" Zögerlich fahre ich mit der rechten Hand zu meinen Haaren und ertaste das absolute Grauen: ein einziges Nest aus rauen Strähnen, vermutlich sehe ich aus wie eine durchgeknallte Kräuterhexe.

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