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Bis sieben Uhr verbringen wir die Zeit damit, uns die Hörsäle und Seminarräume anzusehen und werden von einem Guide, der selbst Schüler der Abschlussklasse ist, über den Campus geführt. Er zeigt uns die einzelnen Gebäude der verschiedenen Fakultäten, die große Universitätsbibliothek und die verschiedenen Dining Halls sowie einige der unzähligen Cafés und Kantinen, in denen man Snacks für zwischendurch bekommt. Der Campus verfügt außerdem über zwei Sporthallen und ein Sportfeld, das für das Training der Footballspieler und für Matches dient, welche, wie unser Guide erklärt, meist alle zwei Wochen immer am Freitagabend stattfinden.

Als sich die Gruppe nach der kleinen Führung wieder auflöst, begleite ich Joshua und meine Mom noch bis zum großen Eingangstor der Uni, vor dem bereits das Taxi auf sie wartet.
"Also dann..."
"Also dann...", wiederhole ich die Worte meiner Mom und lächele.
"Komm her, meine Große.", sagt sie und nimmt mich in den Arm.
"Ich bin unglaublich stolz auf dich und weiß, dass du das Studium rocken wirst."
Sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn und umarmt mich ein zweites mal kurz.
"Mach's gut, Haylie.", sagt Joshua und ich sehe, wie ihm eine Träne die Wange hinunterkullert.
"Ach, Joshy.", murmele ich und spüre nun selbst, wie sich ein paar Tränen in meinen Augen ansammeln. Dann schließe ich meinen kleinen Bruder in meine Arme.
"Wir sehen uns bald wieder. Schau mal, in einem Monat habe ich drei Tage am Stück keine Vorlesungen und Seminare, da komme ich nach Hause und wir spielen zehn Runden Just Dance am Stück. Versprochen."
"Okay.", sagt er und lacht kurz.
Er reibt sich die Augen und lehnt sich noch einmal kurz an mich, bevor Mom ihre Hand auf seine Schulter legt und mit ihm ins Taxi steigt. Bevor sie losfahren, lässt sie die Scheiben nach unten.
"Bis bald, Haylie!", sagt sie und sie und Joshua winken mir zu.
"Bis bald! Meldet euch, wenn ihr Zuhause seid! Wir telefonieren morgen früh.", sage ich lächelnd und winke ihnen ebenfalls.
Dann fährt der Taxifahrer los und ich bleibe noch so lange unter dem großen Torbogen stehen, bis der Wagen am Horizont verschwindet.

Als ich zurück ins Wohnheim laufe, tauchen die letzten Sonnenstrahlen des Tages den Campus in ein unglaublich ästhetisches, goldenes Licht. Einen Moment lang kann ich kaum glauben, dass ich tatsächlich das Glück habe, an meiner favorisierten Universität zu studieren und bin stolz auf mich selbst, diesen Schritt gewagt zu haben.
Ich will gerade den Schlüssel zu meinem Zimmer aus meiner Jackentasche holen, als ich bemerke, dass die Tür nur angelehnt ist. Ich öffne sie langsam und entdecke das Mädchen, das vermutlich meine Zimmernachbarin ist.
"Oh hey, da bist du ja!"
Sie kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Ich bin etwas überrascht, dass sie so offen ist, erwidere die Umarmung jedoch direkt.
"Ich bin Steph. Und du bist..."
"Haylie.", vervollständige ich ihren Satz.
"Haylie!", wiederholt sie lächelnd.
"Willkommen in Long Beach!"
Ich beobachte Steph dabei, wie sie sich rückwärts auf ihr Bett fallen lässt und ein Fläschchen mit dunkelviolettem Nagellack öffnet.
"Dankeschön.", antworte ich etwas schüchtern und unbeholfen.
Dann ziehe ich meine Jeansjacke aus und hänge sie über die Lehne meines Stuhls.
"Und Haylie, freust du dich auf die Party heute Abend?"
"Was?"
"Na die Party! Hat dir denn noch keiner davon erzählt?"
Steph unterbricht ihr Nägellackieren und sieht mich schockiert an, als ich verneinend den Kopf schüttele.
"Wie unhöflich, dass dich noch keiner eingeladen hat. Da kann sich Bryan warm anziehen, wenn ich ihn nachher sehe. Naja, aber jetzt bin ich ja da und ich werde dir alles Nötige zeigen!"
Ich hole die letzten Klamotten aus meinem Koffer, falte ein Teil nach dem anderen sorgfältig zusammen und platziere sie in meinem Kleiderschrank.
"Sei mir nicht böse, aber ich weiß nicht so richtig, ob so eine Party was für mich ist.", murmele ich und schließe die Schranktür.
Steph seufzt, schließt den Schraubverschluss ihres Nagellackes und lässt sich dann neben mir auf meinem Bett nieder.
"Es ist die Homecoming Party und außerdem sind die meisten Erstsemester auch immer dabei, um ihre Immatrikulation zu feiern! Du MUSST mitkommen!"
Ihre grünen Augen, die mit einem präzisen Lidstrich und Wimperntusche umspielt sind, blitzen förmlich vor Freude. Während sie mich erwartungsvoll angrinst, kann ich nicht anders, als ebenfalls zu lächeln.
"Na gut."
Sie reißt triumphierend die Arme in die Luft und tanzt dann zurück zu ihrer Seite des Zimmers.
"Ich wusste es.", grinst sie.
Ich verdrehe lachend die Augen und schaffe Ordnung auf meinem Schreibtisch. Steph ist zwar ein vollkommen anderer Mensch als ich, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich trotzdem gut mit ihr verstehen könnte.

California (Hardin Scott)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt