Erstes Kapitel

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Erstes Kapitel

Lizzy

»Elizabeth!« Ich höre die Stimme meiner Mutter, genau wie ihre mächtigen Schritte. Es dauert noch fünf Se-kunden, bis sie mein Zimmer betritt. Fünf, vier, drei, zwei »Du liegst ja noch im Bett.« Stellt sie deprimiert fest, als sie die Tür mit Schwung öffnet.
»Mh.« Ich ziehe mir die Bettdecke über den Kopf, weil sie sicherlich gleich zu den Gardienen rennt und diese aufzieht Tja, ich hatte recht. Die Sonnenstrahlen fallen hell und fast schon nervig in mein kleines Zimmer. Ich blinzle einige Sekunden, um mich an das Licht zu gewöhnen, nachdem ich den Kampf um die Bettdecke gegen meine Mutter aufgegeben habe.
»Liz, es ist schon nach Zehn« Sie sieht auf ihre Uhr. Meine Mutter hat ihre volle Ausrüstung an: Schwarze, enganliegende Kleidung, Waffen und Zeitlesegeräte. Alles, was ein Zeitwächter braucht. Nur ihre sonst ge-schlossenen Haare fallen ihr offen über die Schultern. »Dein Vater und ich werden gleich aufbrechen. Aber so, wie du hier herumliegst, glaube ich nicht, dass wir dich allein lassen können.« Ich bin schneller aufge-standen als ich es für möglich gehalten hätte, was ich sofort durch ein kräftiges Schwindelgefühl bereue.
»Ihr könnt mich mit absoluter Sicherheit hier allein lassen. Ich bin volljährig, Mom. Und ich weiß, wie viel euch dieser Job bedeutet.« Sie wurden vom König der Zeitwächter höchstpersönlich auserwählt, in den Orient zu fliegen und sich dort mit ihresgleichen auszutauschen. Ich bin kein Experte in Sachen Zeitwächter, aber der König ist ein hohes Ross, dessen Befehl man zu erfüllen hat. »Ich komme wirklich gut klar, Mom. Außerdem bin ich nicht allein. Ich habe Nora und Lilith.« Ich zucke mit den Schultern und suche in meinem Zimmer nach der kleinen weißen Katze, die mir meine Eltern zum Schulabschuss geschenkt haben, aber ich kann sie nirgendwo entdecken.
»Lilith ist eine Katze. Und Nora ein Mensch.« Sagt sie leise.
»Mom, ich bin auch ein Mensch.« Zumindest wurde ich das, als ich bei der Bewerbung zur Zeitwächterin mit nur sechs Jahren abgelehnt wurde. Das war ein riesiger Schock für meine Familie, schließlich habe ich reines Zeitwächterblut und bin nicht einmal ein Mischling. Seitdem bin ich ganz normal aufgewachsen und zur Schule gegangen, doch seit einigen Monaten sitze ich sinnlos zu Hause, weil ich keine Ausbildung oder ähnliches mache. Meine Eltern hoffen, dass ich irgendwann noch eine Stelle zur Bibliothekarin in einer Zeitwächter-Universität bekomme.
»Ich mache mir nur sorgen um dich, Schatz.« Schließlich habe ich trotzdem magische Kräfte, aber meine Eltern haben mir nur Grundlagen beigebracht, sodass ich sie nicht wirklich kontrollieren kann. Kein Wunder, dass sich meine Mom Sorgen macht.
»Ich werde dich anrufen, wenn etwas nicht stimmt.« Versichere ich ihr. »Du kennst mich: Ich treffe mich ein paar Mal mit Nora und den einzigen, den ich in die Wohnung lasse, ist der Pizzaboten.« Sie nickt. Ich glaube, manchmal ist sie froh, dass ich als Ausgesto-ßene keine allzu spannenden Sachen mache.
»Wir sind nur zwei Wochen weg, Liz.« Mom sieht mich traurig an.
»Ich bin einundzwanzig. Ich werde es überleben.« Sie wirkt plötzlich total verletzlich. Meine Mutter ist eine sehr engagierte Zeitwächterin, die beste ihres Jahr-gangs. Ich sollte wahrscheinlich genau so werden wie sie. Und bis zu meinem sechsten Lebensjahr habe ich auch immer ihre Liebe zu mir gespürt, aber nach diesem Test ist sie nur noch voller Sorge um mich. Meinem Dad hat es nicht so sehr geschadet, weil er weiß, dass man diesen Test nur einmal machen kann - und entweder man besteht oder eben nicht.
»Wir fahren in einigen Minuten los. Du kannst uns noch an der Tür verabschieden.« Ich warte, bis sie aus mei-nem Zimmer gegangen ist, ehe ich aufstehe und mir einen Morgenmantel überziehe. Früher war meine Familie so wohlhabend, dass ich für jeden Tag einen solchen Mantel hatte. Es ist sehr schwer, zu dritt in einem riesigen Haushalt zu leben, wenn nur zwei Personen arbeiten gehen, weshalb wir uns verkleinern mussten. Das ist jetzt zwei Jahre her, aber ich glaube, dass sich meine Mom ihr altes, besseres Leben zurückwünscht. Und dazu noch ein erfolgreiches Kind.

Mit nur zwei kleinen Koffern stehen meine Eltern an der Wohnungstür. Dad telefoniert gerade und Mom wühlt in der Schuhkommode. Wahrscheinlich kann sie sich nicht entscheiden, ob sie die schwarzen Schuhe mit Schnalle oder ohne tragen will. Ich gehe in die Küche und hole mir eine Schale und Cornflakes aus dem Schrank. Lilith sitzt doch tatsächlich vor ihrem Futternapf und wartet darauf, dass ich ihr etwas zu essen gebe. Sie miaut mich an.
»Dir auch einen guten Morgen.«
Sie miaut wieder.
»Ich weiß, es ist fast schon Mittag.« Mit ihren blauen Augen strahlt sie mich an. Ich gebe nach und gebe Lilith ihr Futter.
»Wir fahren jetzt los.« Höre ich es aus dem Flur rufen. Ich schlürfe wieder aus der Küche und stehe sogleich vor meinen wunderschönen, voll ausgerüsteten Eltern. Für gute Leistungen bekommen sie mehr Lebenszeit, weshalb sie stets jung aussehen. Wahrscheinlich bekomme ich eher Falten als meine Mom.
»Tschüss meine Kleine.« Dad zieht mich fest in eine Umarmung, nach ihm Mom.
»Denk daran, wir sind immer erreichbar. Und lass niemanden in die Wohnung.« Es ist ja nicht so, dass ich unendlich viel Mist baue, weshalb mich meine Mutter so kontrollieren muss.
»Ich weiß. Ich wünsche euch einen guten Flug.« Sie nicken und verlassen dann die Wohnung. Die schwere Tür fällt ins Schloss. Jetzt bin ich also für zwei Wochen allein. Es gibt schlimmeres.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 03, 2020 ⏰

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