Kapitel 31 - Edom-Island

378 44 1
                                    

Es dauerte dann schließlich doch noch zwei Tage, bis sie Edom-Island erreichten, denn sowohl Magnus als auch Raphael Santiago waren der Meinung, dass es keine gute Idee war, den Satansstrom in der Nacht zu passieren.

Besagter Strom verlief von der Nordspitze Idris' einmal um Edom-Island herum und war für seine tückischen Strudel berühmt. Gemeinsam mit den Sandbänken war es beinahe unmöglich, die Insel zu erreichen, wenn man sich nicht auskannte. In der Nacht würden sie ihr Glück nur unnötig herausfordern und dazu war niemand bereit.

Alec bekam von der Fahrt so gut wie nichts mit, da er sich streng an die Bettruhe hielt. Erst, als sie schon in der Strömung waren, wurde ihm klar, dass Magnus mit von Strudeln nur so durchsetzt sogar noch weit untertrieben hatte.

Ihm wurde von dem ganzen Hin- und Hergeschaukel so schlecht, dass er den zweiten Tag beinahe durchgängig vor einem Eimer verbrachte, in dem er nur noch sauren Gallensaft spuckte, da sich sein, ohnehin schon geringer, Mageninhalt sehr schnell verabschiedet hatte.

Alec hatte ein schechtes Gewissen, da Magnus diesen Tag ausschließlich bei ihm verbrachte, ihm sanft und beruhigend über den Rücken strich, ihm regelmäßig ein Glas Wasser reichte und ihn nur verließ, um den vollen Eimer in die See zu kippen. Ihm schien der raue Seegang nichts auszumachen, aber er war auch schon viel länger auf See als Alec.

Während der Fahrt berichtete er Alec auch, dass Jace unter mysteriösen Umständen entkommen war. Das stimmte ihn traurig, denn er hätte gern nochmal mit ihm gesprochen, aber nun hoffte er einfach nur noch, dass es Jace gut ging, da, wo er jetzt war.

Sowohl Magnus als auch er waren froh, als sie am Mittag des zweiten Tages die Strömung verließen, die Sandbänke ohne Probleme passierten und schließlich an einem alten Hafen anlegten, der sich an den Fuß eines Berges schmiegte.

Ganz Edom-Island schien nur aus scharfkantigen und größtenteils kahlen Bergen zu bestehen, die lediglich von Flechtengewächsen geschmückt wurden.
Den Pandemonium-Vulkan konnte man allerdings schon von Weiten sehen, denn aus seinem Krater stieg kontinuierlich schwarzer Rauch in den Himmel.

Das bereitete ihm Unbehagen, immerhin könnte der Vulkan jederzeit ausbrechen, doch Magnus beruhigte ihn, während er mit ihm das Schiff verließ~Keine Sorge, er sieht gefährlicher aus, als er ist.~

Alec wunderte sich, dass es in dieser so abweisenden Landschaft überhaupt einen Hafen gab, allerdings hatte ihm Magnus erklärt, dass sich die Schattenweltler hier regelmäßig trafen und da brauchten sie natürlich auch eine sichere Anlegestelle.

So verlassen, wie der Hafen aus der Ferne ausgesehen hatte, war er gar nicht, zumindest lagen hier noch sehr viele andere Schiffe vor Anker.
Dennoch wunderte er sich, als die Vampire, beladen mit Rucksäcken und allerlei anderen Krimskramps, sich einen Weg zwischen den zerklüfteten Felsen  hindurch suchten.

Ihm wurde mulmig zu Mute, denn obwohl seinem Knöchel die Ruhepause gut getan hatte, schmerzte er noch immer bei jedem Schritt.

~Müssen wir lange gehen?~
~Nein, nicht wirklich.~, beruhigte ihn Magnus, der ebenfalls einen Rucksack auf den Schultern trug. Mit seiner schwarzen Hose, dem eng anliegenden, moosgrünen, glitzernden Hemd und den gestylten Haaren passte er nicht wirklich zu den anderen, die alle wetterfeste und robuste Kleidung trugen, aber er war schließlich schon immer ein Sonderfall gewesen und das mochte Alec so an ihm. Also nahm er die, ihm angebotene, Hand an und wappnete sich für einen kurzen Marsch.

Es stellte sich aber heraus, dass Magnus wohl eine ganz andere Auffassung von nicht wirklich hatte als Alec, denn ihm kam es so vor, als würden sie schon stundenlang einen Weg zwischen den Bergen hindurch suchen. Aber vielleicht lag das auch nur an der Ödnis, durch die sie stapften und seinem schmerzenden Knöchel, der gegen jeden Schritt protestierte.

Wie Magnus die unebene Strecke mit seinem Bein bewältigte, war für ihn unverständlich, denn obwohl die Verletzung jetzt schon ein paar Wochen zurück lag, war sie dennoch sehr tief gewesen, aber ihm schien das überhaupt nichts auszumachen.

Also konzentrierte sich auch Alec nur auf seine Schritte, ignorierte den stechenden Schmerz und versuchte, Schritt zu halten.
Aber irgendwann hielt er es dann doch nicht mehr aus und er fragte entnervt~Wann sind wir denn  endlich da?~

Magnus betrachtete ihn besorgt, schien aber sonst noch so fit wie zu Anfang.
~Es ist nicht mehr weit ... nur hoch.~
~Wie meinst du das?~

Er kaute nervös auf seiner Unterlippe herum und schien sich bei Alecs lauernden Tonfall sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen.
Trotzdem zeigte er nach schräg oben~Dort oben ist der Stützpunkt.~

Alec folgte seinem Finger und er konnte nicht verhindern, dass ihm die Kinnlade herunter fiel.

Sie gingen geradewegs auf eine mindestens dreißig Meter hohe Felswand zu, die alles andere als solide wirkte.
Nur eine schwarze Leine, die von oben herunterbaumelte und an manchen Stellen mit Nägeln in den Fels geschlagen war, wies darauf hin, dass man diese Wand überhaupt erklimmen konnte.

Er fluchte unterdrückt auf und eine überwältigende Hoffnungslosigkeit überschwemmte ihn.
Diese Wand wäre schon im gesunden Zustand eine Harausforderung für ihn, obwohl er wirklich kein schlechter Kletterer war, aber jetzt? Jetzt war er verletzt und erschöpft. Wie sollte er so jetzt klettern? Das wäre glatter Selbstmord. Das schaffte er doch niemals, nicht in diesem Leben!

Er schluckte und begann zu schwitzen, als die Ersten ihre Rucksäcke abstreiften und in eine Kletterausrüstung schlüpften, mit dem sie sich an der Leine sichern konnten.
Auch Magnus wühlte bereits fleißig im Rucksack herum, als er Alecs Anspannung bemerkte.

Er richtete sich wieder auf und legte ihm eine Hand an die Wange, um ihn besorgt zu betrachten.
~Was ist los?~

Kurz haderte er mit sich, aber wem könnte er seine Sorgen besser anvertrauen als Magnus?

~Ich bezweifle, dass ich es schaffe, diese Wand zu erklimmen. Eher stürze ich in den Tod.~
~Du schaffst das sehr wohl und wenn ich dich persönlich da hoch schleifen muss~, beteuerte Magnus und er musste über die Vehemenz seiner Worte schmunzeln,~Du bist schon so weit gekommen und die Aussicht von dort oben ist sogar noch magischer als auf der Spitze von Dumort-Island.~
~Woher ...~

Nun schmunzelte auch Magnus.
~Ich hab dich dort oben im Mondschein gesehen. Schon aus der Ferne konnte man erkennen, wie sehr du die Aussicht genossen hast. Dort oben warst du wunderschön. Hier ist die Aussicht noch schöner, auch wenn ein paar Berge im Weg sind.~, meinte er lächelnd, während er behutsam Alecs Hand ergriff. In seinen Augen spiegelten sich pures Vertrauen wider, mit einer Spur Nostalgie.

~Wir stehen das zusammen durch.~, wiederholte er den persönlichen Glaubensgrundsatz ihrer Beziehung.

Alec seufzte.
~Du wirst nicht aufgeben, bis ich da oben stehe, oder?~
Magnus schüttelte grinsend den Kopf.
~Nö.~
~Dann mal los.~

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt