Prolog

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„Das war eine hervorragende Leistung, Theo. Nur weiter so. Nächste Woche ist der große Wettkampf. Alle zählen auf dich!"

Mister Miles war einer meiner Lieblingslehrer. Er unterstützte mich wo er nur konnte. Wenn meine Eltern mal wieder keine Zeit hatten, weil ihre Jobs ihnen wichtiger waren, fuhr er mich zu den Wettkämpfen. Unser Highschool Schwimmteam, war eines der besten des Landes. Seit ich denken konnte, liebte ich das Wasser.

„Hast du heute Zeit? Wir wollen alle raus zum Riff. Ben hat das Boot seines Vaters klar gemacht." Ethan, mein bester Freund, stopfte gerade sein nasses Handtuch in seine Sporttasche und kam auf mich zu.

„Ich habe heute keine Zeit. Meine blöden Eltern laden zu einem Essen ein. Die engsten Freunde werden da sein und so 'n Scheiß."

„Das hört sich ja spannend an. Also wenn du Lust hast, komm einfach nach. Vielleicht kannst du dich ja irgendwie raus Schleichen. Um vier geht's los!"

„Keine Ahnung. Wir werden sehen." Ich schulterte meine Tasche und fuhr mir durch mein noch feuchtes Haar. Draußen waren es über dreißig Grad. Nicht sehr ungewöhnlich, für einen Hochsommer, in Miami Beach.

Auf dem Weg nach draußen kam mir Henry James entgegen. Der Football Star der Coldwater High. Er und ich, wir waren so etwas wie die Aushängeschilder der Schule. Kein leichter Job. Ständig hingen sie einem am Arsch. Nie hatte man eine ruhige Minute. Das war das Los, einer der beliebtesten Schüler zu sein. Alles hatte seinen Preis.

Henry war voll mein Typ. Doch wie das Schicksal es wollte, war er so Hetero, wie ich Schwul war. Bis jetzt hatte ich es noch keinem anvertraut. Außer meinen Eltern, wusste es niemand. Sie nahmen es anfangs nicht leicht auf. Besonders mein Vater war zeitweise ständig auf Krawall gebürstet. Doch ich war, wie ich war.

„Heute wirst du auf keinen Fall erwähnen, dass du nicht normal bist. Hast du mich verstanden?" Die größte Angst meines Vaters war, dass ich einem seiner Freunde erzählen würde, dass ich auf Schwänze stand. „Das würde mir noch fehlen, wenn das die Runde macht." Er stand vor dem Spiegel und band sich umständlich seine Krawatte.

Ich lehnte in der Schlafzimmertür und löffelte einen Joghurt. Stur starrte ich in den Becher und tat als würde es mich nicht sonderlich interessieren, wie er mich betitelte. Als, "Nicht normal".

„Jetzt lass doch mal den Jungen in Ruhe, Frank. Er wird sich schon benehmen. Ich hoffe, du wirst bald zur Vernunft kommen Theodore und dich wieder umpolen. Lass mich das mal machen, Frank. Du bindest sie immer schief!"

Meine Mutter. Sie dachte immer noch, dass mein "Zustand" sich legen würde. Das ich irgendwann wieder "normal" werden würde. Ich lachte kurz auf, leckte den Löffel ab und ging durch den Flur, zurück in die Küche.

Hier war das Reich von Julia. Julia war Mutters Haushälterin. Sie war gerade damit beschäftigt das Essen für später vorzubereiten. Einer Tätigkeit, der man lieber nicht in die Quere kommen sollte. Denn da verstand Julia keinen Spaß.

„Raus mit dir! Du bringst mir nur Unordnung in meine Küche!"

Ich warf den Becher in den Müll und verließ zügig den Raum. Im Flur bleib ich stehen und dachte nach. Allen Anschein nach, würde mich hier niemand vermissen. Mit schnellen Schritten marschierte ich geradewegs in mein Zimmer. Schnappte mir mein Handy und den Rucksack, den ich in weiser voraussichtlich, schon gepackt hatte.

Also fand ich mich nach einer halben Stunde, in meinem weißen Geländewagen wieder. Auf dem Weg zum Hafen. Es war fast vier Uhr, also trat ich aufs Gas. Mein dunkelbraunes Haar wehte im Wind und ich genoss es, das die Straßen mal nicht so stark befahren waren. Also trat ich das Gaspedal ordentlich durch. Im Radio lief Highway to Hell und ich sang lautstark mit.

Mein Handy klingelte und ich suchte mit einer Hand in meiner Tasche danach. Als ich es endlich zu fassen bekam, las ich das Ethan angerufen hatte. Schnell startete ich einen Rückruf. Sie sollten auf mich warten. Noch eine Ausfahrt, dann wäre ich da.

Es klingelte immer noch, als vor mir die Ampel auf orange umschaltete. Mein Fuß trat aufs Gas, das würde ich noch schaffen!

Plötzlich war ein lautes Hupen zu hören, gefolgt von quietschenden Reifen und einem lauten Knall! Etwas hatte mich hinten links gerammt und mein Wagen brach aus. Verzweifelt pumpte ich die Bremse, doch nichts passierte!

Mein Herzschlag raste! Meine Hände umklammerten verängstigt das Lenkrad. Alles ging so rasend schnell, dass ich nicht klar denken konnte. Alles was mir in den Sinn kam war: jetzt werde ich sterben.

Ungebremst raste ich auf einen Laternenmast zu! Ab da herrschte um mich herum nur tiefste Dunkelheit, und eine Ohrenbetäubende Stille legte sich über meinen gesamten Körper.

Six reasons to liveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt