Anis spürte den rasenden Herzschlag in seiner sich hebenden und senkenden Brust. So schwer hatte er nicht einmal nach dem Kampf gegen die Dämonen geatmet. Das verriet ihr zwar, dass mit ihm etwas nicht stimmte, sie hatte aber keinen Schimmer, was es sein konnte.
Sie traute sich ihren Blick über ihn schweifen zu lassen und stellte erst jetzt die fast schon unnatürliche Farbe seiner Haut fest. In der Kuppelstadt war es zu jeder Tageszeit düster, deshalb war es ihr nicht direkt aufgefallen. Crow war sogar blasser als sie, obwohl auch sie die Sonne fast nie zu Gesicht bekam. Da sich ihre Gedanken über ihr bewusstes Handeln legten, kamen die Kreisbewegungen ihrer Hand auf seiner Brust, langsam zum Erliegen.
„Ihr seid noch lange nicht fertig",
rügte er die junge Frau ungeduldig, die sogar den Lappen losgelassen und bedächtig mit ihren Fingern über seine nackte blasse Brust gefahren war. Sie blickte mit ihren blauen Augen leidend zu ihm hoch, ein Blick, den Crow gar nicht gut ertrug, deshalb packte er ihren Unterarm und zog sie schroff an sich heran. Sie quiekte und stolperte mit ihren Knien zwischen seinen Beine im Schneidersitz. Ihr Ausdruck war noch immer traurig, nun aber auch verschreckt.
„Was bewegt einen Mann wie Euch dazu, ganz allein in diesen Ruinen Leben zu wollen?"
Anis hatte sich in den Kopf gesetzt herauszufinden was ihm fehlte, denn sie war eine Heilerin und eine Heilige noch dazu, also musste es doch etwas geben, das ihm helfen konnte. Crow zog es vor die Frage nicht zu beantworten. Er wusste selbst nicht, warum es keinen anderen Platz für ihn in dieser Welt gab, nur, dass dieser hier der einzige war, an dem er glaubte, existieren zu können.
„Wenn Ihr Euch mir anvertraut, kann ich Euch vielleicht helfen",
ergänzte sie mit großen Augen auf seinen Helm schauend, in der Hoffnung ihn damit zu erreichen, doch natürlich prallte sie an ihm ab.
„Erbringt Eure Gegenleistung! Das ist Hilfe genug."
„Das werde ich, aber es würde mich sehr freuen, wenn Ihr mir verratet, warum Ihr Euch von Gott abgewandt habt. Auch ich bin vor der Kirche weggelaufen, wie Ihr sehen könnt. Ihr könnt es mir also ruhig sagen. Naja und... würdet ihr mich bitte loslassen?"
Anis versuchte sich aus seinem Griff zu lösen, doch er war so fest, dass sich sein Arm nicht einen Millimeter dadurch bewegte. Er mochte ihre Neugier nicht, doch für sie war dies ein völlig normales Vorgehen. Als Saint leistete sie Menschen in schweren Zeiten Beistand. Da diese ihr aber oft nicht alles erzählten, versuchte sie stets auch das zu erfahren, was sie vor Gott zu verbergen suchten.
Crow kam ihrem Wunsch nach und befreite ihr nun schmerzendes Handgelenk. Dann begann er sich die Beinschienen abzulegen und überwand sich ihr eine Antwort zu geben.
„Es ist umgekehrt."
Für die Saint war diese Aussage nur schwer verständlich. Sie wusste, dass Gott jedes Geschöpf liebte, es sei denn es entstammte dem Abyss, der anderen Welt, aus der die dunklen Gedanken kamen, die menschliche Seelen fraß und sie zu Dämonen machte. Eine böse Vorahnung beschlich sie, als sie nun fast schon forsch fragte:
„Warum tragt ihr den Helm noch? Versteckt Ihr etwas darunter?"
„Warum fragt Ihr nicht, ob ich etwas in meiner Hose verstecke?",
hauchte er zur Antwort unbeeindruckt.
„In Eurer... was solltet Ihr?!",
stotterte sie, riss danach die Augen auf und rief:
„D-das ist eine Unverschämtheit! Ich bin eine Saint!"
Er fragte sich, ob diese Frau wirklich so naiv war oder sie erst jetzt verstand, was ihm eigentlich als Lohn für seine Mühen vorschwebte. Er hatte es doch mehr als deutlich gemacht. Warum konnte sie nicht einfach damit fortfahren, ihn zu waschen?
„Erst zeigt Ihr mir, was Ihr unter Eurem Kleid versteckt, dann setze ich den Helm ab."
„Nein! Ich wasche Euch, ich heile Euch, ich höre Euch zu, aber so etwas kann ich nicht tun!",
fiepte sie schrill und begann sich von ihm zu entfernen.
„Wir werden sehen",
entgegnete er selbstsicher und setzte seine Hände an den Seiten seines krähenschnabelförmigen Helmes an. Aufmerksam beobachtete Anis, wie sich seine wilden Haare aus dem schwarzen Metall lösten und auf seine breiten Schultern fielen. Das war schöner anzusehen, als sie vermutet hatte, doch erst der Blick in sein Gesicht, ließ sie den Atem anhalten.
Dieser Mann war so schön, dass ihr fast das Herz stehenblieb. Sein Blick war eiskalt, doch er kam aus feurig glimmenden roten Augen. Wie sie schon vermutet hatte, war das der wahre Grund seines Helmes.
Sie erhielt nun die Bestätigung ihrer Vermutung, dass er vom Abyss verseucht worden sein musste und wunderte sich nicht mehr über seine ablehnende Haltung zu Gott. Oberndrein erkannte sie etwas anderes in ihm und eben dies war es auch, was ihr eigentlich so stark zusetzte. Dieser Fremde vor ihr ähnelte demjenigen leicht, nach dem sie in diesen Ruinen gesucht hatte.
„Unmöglich",
stammelte die Heilige, worauf Crow stumm blieb. Er spürte, dass diese junge Frau ihn wahrscheinlich von früher kannte und er war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht für ihn war. Er wusste nur eines, nämlich dass alles, was mit seiner Vergangenheit zu tun hatte, einen Schmerz in seiner Magengegend auslöste, der nur selten verstummte.
„Ihr seid ein Gefallener, wie die Abyss Soldaten da draußen, doch wie habt Ihr es angestellt Euren Körper und Euren Verstand dabei nicht zu verlieren?",
fragte Anis aufgeregt weiter. Er brüllte ihr ungehemmt entgegen:
„Hn, ich bin nicht wie die da draußen. Vergleicht mich nicht mit diesen Kreaturen!",
ohne dass ein Umschwung von Gleichgültig zu Wütend erkennbar gewesen wäre. Anis zuckte geschockt zusammen, zum einen weil sie Angst bekam, zum anderen, weil ihr dieser Wutausbruch bekannt vorkam. Nun war es nicht mehr nur eine Ähnlichkeit, sondern eine Gewissheit.
„Sirius?"
~~*~~
Einfach ganz normal weiterlesen mit Kapitel 2.
DU LIEST GERADE
Verdorbene Segnung ✔
RomantikINTERAKTIVE GESCHICHTE ~*~ „Wollt Ihr meine Hure sein und leben oder die Heilige von Armonia und sterben?" Anis, das heilige Symbol der Kirche von Armonia, flüchtet vor ihren Pflichten und macht sich auf die Suche nach dem Mann, der vor Jahren im Ka...