V. Welt der Verlorengegangenen

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Man möchte die Zeit festhalten, aber wir müssen sie ausgeben, um mit uns bekannt zu werden.

- Christia Wolf

Nein, ich will die Zeit zurückdrehen, dorthin, wo alles einfach war...

Ich sehe in die Gesichter meiner Freunde. Diese lächeln mich alle aufmunternd an. Stark genug sei ich, um von nun an weiterzumachen, denn jetzt bin ich ja gesund. Meine Probleme haben sich in Luft aufgelöst, das denken sie, glauben sie alle.
Jedoch, dass ich immer noch ein Scherbenhaufen bin, können sie nicht erkennen; sie sind blind. Blind für eine Welt, in der es Menschen gibt, die zu den Verlorengegangen gehören und dort auch bleiben.

Das Einzige, was ich tue, ist zurückzulächeln, so zu tun, als ob ihre Gedanken der Richtigkeit entsprechen. So tun, als ob sie eine mir unentdeckte Botschaft entschlüsselt hätten, wodurch sie mich wie durch einen Schwung eines Zauberstabes verstehen würden - einfach so, ob meine innere Wirklichkeit offen zugänglich für alle anderen wäre. Wenn das so wäre, dann könnten sie alle etwas, was mir vergönnt ist. Tun sie aber nicht.

Aber, werde ich es ihnen sagen?

Die grausame und erbarmungslose Wahrheit, dass ich nicht gesund bin und die Scherben meines Inneren nur zusammengeklebt sind, damit sie noch ein paar Wochen länger halten?

Nein...

Ja, ich bin nicht mehr die alte Person, die ich geglaubt habe zu sein. Hilfe von anderen hat mir weitergeholfen und nun bin ich eben nur mehr zur Hälfte gebrochen, aber genau das ist es. Ganz bin ich nicht mehr und werde es auch nie wieder sein.
Ich muss lernen, was es heißt, mit mir selbst leben zu können, was es heißt, überhaupt zu leben.

***

Hier habe ich mich in jemanden versucht hineinzuversetzen, der Probleme mit sich selbst hatte. Die Person hat eine Therapie gemacht und jeder hat geglaubt, dass es ihr deswegen sofort besser geht, sie wieder "normal" sei. Das hat aber nicht gestimmt.
Wunden benötigen viel Zeit, um zu heilen. Oftmals bleiben sie auch für immer Krusten, die immer wieder aufreißen können. Das will ich mit diesem Kapitel ausdrücken.

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