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Eins, zwei, drei, vier – irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen. Leider war das auch der Punkt, an dem ich die Kontrolle endgültig verloren hatte.

Ich saß nun schon seit mehreren Stunden in dieser stickigen Bar am Tresen und bestellte mir verschiedenste hochprozentige Getränke, die mich vermutlich arm und sicherlich betrunken machen würden.

Mir war durchaus bewusst, dass ich das mit Abstand falscheste und dümmste tat, was ich in meiner Situation nur machen konnte, jedoch war das Leben dazu da, auch mal falsche Entscheidungen zu treffen und im Nachhinein die Konsequenzen dafür tragen zu müssen.

In meinem Fall würden diese Konsequenzen vermutlich ein heftiger Kater und ein brennendes Gefühl der Peinlichkeit sein.

Doch seitdem Logan Harrison meinen erschossenen Onkel erwähnt hatte, hatte ich während der gesamten Rückfahrt nach Los Angeles – was immerhin ganze drei Stunden gewesen waren – an nichts anderes mehr denken können, was mich langsam aber sicher wahnsinnig gemacht hatte.

Daher hatte ich mich zu einem guten Kumpel von mir aufgemacht, der in einer Bar arbeitete und mir trotz der Tatsache, dass ich noch nicht 21 war, Alkohol ausschenkte.

Meine Eltern kannten ihn als einen guten Jungen, der niemals irgendetwas Böses tun oder gegen das Gesetz verstoßen würde. Er war der Sohn unserer Nachbarn gewesen und wir hatten als Kinder oft miteinander gespielt, bevor er in die grausame Phase der Pubertät gezogen wurde und ich durch unseren Altersunterschied von drei Jahren plötzlich nicht mehr interessant genug für ihn gewesen war.

Sein Name war übrigens Brian und er musterte mich schon seit einer geraumen Zeit mit einem äußerst kritischen Blick. Ich für meinen Teil saß nur noch zur Hälfte auf meinem Barhocker und nippte an meinem Martini, der mittlerweile gar nicht mehr so gut schmeckte wie am Anfang.

Vermutlich sah ich aus wie eine Alkoholabhängige, mit den dunkeln Augenringen, der blassen Haut und der Ausdauer, mit der ich die Drinks in mich hineinschüttete, aber heute war mir mein äußeres Erscheinungsbild ziemlich egal.

Inzwischen durfte es kurz vor zwei Uhr morgens sein und die Bar hatte sich über die letzte Stunde richtig gefüllt. Der Großteil konnte nicht viel älter sein als ich und waren sicherlich Studenten, die mal ordentlich einen drauf machen wollten.

»Kasey, ich glaube, du solltest jetzt langsam nach Hause gehen«, sagte Brian und sah mich mit einem beinah mitleidigen Gesichtsausdruck an. »Du sitzt hier seit geschlagenen vier Stunden und hast seitdem kein einziges Wort gesagt. Mal von deinen Getränkebestellungen abgesehen.« Meine Sicht war schon recht trüb und ich hatte merklich Probleme damit, Dinge richtig zu fokussieren.

»Noch einen Drink, ok?«, erwiderte ich und wusste nicht, ob ich einen oder zwei Finger in die Luft hielt. Genau jetzt war der Zeitpunkt angekommen, in dem ich offiziell sagen konnte, dass ich noch nie so betrunken in meinem Leben gewesen war.

Weder die Neujahrsfeier bei meinem alten Mitschüler Simon, noch mein wildes Wochenende mit Lia in New York konnte den Zustand toppen, in dem sich mein Körper und mein Geist gerade befanden.

Brian verdrehte die Augen, musste sich aber gleich seinen neuen Kunden und dessen Getränkewünschen zuwenden und ließ mich deshalb wieder allein.

Ich kramte das erste Mal an diesem Abend mein Handy aus der Innentasche meiner Jacke hervor und stellte fest, dass ich einige Nachrichten von Cole und zwei verpasste Anrufe von Lia darauf hatte.

Kurzerhand entschied ich mich dazu, meine beste Freundin trotz unmenschlicher Zeit einfach zurückzurufen, um herauszufinden, warum sie mich hatte erreichen wollen. Es klingelte dreimal, bevor tatsächlich jemand abhob.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt