Kapitel 14

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ruby's pov

Es vergingen einige Tage. Lucian war nur ein einziges Mal aufgetaucht und meinte, ich sollte mich hier einleben. Einleben? Ich saß 24 Stunden am Tag in einem dunklen Zimmer ohne Sonnenlicht! Das nannte er einleben?! Anscheinend schon . . .

Ein Diener brachte mir jeden Tag mein Essen. Er war mir sofort sympathisch und wir freundeten uns schnell an. Als er mir erzählt hatte, dass er keinen Namen hat, habe ich ihn Aclatis getauft. Ich fand, dass der Name passte.
Aber es regte mich schrecklich auf, dass Lucian die Menschen wie Tiere behandelte. Denn all die Diener (oder wohl eher Sklaven) waren Menschen, so berichtete mir Aclatis. Doch am meisten entzürnte mich, dass er einen armen, 14-jährigen Jungen seiner Familie entrissen und ihn versklavt hatte. Aclatis hatte es nicht leicht.

Es war schwer, meine brodelnde Wut auf Lucian und seine Taten zu unterdrücken. Denn immer, wenn ich mich beruhigt hatte, erschien ein neuer Grund zum Ausrasten. Meine Zimmerwände mussten auch schon dran glauben. Bei meiner Ankunft waren sie noch schneeweiß gewesen, jetzt sind sie blutrot und von unzähligen Löchern zerstört. Und meine Hände gebrochen. Doch dank der schnellen Selbstheilungskräfte von Werwölfen, verflog der Schmerz rasch. Aber ich wollte ihn spüren, denn er nahm mir eine schwere Last von den Schultern. Die Einsamkeit und den mentalen Schmerz.

Schon die ganze Zeit plagten mich die selben Fragen: suchte mein Rudel nach mir? Vermisste man mich? Was ist mit Jack und Robin? Werde ich sie je wieder sehen?
Ich wusste keine einzige Antwort. Es zog mich jedes mal mental runter. Es gab keine Hoffnung mehr. Ich hatte keine Hoffnung mehr. Als ich weggelaufen bin, dachten sie bestimmt, dass ich kein Alpha mehr sein wollte und feige war. Sie hassten mich bestimmt und würden niemals nach mir suchen.

Meine einzige Kontaktperson, oder eher -wölfin, war Lupa. Sie half mir und munterte mich in meinen schlimmsten Phasen immer wieder auf. So wie jetzt. ,Hey, Ruby! Du musst stark bleiben! Unser Mate und Rudel sucht bestimmt schon nach uns. Du musst durchhalten. Jack braucht uns und wir brauchen ihn!', meldete sich plötzlich meine innere Wölfin zu Wort. ,Danke.'

Ich versuchte zu lächeln, doch es wirkte eher wie eine schiefe Grimasse.

Ich konnte es hier nicht mehr länger aushalten. Dieser Ort zerbrach mich, wie Omas Vase, die ich einmal kaputt gemacht hatte. Es wäre am besten, wenn ich sterbe. Dann hätte ich diese Qualen nicht mehr und könnte loslassen. Aber mein Mate, mein Rudel, meine Familie! Sie brauchten mich doch, oder? Ich dachte nach und stellte mir Jack, Robin und Lucy vor.

Langsam, aber sicher wurde ich in diesem dunklen, nach meinem Blut stinkendem Zimmer verrückt. Ich hatte das Gefühl, als würde jede Sekunde die ich hier verbrachte, meine übernatürlichen Kräfte aufsaugen. Es machte mich schwach und verletztlich. Und das wollte Lucian.
Ich hatte mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr verwandlen, geschweige denn Gespräche belauschen können.

Auch die Mondgöttin aus meinem Traum hatte ich nicht mehr gesehen. Ich hatte niemandem von diesem Traum erzählt. Nichtmal Aclatis, dem ich ich praktisch mein Leben anvertraute. Er würde mich nicht verraten, das wusste ich. Aber sicher war sicher. Hier konnte man niemandem trauen. Auch man selbst konnte sich nicht trauen.

Ich durfte nicht sterben. Nicht hier und nicht jetzt. Ich musste kämpfen. Für Jack! Für mein Rudel! Für Robin!
Ich brauchte sie und ich hoffte, dass sie mich auch brauchten. Ein trauriges Lächeln schlich kurz über meine blutverkrusteten Lippen.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und helles Licht blendete meine Augen, sodass ich kurz blind war. Aclatis kam zu mit gerannt und packte mich am Handgelenk. ,,Ruby! Ruby! Wir werden angegriffen! Alpha Lucian hat mir befohlen, dich in, Sicherheit zu bringen!", rief er völlig außer Atem. Wie in Trance starrte ich ihn an.

Angegriffen? War das mein Rudel? Griff mein Rudel gerade an? War Jack auch hier?
Ich hoffte es, aber etwas ließ meine Hoffnung erlöschen. Lucians Rudel war groß und stark. Ich wusste nicht, ob meine Freunde das schaffen könnten. Mein Herz machte einen Freudensprung, als ich an Jack dachte, doch mein Verstand riet mir, mich nicht zu früh zu freuen.

Erst, als unsere Schritte durch die langen Flure hallten, erwachte ich aus meiner Trance. Aclatis hielt immer noch mein Handgelenk und zerrrte much durch die unendlich scheinenden Korridore ohne jegliches ersichtliche Ende.
Was, wenn es doch ein anderes feindliches Rudel war, dass angriff? Doch darüber konnte ich mir meinen Kopf auch später zerbrechen. Jetzt mussten wir hier erstmal weg, wer weiß, was sie sonst mit uns anstellen würden.

,,Lauf! Ich bleibe hier und halte dir den Rücken frei!", schrie der 14-jährige und blieb stehen, als hinter uns Schritte ertönten. Nein. Ich würde ihn nicht zurücklassen und sterben lassen. ,,Nein", knurrte ich bedrohlich. Verwirrt sah Acla mir kurz in die Augen und als er das bedrohliche Funkeln in ihnen wahrnahm, wich er ängstlich ein paar Schritte zurück. Nein. Ich würde ihn nicht verraten. Ich musste stark sein und kämpfen.

Ich bin eine Alpha und Erbin der Mondgöttin Luna! Ich bin Ruby, die Alpha des Rubin-Packs! Ich bin nicht schwach! Ich bin stark!

Diese Worte wiederholte ich wie ein Mantra immer und immer wieder. Ich würde nicht wie ein Feigling davon rennen, denn das war ich nicht. Ich spürte, wie meine Kräfte und Werwolfsinne allmählich zurückkehrten. Endlich war ich fast wieder komplett. Aber nur fast. Denn Jack machte mich zu einem Ganzen und ich ihn. Wir waren für einander bestimmt und ich würde bis zu meinem Tod für ihn kämpfen.

Die Schritte, Rufe und Schmerzensschreie wurden lauter und kamen immer näher. Mein Herz fing an zu rasen und Adrenalin durchströmte mich. Ich drehte mich um und startte gebannt in den dunklen Gang hinein. Beschützerisch schob ich Aclatis hinter mich und machte mich bereit, mich notfalls zu verwandeln, um den oder die Gegner zu töten.

Und dann bogen mehrere Personen um die Ecke und rannten direkt auf uns zu . . .

Alpha TwinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt