Kapitel 1

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Erschöpft wischte ich mir mit derHand über die verschwitze Stirn. Mit der anderen Hand balancierteich den letzten meiner Umzugskartons vorsichtig die Treppenstufenhinauf. Die Wohnung, deren stolze Mieterin ich seit wenigen Tagenwar, lag zu meinem Leidwesen im dritten Stock einesAltbaumehrfamilienhauses. Von einem Aufzug konnte man hier leider nurträumen. Nichtsdestotrotz schien das Lächeln auf meinen Lippen wieangewachsen. Obwohl ich den gesamten Tag lang alle möglichen Möbelund Kartons alleine bis in den dritten Stock transportieren mussteund meine Glieder nur noch auf ein heiße Dusche warteten, fühlteich mich innerlich kein Stück erschöpft.

Zufrieden kickte ich die Wohnungstürmit dem Fuß hinter mir zu, als ich nun auch den letzten Karton nebenden anderen abstellen konnte. Stolz blickte ich mich um.

Das war es also. Mein Zuhause.

Ein schmaler Eingangsbereich mündetein einem mittelgroßen Wohnzimmer von dem man ebenfalls ins Bad undins Schlafzimmer gelang. Rechts grenzte ein cremefarbener Bartischdas Wohnzimmer von einer brandneuen Küchenzeile ab.

Zwar war die Wohnung bis auf dieKüchen- und Badezimmermöbel noch komplett leer, jedoch sah ichbereits vor meinem inneren Auge, wie gemütlich ich es mir hiermachen würde.

Ein Blick auf mein Handy verriet mir,dass es bereits fünf Uhr nachmittags war. Zu spät um nochanzufangen die ersten Möbel aufzubauen. Daher schnappte ich mirlediglich einen der Kartons, auf dem mit Großbuchstaben „BAD"stand und trug ihn zu besagtem Zimmer.

Rasch kramte ich mir ein großesHandtuch und mein Shampoo heraus. Aus meinem Koffer schnappte ich mirnoch frische Unterwäsche und meinen Lieblingspyjama, bestehend auseiner übergroßen schwarzen Jogginghose und einem mindestens genausogroßen ACDC-Fan-T-Shirt. Mehr würde ich vorerst nicht brauchen.

Das verschwitzte T-Shirt und diefleckige Jeans, die ich zum Schleppen getragen hatte, zog ich mir ausund stellte mich unter den warmen Wasserstrahl der Dusche. Nach soeinem anstrengenden Tag schien mir das prasselnde Wasser wie derHimmel auf Erden, weshalb ich mir alle Zeit der Welt nahm. Währendich mir das Shampoo auf der Kopfhaut einmassierte, verbreitete sichein angenehmer Rosenduft im Badezimmer. Entspannt schloss ich dieAugen.

Nach dem Duschen schlüpfte ich in diebereitliegenden Klamotten und band mir meine dunklen Locken zu einemunordentlichen Dutt zusammen.

Zurück im Wohnzimmer inspizierte ichdie restlichen Kartons und begann sie zu den entsprechenden Zimmernzu schieben. Da ich die noch nicht zusammengebauten Möbel bereitsbeim Hochtragen dort platziert hatte, wo das jeweilige Möbelstückspäter stehen sollte, war ich sogar relativ zügig damit fertig.

Entspannt machte ich es mir auf derMatratze im Schlafzimmer gemütlich, die vorerst noch auf dem Bodenlag. In mehrere Decken gewickelt rollte ich mich zusammen und kaumhatte ich die Augen geschlossen, war ich auch schon eingeschlafen.


*


Bumm.

Ein lautes Poltern riss mich unsanftaus dem Schlaf. Erschrocken kauerte ich mich zusammen. Konnte essein, dass er mich gefunden hatte? Er, dessen Namen ich kaum mehrdenken konnte, ohne vor Angst anzufangen zu zittern. Er, der derGrund für meinen überstürzten Umzug und den Entschluss ein neuesLeben anzufangen gewesen war.

Bumm.

Ein erneutes Krachen. Doch es kamnicht von der Tür, wie ich es zunächst befürchtet hatte, sondernvon der zur Nachbarwohnung grenzenden Wand meines Schlafzimmers.Zaghaft richtete ich mich auf und kroch in die Richtung, aus der dieGeräusche kamen. Mucksmäuschenstill hockte ich mich vor die Wandund presste mein Ohr gegen die weiße Tapete. Ein weiteres Polternertönte. Hin und hergerissen überlegte ich, ob ich rüber gehensollte um nachzuschauen, ob die Person neben an Hilfe bräuchte. Nochwährend ich mich aufrichtete, ertönte neben dem Poltern auch nochein lautes Stöhnen. Doch es klang nicht schmerzerfüllt, sondern ...erregt. Unter das erste Stöhnen mischte sich jetzt auch noch einedeutlich tiefere Stimme. Überrascht verzog ich mein Gesicht. Damithatte ich nicht gerechnet. Ein hysterischer Lacher entfloh meinerKehle und ein weiterer folgte, bis ich mich vor Lachen nicht mehrhalten konnte und zurück auf den Boden sank. Ich lachte und lachte,bis mir vor Lachen die Tränen über die Wangen liefen. Und alshätten diese Lachtränen eine Schleuse geöffnet, strömten alleGefühle, die ich bisher sicher in meinem Inneren verstaut hatte ausmir heraus und mischten sich als leise Schluchzer unter mein langsamverklingendes Lachen.

Ich wusste nicht weshalb ich weinte.Vielleicht aus Erleichterung, vielleicht aus Verzweiflung.

Nein, Er, der Grund weshalb ich nichtsmehr wollte, als meine Vergangenheit hinter mir zu lassen, hatte michnicht gefunden, und doch musste ich feststellen, dass er nochallgegenwärtig war und mehr Macht über mich hatte, als ich es mireingestehen wollte.

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⏰ Last updated: Feb 07, 2020 ⏰

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