Prolog

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Prolog

,,Blutrote Augen. Blutrote Augen, mein Mädchen. Das war das letzte was ich sah,“

Noch immer hatte das braunhaarige Mädchen die Worte ihrer Amme im Kopf, während sie durch den Wald trottete. Es war tiefe, dunkle Nacht, aber trotzdem lebte der Wald. Sie hörte leise Ruflaute von Nachtvögeln, sie hörte das leise Zirpen der Grillen. Ihr kam es so vor, als würde sie ,erst jetzt, erst heute den Wald mit all ihren Sinnen erleben. Sie hielt einen Moment inne, legte ihre Hand an den Stamm eines Baumes und folgte den Geräuschen. Auf einem Baum daneben saß eine junge Eule und schickte ihre Kreisschlaute in die Welt hinaus. Sie wollte verweilen und einen Augenblick dem Vogel lauschen, doch sie bremste sich. Nicht heute, nicht hier, nicht jetzt. Sie hatte anderes zu tun, das war es auch wofür sie hergekommen war. Sie konzentrierte sich weiter und folgte leise den Spuren der Bestie. Die Bestie, sie würde sie finden. Sie musste sie finden. Allein schon zum Wohle des Dorfes.

Sie schlich weiter vorwärts, gebückt, die Sehne ihres Bogens prall gespannt. Hier war es gewesen, das Monster, das für das Verschwinden ihrer Kameraden verantwortlich war. Hier würde sie es finden. Weiter lief das Mädchen, immer weiter, sie hangelte sich an den Worten der Alten entlang, an den Pfotenabdrücken ,die das Monster im feuchten Waldschwamm hinterlassen hatte. Und dann- Dann hörten die Spuren auf. Urplötzlich. Einfach so. Einfach so waren sie weg. Und das Mädchen befand sich auf einer riesigen Lichtung. In dem Moment als der Vollmond hinter einer großen Wolke hervortrat, wurde ihr bewusst, wie unheimlich das Ganze war. Nacht allein im Wald flüsterte eine Stimme in ihr. Du bist nachts alleine im Wald. Ganz alleine.. Wer sagt denn, dass du nicht die nächste bist ,die verschwindet? Plötzliche Angst stieg in ihr hoch.
                                                         ~1~
Was war denn das für eine Idee gewesen? Wie konnte sie nur… Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, erfüllte ein leichter Wind die Lichtung.
Die Blätter der Bäume raschelten leicht und eine Haarsträhne des
Mädchens fiel ihr ins Gesicht. Und als der Vollmond am höchsten Punkt des Himmels stand, begann es im Busch hinter ihr zu rascheln. Und dann trafen ihre Augen auf andere. Andere Augen, menschliche Augen. Und doch- Die Augen eines Tieres. ,,Es ist wahr,“ wisperte sie. Die Bäume trugen den Ruf weiter, bis der Ruf des Mädchens auf der gesamten Lichtung zu hören war.  ,,Es ist wahr,“ hallte es.  ,,Es ist wahr,“ Sie wollte weglaufen, doch dazu kam es nicht mehr.

Plötzlich war eine Stimme in ihr. Eine andere, nein, nicht ihre eigene. Wer war das, dessen Anwesenheit sie spürte. ,,WAS SIEHST DU?“ Eine Stimme die nun mit ihr sprach, eine Stimme die so ohrenbetäubend laut wahr, dass sie mit einem Orkan zu vergleichen war. Gequält presste sich das Mädchen die Hände gegen die Ohren, doch dies half nichts. Die Stimme erfüllte all ihre Gedanken. ,,WAS? WAS SIEHST DU??“ Erneut wiederholte die Stimme dieselben Worte und jedes Mal schmerzten sie gleich. ,,Bitte!!“ wimmerte sie. ,,Lass es- hör auf, lass mich!“ ,,WAS????“ Der Befehl kam ein drittes Mal nun noch fordernder. ,,,WAS SIEHST DU?“

,,Augen,“ keuchte sie. ,,Ich sehe Augen.“
,,UND?“
,,Blutrote Augen,“

Die Gewissenheit kam so plötzlich, dass sie sie noch mehr erschütterte als dieses plötzliche Auftauchen der Stimme. Sie würde niemals wieder zurück ins Dorf finden. Die Stimme war weg nun- und das Mädchen ebenfalls.

                 
                                                                                                         

                                                                                                                           

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Blutrote AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt