Salzburg
„Na dann bin ich mal gespannt, was unser Kurztrip noch so zu bieten hat", sagte Franzi lachend und warf einen Blick über die Schulter zu Melanie.
„Jetzt erst mal schön shoppen gehen", antwortete die. Gesagt getan, kurz darauf betraten die beiden die Altstadt und schlenderten im fröhlichen Kaufrausch die Straßen entlang. Phillip hat Recht gehabt, mir das zu schenken, dachte Franzi und grinste. Er war mit Emma und Felix derweil bei seinen Eltern.
„Bringst du uns was mit?", hatte Emma gefragt, bevor sie weg gefahren war. Natürlich würde Franzi das machen, weshalb sie jetzt in einem kleinen Laden stand und schaute, was sie ihren Kindern wohl mitnehmen könnte, damit sie mit dem Souvenir auch etwas anfangen konnten.
„Was meinst'n dazu?", fragte Melanie und hielt eine Stoffpuppe in die Höhe, die mit Trachten angezogen war.
„Für gut befunden, wird gekauft."
Melanie nahm noch eine zweite mit, drückte sie Franzi in die Hand, in der sie bereits eine Bataillon anderer Tüten hatte und ging bereits zur Tür hinaus, während Franzi noch bezahlte. Wenig später fanden sich beide in einem Cafe ein und gingen danach weiter in eines der Kaufhäuser. Shoppen war doch so schön.
„Vielleicht sollten wir den Kollegen mal ein Bild schicken und sie ein bisschen neidisch machen", schlug Melanie vor.
„Sollen wir?", fragte Franzi nur um ein begeistertes diebisches Nicken als Antwort zu bekommen und kurz darauf ein Selfie an Claudia zu schicken.
„Man, sind wir gemein", kommentierte Franzi grinsend. Als sie gerade wieder aus dem Laden herauskamen, stand vor der Tür ein unschlüssig guckender kleiner Junge.
„Sag mal, ist der Kleine allein hier?", fragte Melanie im gleichen Moment, wie Franzi es dachte.
„Fragen wir ihn halt."
Melanie ging also zu dem kleinen Jungen, mit den braunen Haaren und der blauen Jacke hin und fragte. Franzi blieb hinter ihr stehen.
„Nein, mein Papa war hier auch noch gerade, aber der ist jetzt weg."
Der kleine schaute Melanie aus seinen großen Kulleraugen mit einem herzerweichenden Hundeblick an.
„Findest du deinen Papa nicht mehr?", fragte Melanie noch einmal um sicher zu gehen. Der Kleine nickte.
„Na, dann wollen wir dir mal helfen ihn zu suchen, wie heißt du denn?"
„Marvin Lehmann."
Wow, dem kleinen war immerhin beigebracht worden, was man in so einer Situation zu sagen hatte. Franzi nahm Melanie ihre gefühlten tauschend Taschen ab, damit die Marvin an die Hand nehmen konnte. Der ist vielleicht ein Jahr älter als Felix, dachte Franzi. Also vielleicht fünf oder so.
„Man wird doch immer wieder von der Arbeit eingeholt", murmelte Melanie halblaut, sodass nur Franzi es hörte und sich beide einen vielsagenden Blick zuwarfen. Mattes hatte vorgestern etwas in der Art gesagt. Eine Seitenstraße weiter erblickten sie bereits eine Schlange geparkter Streifenwagen, die denen in Hamburg bis auf den roten Streifen wirklich sehr ähnlich sahen.
„Na wir müssen uns doch unbedingt bei den Kollegen vorstellen", murmelte Franzi in sich hinein und öffnete die Tür zu der Dienststelle. Der Kollege hinter dem Schalter grinste belustigt, als er sie sah.
„Lassen Sie mich raten, ihr Geldbeutel ist verschwunden?", fragte er. Na warte, dachte sich Franzi und setzte ein Pokerface auf.
„Nein, Herr Kollege, aber der Vater dieses kleinen Jungen ist nicht mehr auffindbar und nachdem Salzburg nicht so wirklich in unserem Zuständigkeitsbereich liegt, lassen wir das mal reinen Gewissens Sie übernehmen."
Der Gesichtsausdruck des jungen Polizisten wechselte schlagartig zu ernsthaft und erkundigte sich brav nach dem Namen von Marvin.
„Lehmann also...", murmelte er und verschwand.
„Was gibt das jetzt?"
Melanie warf Franzi mit hochgezogenen Augenbrauen einen fragenden Blick zu. Die zuckte mit den Schultern.
„Greenhorn", seufzte Melanie und verdrehte die Augen. Franzi warf einen Blick aus dem Fenster hinaus auf die Straße, wo es vor Menschen wuselte. Ja, da konnte ein kleines Kind schon mal den Überblick verlieren. Aus dem Nebenraum drang ein Rumoren. Wohl vertraute Routinen wurden da abgearbeitet, es drangen gedämpfte Stimmen und das Geräusch sich öffnender und schließender Türen in den Wachraum. Wie gut wir diese Warterei doch eigentlich kennen müssten, dachte Melanie, aber heute hatte sie eigentlich nicht die Geduld dazu. Sie wollte noch etwas von Salzburg sehen, bevor sie wieder nach Hause fahren mussten. Die Tür, durch welche der junge Polizist verschwunden war, öffnete sich und er kam wieder.
„Ja, der Vater von Marvin, wollte ihn schon gerade vermisst melden, der war ziemlich erleichtert."
„Das glaub ich gern", antwortete Franzi und dachte daran wie es ihr gehen würde. Sie schüttelte den Kopf bei dem Gedanken, es hatte gereicht, als sie damals nicht gewusst hatten wo Emma war. Es war ein schreckliches Gefühl. Die Tür öffnete sich wieder und es trat ein großer Mann mit grauem Haar heraus.
„Papa", quiekte Marvin fröhlich, während Melanie und Franzi sich alle Mühe gaben, dass ihnen nicht sämtliche Gesichtszüge entglitten. Der Mann ging in die Hocke und nahm Marvin in den Arm, dann erst schaute er zu den beiden Frauen auf, die seinen Sohn hierher gebracht hatten. Während er seine Mimik etwas schlechter im Griff hatten, brachte Franzi bereits wieder ein überraschtes Lächeln zustande und konnte nur noch den Kopf schütteln. Melanie starrte immer noch wie versteinert zu ihm. Das war doch verhext.
„Vielen Dank die Damen, ich hab mir wirklich schon Sorgen um den Kleinen gemacht. Robert Lehmann, mein Name."
Wir wissen's, dachte Franzi und grinste vielsagend, als ihr Gegenüber sich vorstellte. Das Grinsen wurde erwidert. Brav stellte sie sich auch vor, wenn auch nur, damit die Salzburger Kollegen keine Lunte rochen, dass sich diese Leute hier sehr wohl sehr gut kannten. 'Robert' bedankte sich bei den Polizisten und verschwand zur Tür hinaus, Franzi und Melanie hinterher.
„Was macht ihr denn hier?", fragte Boje, sobald keine Ohren mehr in der Nähe waren, die zuhören konnten. Leichter gesagt, als getan, wenn man in einer Fußgängerzone stand.
„Geschenke einlösen", antwortete Franzi wahrheitsgemäß. Wie gerne würde sie jetzt tausendundeins Fragen stellen, aber sie wusste, dass sie es nicht durfte. Du kennst ihn nicht, du hast ihn noch nie gesehen, versuchte sie ihrem Kopf einzureden. Ein Seitenblick zu Melanie verriet, dass es ihr ähnlich ging. Der kleine Marvin zog bereits ungeduldig an der Hand seines Vaters.
„Du kannst ja einen schönen Gruß ausrichten...", murmelte Franzi. Boje lächelte.
„Und ihr..."
„...wir haben dich nie gesehen", kam Melanies absolut rationale Antwort. Alle drei nickten still.
„Danke noch mal", flüsterte 'Robert' und ging dann mit dem kleinen an der Hand die Straße entlang.
„Das war's dann wohl mit entspannt shoppen gehen", seufzte Melanie. Franzi nickte kurz, atmete tief durch und schaute sie an.
„Warum, wir haben ihn nie gesehen."
Melanie warf ihr einen langen Blick zu, was sie dabei dachte war unergründbar.
„Stimmt", sagte sie dann und lief wieder in Richtung der Menschenmassen.
„Hey, nimm deine Taschen mal wieder selbst", rief Franzi, die ihr immer noch schwer bepackt hinterherlief.
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Was machst du denn hier
FanfictionNotruf Hafenkante - ein kleiner Oneshot über eine Begegnung, mit der keiner gerechnet hat.