Das Unbekannte Teil 2

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Marlena war wie vor den Kopf geschlagen als sie die ungeheure Anzahl der Angreifer schätzte. Es muss wenigstens 200 der abstrakten Kreaturen sein!
- "Das ist doch unmöglich!" - sagte die junge Reiterin zu ihrer Seelenschwester. - "Man kann eine so große Anzahl an Kriegern nicht ohne Versorgungsgüter marschieren lassen! Und warum haben die Tiere des Waldes sie bisher überhaupt nicht bemerkt? Selbst ein Tarnzauber hätte eine gewisse Reaktion unter den Kreaturen des Waldes ausgelöst. Sie fremde Gerüche wahrgenommen oder Geräusche gehört die nicht in das normale Klangbild des Waldes passen oder....." -
- "Wie diese Dinger das geschafft haben ist im Moment egal kleine Halbling!" - unterbrach Alonvy den Redeschwall ihrer Reiterin. - "Wir können uns nach dem Kampf den Kopf darüber zerbrechen wie der Feind uns überraschen konnte! Jetzt ist erst mal entscheidend, dass es ihm gelungen ist! Wir müssen die Zwerge beschützen und ihm Zeit geben sich zu formieren. Halte dich fest!" -
Marlena schüttelte den Kopf und versuchte damit ihre Verwirrung loszuwerden. Ihre Drachendame hatte natürlich recht! Das "wie" war im Augenblick wirklich zweitrangig. Jetzt war eine Schlacht zu schlagen!
Kaum reifte diese Erkenntnis in Marlena heran als Alonvy bereits etwas enger an den Körper zog, nach links abkippte und in einem rasenden Sturzflug auf die anstürmenden Kreaturen zu schoss. Marlena Kreide sich in die Halteriemen ihres Sattels und schmiegte sich so eng wie möglich an den Körper ihrer Drachendame um den Luftwiderstand zu vermindern. Alonvy setzte ihren rasenden Sturzflug fort bis sie etwa 20 m über dem Boden war, breitete dann die Flügel aus und jagte mit hoher Geschwindigkeit über die angreifenden Kreaturen hinweg. Genau im richtigen Moment rief sie ihr Maul auf und entfesselte ihr Feuer.
Angespannt beobachtete Marlena wie die weißgoldenen Flammen nach ihren Feinden leckten. Die Wirkung des Drachenfeuers war verherend! Alonvy riss eine breite Schneise der Zerstörung in die feindliche Front. Dutzende der fremden Wesen verkohlten im Feuer der Drachendame und stürzten tot zu Boden.
Trotz des zweifelnden Fahrtwindes konnte Marlenas geschärftes Gehör den Jubel der Zwerge hinter ihr wahrnehmen. Alonvys vernichtender Angriff hatte den Kriegern der Knurlan geholfen ihren Schock zu überwinden. Die verkohlten Körper toter Feinde machten den Zwergen klar, dass ihr Gegner sie vielleicht überrascht hatte aber alles andere als unbesiegbar war. Tapfer bildeten die kleinwüchsigen Krieger nun eine Verteidigungs Front gegen die noch verbliebenen anstürmenden Feinde.
Marlena hingegen blieb skeptisch. Natürlich war sie stolz auf den Erfolg den Alonvy errungen hatte aber sie spürte auch weiterhin ihre Verwirrtheit. Die junge Halbling hatte nicht damit gerechnet, dass der Angriff ihrer Drachendame einen so durchschlagenden Erfolg haben würde. Keine Schutzwälle verteidigten die angreifenden Krieger! Das war geradezu widersinnig! Die Drachenreiterin war sich sicher, dass nur Magie die angreifenden Kreaturen verborgen gehalten haben konnte. Doch warum schützte ein Magier der fähig war einen so genialen Zauber zu wirken jetzt nicht die Kreaturen die für ihn kämpften?
Der Blick der jungen Halbling glitt auch über das abgestorbene Stück Wald, aus dem ihre Gegner hervor gebrochen waren. Ein Schauer lief ihr bei dem Anblick über den Rücken. Ihre Augen bestätigten was ihre geistigen Fühler zuvor bereits wahrgenommen hatten. Alles was den Kreaturen im Weg gestanden hatte war tot! Tiere des Waldes lagen am Boden und der scharfe Blick den Marlena ihren elfischen Blut verdankte enthüllte, dass die Tiere offenbar In Sekunden verendet waren und ohne dass eine entscheidende äußere Verletzung zu sehen war. Die einzigen Wunden der Waldbewohner schien davon her zu rühren, dass die angreifende Armee achtlos über sie hinweggetrampelt war.
- "Bestimmt haben Sie diesen armen Kreaturen die Lebensenergie entzogen." - vermutete Alonvy die mit kräftigen Flügelschlägen wieder an Höhe gewann. - "So wie bei den Zwergen-Kriegern in Beorams Erinnerung." -
- "Du hast bestimmt Recht meine Große." - murmelte die junge Reiterin. - "Aber das erklärt immer noch nicht warum keine Schutzwälle unserer Angreifer umgeben. Sie dir das dann!" -
Alonvy folgte den Blick ihrer Reiterin. Inzwischen hatten auch Anarie und Beoram mit ihren Reitern den Ort des Kampfes erreicht und wiederholten das Manöver, welches Alonvy gerade abgeschlossen hatte. Wieder forderte das Feuer einen tödlichen Blutzoll. Wieder brach Jubel unter den Zwergen aus. Der Sieg schien nun sicher zu sein. Von den Angreifern waren nur einige Dutzend übrig geblieben. Marlena wollte sich jedoch dem Freudentaumel nicht anschließen.
- "Das macht doch keinen Sinn!" - fluchte die junge Halbling. - "Selbst wenn wir unterstellen, dass ihr Magier vergessen haben sollte Schutzwälle gegen Drachenfeuer aufzubauen hätte unser Angriff ihn auf den Fehler aufmerksam machen müssen! Trotzdem sind die Kläger weiterhin ungeschützt!" -
Marlena spürte, dass Alonvy zu einer Antwort ansetzen wollte aber es kam nicht dazu. Ein geistiger Hilferuf von Svenaja und Kyra er forderte die Aufmerksamkeit von Drache und Reiterin. Etwa eine halbe Meile vom Kampfgeschehen entfernt kreiste die junge goldene Drachendame über den Zug der Zwerge und Marlena entdeckte was ihre Schülerin dazu veranlasst hatte um Hilfe zu bitten. Aus dem grünen Ozean des Waldes flutete eine weitere Welle des Todes an. Wie schon zuvor konnte man aus der Luft erkennen die Bäume abstarben und das satte Grün Farben wich die nichts mehr mit dem Leben zu tun hatten.
Alonvy änderte sofort den kurz und schoss der neuen Gefahr entgegen. Marlena spähte an ihrem Hals vorbei und erkannte die prekäre Lage! Ein Teil der Soldaten die den nun bedrohten Teil des Zuges schützen sollten waren aufgebrochen um ihren kämpfenden Kameraden zu helfen. Die Linien der Verteidiger waren dadurch ausgedünnt worden und gerade dieser Schwachpunkt würde nun einen Angriff abfangen müssen.
Marlena befürchtete einen bitterem Blutzoll unter den Zwergen. Sie und Alonvy würden nicht rechtzeitig eintreffen um die Knurlan mit dem Feuer der weißen Drachendame zu verteidigen. Schon brachen die Kreaturen aus dem abgestorbenen Unterholz!
Zu ihrer Verwunderung beobachteten die beiden Seelenschwestern aber nun die Kyra tiefer ging, einen Bogen flog und auf die Reihen der Anstürmenden Feinde zu schoss.
- "Was haben die beiden Küken vor!" - Alonvys Stimme klang zunächst wütend aber Marlena spürte deutlich, dass in erster Linie Sorge ihre Drachendame erfüllte. Sie konnte diese nur teilen. Inständig hoffte sie, dass ihre beiden Schützlinge nicht so tollkühn waren zu landen und sich dem Feind am Boden zu stellen. Die schiere Masse der Kreaturen würde sie einfach überrollen! Eine Attacke wie die von Alonvy war aber unmöglich den Kyra hatte ihr Feuer noch nicht entdeckt.
Gerade wollte Marlena ihre geistigen Fühler ausstrecken um ihre Schüler zu warnen als diese ihren Plan bereits in die Tat umsetzen. Kyra griff sich von einem der Fuhrwerke des Flüchtlingszuges einen zurecht geschnittenen Baumstamm. Der Tross führte dieses Holz mit sich um bei Bedarf neue Räder oder ähnliche Ersatzteile herstellen zu können.
Nun hielt Kyra einen dieser Stämme in den Klauen, schoss auf die Front der Feinde zu und schleuderte den Stamm mit aller Kraft den Kreaturen entgegen. Auf dem Rücken der goldene Drachendame war Svenaja jedoch nicht untätig. Sie steckte ihren rechten Arm aus und Marlena konnte sehen wie ihre Handfläche silbern zu leuchten begann. Im selben Augenblick ging der, noch in der Luft befindliche, Baumstamm in Flammen auf. Das brennende Geschoss polterte nun durch die Reihen der anstürmenden Feinde, brach die Front auf und ließ sie, in dem Bestreben auszuweichen, den Angriff einige wertvolle Sekunden unterbrechen.
Dies war mehr als genug Zeit für Alonvy um eine Angriffsposition zu kommen. Eine tödliche Flammenzunge schoss auf die angreifenden Feinde hernieder.
Marlena winkte ihren Schülern anerkennen zu. Ihr Einfallsreichtum hatte eine Katastrophe verhindert. Trotz dieses Triumphes fühlte Marlena aber wieder Sorge in sich aufsteigen. Selbst wenn sie den feindlichen Magier, die es geben musste, unterstellte, dass diese so dumm waren ihre Krieger nicht gegen Drachenfeuer zu schützen, so müssten sie doch zumindest in der Lage sein Geschosse wie das von Kyra und Svenaja abzuwehren. Wieder jedoch war der Angriff nicht mit magischen Mitteln aufgehalten worden. War es möglich, dass die angreifenden Wesen vielleicht keine Intelligenz besaßen sondern nur Tiere waren die räuberischen Instinkten folgten?
- "Das glaube ich ehrlich gesagt nicht kleine Halbling." - Alonvy hatte die Überlegungen ihrer Reiterin verfolgt und teilte ihr nun ihre Meinung mit. - "Es muss eine Intelligenz hinter diesem Kreaturen stehen. Bedenke, sie haben erkannt, dass an dieser Stelle des Flüchtlingszuges die wachen abgezogen worden sind und dann genau diesen Schwachpunkt angegriffen. Das ist nicht das Verhalten von Tieren. Das ist eine geplante Taktik!" -
Marlena nickte.
- "Du hast recht. Das ist eine regelrecht militärische Strategie. Außerdem, wenn es sich hier wirklich um Kira handeln würde, dann gäbe es leichtere Wege für diese Kreaturen Beute zu machen als einen Flüchtlingszug anzugreifen der von Kriegern und Drachenreitern verteidigt wird. Wir verstehen unseren Feind noch nicht richtig." -

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt