Der Weg aus grauer Vorzeit

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Nachdem sich die erste Aufregung unter den Zwergen gelegt hatte betraten alle Anwesenden näher an den Konferenztisch heran um das verwandelte Feldzeichen genauer zu studieren. Auf Oriks Anweisung hin rückten zwei Diener den Spiegel aus dem Eragon und Arya das Gespräch verfolgt hatten näher an den Tisch heran und auch den beiden erfahrenen Anführern des Ordens eine genaue Begutachtung zu ermöglichen.
Einige Minuten kehrte Schweigen im Konferenzsaal ein bei jeder das bewertete was er vor sich sah.
"Tja, gut und schön." murmelte Burod schließlich. "Aber hat irgendjemand eine Vorstellung davon was wir dort vor uns sehen?"
Etwas unsicher blickten sich die erfahrenen Kleriker die von den einzelnen Zwergenclans entsandt worden waren an. Keiner von ihnen schien auf den ersten Blick die sagen zu können in was sich das Feldzeichen verwandelt hatte. Ein Wappen war es auf jeden Fall nicht mehr. Die weiße Farbe bildete nun unregelmäßige Linien, die sich über den gesamten pupurfarbenen Stoff zogen.
"Nun, Schriftzeichen sind es auf jeden Fall nicht." brummte Orik."Barzûl! Die Götter mögen ja Spuren hinterlassen haben, aber sie könnten sich ruhig etwas deutlicher ausdrücken."
Die anwesenden Priester waren sich offenbar nicht sicher ob sie ihrem König zustimmen sollten oder seine Bemerkung als Blasphemie einstufen sollten.
"Vielleicht soll die Reaktion nur bedeuten, dass die Drachenreiterin Marlena und tatsächlich den richtigen Weg vorgeschlagen hat." warf Prinzessin Moira nun in die Runde.
"Das ist zwar möglich Kleines aber ganz kann ich das nicht glauben." erwiderte Orik auf den Beitrag seiner Tochter hin. "Dieses Rätsel erfordert ein recht komplexes Stück Magie. Und es ist uns über den Abgrund von Jahrhunderten überliefert worden. Selbst die wilden Drachen oder die schönen Elfen dürften die Zeitspanne kaum fassen können um die es hier geht. Es hätte sicherlich einfachere Möglichkeiten gegeben uns lediglich mitzuteilen, dass wir den Weg beschreiten sollen den Eragons Tochter uns hier vorschlägt. Mein Instinkt sagt mir, dass wir die eigentlich Bedeutung von dem was hier vor uns liegt noch nicht verstanden haben."
Diesmal war die anwesenden Zwerge sich in Bezug auf ihrem König einig. Sie gaben ihm voll und ganz recht.
Marlenas Blick wanderte etwas Hilfe suchend in Richtung des Spiegels. Angela schien sie jedoch nichts erwarten zu können. Scheinbar völlig teilnahmslos widmete sich die Kräuterhexe ihrer Handarbeit. Das einzige was der jungen Halbling auffiel war, dass Solenbum offenbar in seiner menschlichen Gestalt nun neben dem Stuhl hockte in dem Angela saß und gedankenverloren eine kleine bunte Glasmurmel über den Boden rollte.
Marlena wollte es schon aufgeben von dieser Seite Hilfe zu erwarten als die auffiel, dass ihr Vater plötzlich den Kopf leicht schief legte. Sie kannte diese Eigenart von ihm. So reagierte er stets, wenn seine Drachendame Saphira ihn ansprach.
"Eine Karte?" sagte Eragon schließlich mehr zu sich selbst und mit einem fragenden Unterton in der Stimme. Seine Äußerung reichte jedoch um die Aufmerksamkeit der Zwerge zu erregen.
"Was sagst du Clanbruder?" erkundigte sich Orik.
"Nun, Saphira ist der Meinung, dass es sich um eine Karte des Beor-Gebirges handelt und wenn ich mir die Linien so ansehe, aus ich ihr Recht geben. Es ist etwas schwierig zu erkennen weil für die Zeichnung lediglich weiße Farbe zur Verfügung stand. Aber siehst du dort das kreisförmig anmutende Gebilde im Zentrum? Geh mal davon aus das es Farthen Dûr ist, dann wäre dort der Bärenzahn Fluss, dass dort ein See dort drüben wäre etwa die Position des steinernen Waldes.... Saphira sagte, das sie die Strukturen der Berge deshalb wieder erkennt bei sie wie keine andere Drachendame die Gipfel besucht hat. Sie ist es mehr gewöhnt als wir die Dinge aus der Perspektive eines Adlers zu betrachten."
Orik hatte Eragons Ausführungen zugehört und seine Augen flogen nun über das Feldzeichen und die weißen Linien darauf.
"Bei den Gebeinen meiner Vorfahren du könntest Recht haben alter Freund. Und es stimmt, soweit wir wissen hat kein anderer Drache die Gipfel unserer Berge besucht wiege Saphira getan hat."
Marlena wusste sofort worauf der Zwergenkönig anspielte. Als sie gerade 14 Sommer gesehen hatte und einmal mehr die Völkerspiele stattfanden hatte die blaue Drachendame, sehr zur Überraschung ihres Reiters beschlossen an einer der Disziplinen teilzunehmen. Einer der Wettbewerbe in denen sich die Abgesandten der verschiedenen Völker unter einander maßen war es den Versuch zu unternehmen die höchsten Berge des Beor-Gebirges zu erklimmen. Eine Disziplin, die normalerweise vor allem den Zwergen und den Bergnomaden im Blut lag. Auch die Urgals Genossen diese Herausforderung stets denn es gab ihrer Meinung nach keinen grausameren Feind als die Elemente in einer lebensfeindlichen Umgebung.
Es hatte seinerzeit einige Diskussionen gegeben ob es Drachen, die an den Spielen teilnehmen wollten, gestattet sein sollte diese Disziplin im Flug zu bewältigen. Schließlich waren die Sculblaka die einzigen Teilnehmer die auch Flügel zurückgreifen konnten. War das gerecht gegenüber den anderen Teilnehmern? Man hatte den Orden um einen Schiedsspruch gebeten und schließlich war man zu dem Ergebnis gekommen, dass der Flug auf einen Gipfel ebenso gefährlich war wie das besteigen eines Berges. Luftlöcher, Fallwinde und die immer dünner werdende Luft stellten große Herausforderungen da.
In diesem speziellen Jahr, an der sich Marlena nun erinnerte, hatte es nur eine Siegerin gegeben und zwar Saphira. Sie hatte selbst die höchsten Berge besiegt.
Neugierig hatte die damals noch sehr junge Marlena wissen wollen warum Saphira plötzlich von diesem Ehrgeiz gepackt worden war. Normalerweise stand die Drachendame ihres Vaters den Völker spielen eher gleichgültig gegenüber. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit Eragon seiner Tochter offenbart, dass er wohl die Verantwortung dafür trug, dass die blaue Drachendame glaubte sich beweisen zu müssen. Er hatte in seiner Freizeit damit begonnen einen Stammbaum anzulegen der mit Saphira und Aryas grünem Begleiter Fìernen begann. Es hatte ihn interessiert wie viele Drachen inzwischen direkt mit seiner Seelenpartnerin verwandt waren. Das Ergebnis seiner Bemühungen war ein Schock für die blaue Drachendame gewesen. Nach den Aufzeichnungen ihres Reiters war sie inzwischen nicht nur mehrfache Großmutter sondern, wenn man menschliche Maßstäbe anlegte, Ur-Ur Urgroßmutter einer beachtlichen Anzahl junger Drachen.
So war Saphira zu der Überzeugung gelangt, dass sie ihre Kraft und Vitalität dringend unter Beweis stellen musste. Tatsächlich hatte sie wie kein anderer Drache vor ihr die Gipfel der riesigen Berge bereist, die das Beor-Gebirge bildeten. Von den höchsten Gipfeln aus musste es für einen Drachen, dessen Sehkraft selbst die eines Adlers in den Schatten stellte, tatsächlich so aussehen als würde man auf eine Karte des Gebirges blicken.
"Was ist aber das hier?" Oriks Frage lenkte Marlenas Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart. "Diese unterbrochene Linie....Alle anderen Linien auf dieser Karte sind durchgängig gezogen aber diese hier weist regelmäßige Unterbrechungen auf. Wenn wir Recht haben und dass eine Karte ist führte sie von Farthen Dûr, durch das Silbertal direkt bis in die Nähe von Orthíad wo sich, soweit wir wissen das Herz von Marantera befindet."
"Vielleicht die Marschroute einer anrückenden Armee?" schlug Nobank vor." Vielleicht wollen uns die Götter vor einem Überraschungsangriff warnen."
Orik überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf.
"Nein Nobank, diese Rechnung geht nicht auf. Erstens könnte keine Armee das Silbertal durchqueren. Jeder der sich in der Gegend auskennt weiß wieso. Breite Flüsse durchziehen das Tal und der Rest ist ein Sumpfgebiet. Deshalb führt auch keine Handelsroute durch dieses Tal. Es wäre zweifellos eine Abkürzung zu vielen unserer Städte aber man versinkt bis zu den Knöchel im Matsch wenn man versucht hindurch zu wandern. Außerdem, haben diese Kreaturen schließlich die Fähigkeit sich durch ein Portal in Sekunden von einem Ort zum andern zu transportieren. Warum sollten sie einen langen Anmarsch in Kauf nehmen wir auch noch durch gänzlich ungeeignetes Gebiet führt?"
"Vielleicht betrachtende das von der falschen Seite Grimstnzborith Orik!" warf Burod nun ein. "Vielleicht ist es der Weg zu einem uns bisher unbekannten Zugang zu der verlassenen Stadt. Ich erinnere mich noch an den Bericht dem einigen Spähern erhalten haben. Zwar hat die Kreatur im Angriffe eingestellt weil sie, wie Marlena behauptet, verwirrt ist und nicht ausschließen kann, dass wir wie ein Intelligenz ebenbürtig sind aber unsere Kundschafter haben gemeldet, dass alle Zugänge nach Orthíad von jenen unheimlichen Kreaturen bewacht werden die wir bereits bekämpft haben. Die Kreatur greift im Augenblick nicht an aber sie wird sich mit Sicherheit verteidigen."
"Schlagt die einen Überraschungsangriff vor Drachenreiter?" erkundigte sich Nobank." Wenn uns keine anrückenden Armee über das Silbertal erreichen kann, dann dürfte dies auch für eine Streitmacht gelten, die wir aussenden."
"Es ist genau das was wir brauchen." flüsterte Marlena die etwas erschrocken von der Tatsache war, dass jemand ihr Schicksal über so unendlich lange Zeit vorher gesehen hatte. Sie schob diese Gedanken jedoch beiseite als sie merkte, dass sie ins Zentrum des allgemeinen Interesses gerückt war.
"Ich habe ja vorgeschlagen, dass wir versuchen mit der Kreatur zu reden. Das wird alles andere als einfach sein da ihr Geist so groß und so mächtig ist. Wie ihr, Nobank, schon richtig ausgeführt habt waren die flüchtigen Eindrücke wie ich bei meinem kurzen Kontakt gewonnen habe bereits so mächtig, dass es mich drei Tage tiefe Bewusstlosigkeit gekostet hat um auch nur im Ansatz zu verstehen, was ich da gesehen habe. Ein Teil dieser geistigen Last lässt sich aber dadurch vermindern, dass ich direkt vor das Herz von Marantera trete. Der Kontakt den ich hergestellt habe erfolgte über die Kreaturen die sie ausgeschickt hat. Diese sind alle mit ihren Geist verbunden. Sie haben gar keinen eigenen Verstand jede dieser Kreaturen ist im Grunde nur eine Verlängerung von Marantera selbst. Es war aber Tausende anwesend als ich Kontakt aufgenommen habe. Jeder einzelne dieser Kreaturen übermittelten Sinneseindrücke an das Herz. Das ist wie als wenn man in einem tosenden Wasserstrudel gefangen ist. Es kostet schon meine gesamte Kraft die Orientierung wiederzugewinnen. Ein Gespräch zu führen wäre praktisch unmöglich."
"Ich verstehe worauf du hinaus willst Marlena." murmelte Ismira und erklärte dann laut für alle: "Wenn wir versuchen auf einer Bekannten Route Orthíead zu erreichen müssen wir uns den Kreaturen stellen. Sie werden sofort angreifen wenn sie eine Bedrohung für das Herz wahrnehmen. Dann müssen wir entweder kämpfen oder eine Kontaktaufnahme versuchen. Bei einem Kampf besteht die Wahrscheinlichkeit, dass wir verlieren. Wenn wir unsere Erfahrungen bei dem Angriff auf den Flüchtlingszug zugrundelegen ist das sogar wahrscheinlich. Und wie meine Cousine gerade ausgeführt hat wäre eine Kontaktaufnahme über die Kreaturen hinweg nur sehr schwer möglich."
"Genau das meine ich Ismira." bestätigte Marlena. "Dieses Silbertal mag für eine Armee oder Handelsreisende die es zu Fuß oder auf Pferden durchqueren unpassierbar sein aber ein Drache im Flug lässt sich wohl kaum von einem Sumpf auffallen."

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt