Zwei Seelen

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Marlena konnte sich kaum von dem Anblick lösen die sich ihr bot. Auch ihre Drachendame Alonvy hatte sich ihr inzwischen genähert und blickte ihr über die Schulter. Dabei stand die Weiße zwischen Kyra und Svenaja die gerade den verletzten Atalet versorgten.
- "Ist das möglich? Ist das Aragnas Eldunari?" -
Marlenas war sich bewusst, dass ihre Frage im Grunde überflüssig war. Was sollte es sonst sein dass sie da in Händen hielt? Es war eindeutig! Eine owale Form, das Aussehen eines riesigen Onyx und tief im Zentrum ein rotes Licht.
- "Ich glaube das sogar noch mehr als nur das Herz der Herzen unserer verstorbenen Mitstreiterin." -
Alonvys Worte ergaben für Marlena zunächst keinen Sinn. Die Drachendame ließ jedoch keine Erklärung folgen sondern senkte ihr Haupt bis ihrer Nasenspitze an die kristallene Struktur des Seelenhorts stieß. Staunend beobachtete man lehne den Effekt. Es war als wäre der Eldunari ein tiefer See mit einer spiegelglatten Oberfläche. Alonvys Berührung löste kreisförmige Wellen aus, als hätte man einen Stein ins Wasser geworfen und so die Ruhe des Gewässers gestört.
Schließlich zog Alonvy ihren Kopf zurück und schnaubte zufrieden.
- "Wie ich es mir gedacht habe." -
- "Was meinst du?"
- "Es ist nicht nur Aragna sondern auch Togra. Normalerweise hat ein Herz der Herzen nur ein Licht in seinem Kern. Dieses Licht ist das Zentrum des Bewusstseins des Drachen den der Seelenhort einmal gehörte. Sie genau hin kleine Halbling! Was erkennst Du?" -
Marlena folgte Alonvys Aufforderung und besann sich den Eldunari noch einmal genau. Erst jetzt vielen ihr einige Besonderheiten auf. Im Zuge ihrer Ausbildung hatte sie natürlich Kontakt mit den Seelenhorten gehabt die aus dem Verlies die Seelen gerettet worden waren. Es gab hier einige bedeutende Unterschiede. Normalerweise durchzuckten Entladungen, wie Blitze, das innere eines Seelenhorts. Sie gingen vom Zentrum aus und strebten zur äußeren Begrenzungen der kristallenen Struktur. Hier jedoch war es anders. Statt einem leuchtenden Zentrum hatte dieser Seelenhort zwei und die Entladungen fuhren nur zwischen den beiden Lichtpunkten hin und her. Darüber hinaus hatte Marlena das Gefühl, dass die beiden Lichter im Zentrum des Eldunari sich mehr und mehr einander annäherten.
- "Du hast ganz recht kleine Halbling. Das tun sie auch." - Alonvy hatte die Gedanken ihrer Reiterin verfolgt und setzte nun zu Erklärung an. - "Ich vermute, das Aragna das Bewusstsein ihrer Seelenschwester in ihren Eldunari gezogen hat als die sterbliche Höhe ihrer Reiterin getötet wurde. Ihre Seelen verschmelzen nun vollständig miteinander. Das ist ein sehr erhabener und komplizierter Prozess. Mehr denn je wird es, wenn der Vorgang abgeschlossen ist, nicht mehr zwei Wesen geben die miteinander verbunden sind sondern eines welches Togra und Aragna im gleichen Maß ist." -
- "Mein Vater hat mir mal erzählt, dass sein Lehrmeister Oromis ihm offenbarte dass es so etwas zurzeit des alten Ordens schon gegeben hat." - erinnerte sich Marlena. - "Diese miteinander verschmolzenen Wesen unterstürzten dann den Orden weiterhin." -
- "Ich bin sicher das wird auch dieses Wesen tun sobald seine Vereinigung abgeschlossen ist." -
- "Bis du sicher?" - Marlena sprach einen beunruhigenden Gedanken aus der sich ihrer bemächtigt hatte. - "Die ungewöhnliche Stärke von Borien lässt sich nur so erklären, dass die Kraft dieses Eldunari ihn unterstützt hat. Ich verstehe nicht. Togra und Aragna wütend auf uns weil wir sie nicht retten konnten." -
Alonvy schüttelte ihren Kopf und ließ ihre Schuppen rascheln.
- "Es ist wahrscheinlich, dass die beiden überhaupt nicht wissen, dass ihre Kraft missbraucht worden ist kleine Halbling. Du hast doch schon bemerkt, dass die Entladungen im Innern des Eldunari nicht nach außen dringen sondern völlig auf den jeweils anderen Lichtpunkt konzentriert sind. Das jeweilige Bewusstsein von Aragna und Togra ist im Moment ganz und gar auf den Prozess der Verschmelzung konzentriert. Es ist ein schwieriger und vielschichtiger Prozess! Besonders weil es noch nie einen Drachenseele gegeben hat die eine so vollständige Verschmelzung mit einer Gehörnten vollzogen hat. Ein solches Wesen wie das, dass gerade entsteht hatte sie zuvor noch nie in Alagaesia gegeben. Erst wenn abgeschlossen ist werden wir mit den Beiden oder besser gesagt mit dem neuen Bewusstsein sprechen können. Die Kraft die im Innern des Eldunari gespeichert ist, ist im Augenblick ohne Kontrolle bei Togra und Aragna viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Vermutlich hat meine Blutschwester ihren Seelenhort ausgespiehen als auch ihr Ende kurz bevorstand. Irgendwie, vielleicht nur durch Zufall muss der Eldunari seinen Weg in den Tunnel gefunden haben durch den Borien geflohen ist. Der Zwerg hat ihn gefunden. Wir haben schon früher festgestellt, dass er ein geschickter Magier war der das Geheimnis lüftet hat wie man Energie in Edelsteinen speichern kann. Er hat vielleicht nicht mal bemerkt, um was es war, dass er da gefunden hat. Vielleicht hätte es einfach nur für einen mit Kraft gefüllten Edelstein gehalten und ihn an sich genommen um seine Überlebenschancen zu erhöhen. Aragna und Togra waren sich vermutlich gar nicht bewusst dass er ihre Kraft missbraucht hat." -
Hinter Alonvy erhoben sich Stimmen. Eine gehörte unverwechselbar Atalet. Marlena atmete innerlich auf. Offenbar war es Svenaja wirklich gelungen die Wunden des Zwerges zu heilen. Gleichzeitig wusste junge Reiterin aber auch, dass sie nun eine Entscheidung treffen musste.
- "Was sollen wir jetzt mit dem Eldunari machen? Svenaja und Kyra sind noch zu jung um dieses Geheimnis zu erfahren und Atalet mag zwar ein ehrenwerter Knurlan sein aber dieses Geheimnis ist nur für Mitglieder des Ordens bestimmt." -
- "Wickel ihn wieder in die Tücher und pack ihn in meine Satteltasche."- forderte Alonvy von ihrer Reiterin. - "Solange bis die Verschmelzung dieser beiden Seelen abgeschlossen ist müssen wir auf die beiden aufpassen. Wenn es uns gelingt Krise zu meistern schicken wir den Seelenhort an deine Eltern. Sie werden wissen was zu tun ist." -
Marlena nickte zustimmend und wickelte den dunklen Eldunari wieder in die schützenden Tücher. Gerade als sie ihn in Alonvy Satteltasche gleiten ließ umrundeten Svenaja und Atalet weiße Drachendame und auch Kyra räckte ihren Hals um Marlena in ihr Blickfeld zu bekommen.
"Den Göttern sei Dank dass dieser Verräter Borien bekommen hat was er verdient." grollte Atalet als er die Leiche des anderen Zwergs sah. Dann jedoch richtete sich sein Blick auf Marlena und das verhüllte Objekt dass sie immer noch in Händen hielt. "Was habt ihr da Silberhand?"
Marlena überlegte schnell und beschloss so dicht wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben.
"Ein magisches Artefakt, das wohl der Drachenreiterin Togra und ihrer Drachendame Aragna gehört hat. Borien hat es wohl gefunden und genutzt um sein Überleben hier unten sicherzustellen. Wenn ihr nichts dagegen habt Atalet nehme ich es in Verwahrung. Ich werde es so bald wie möglich an meine Eltern schicken. Als Oberhäupter des Ordens ist es an Ihnen zu entscheiden wie man mit dieser Hinterlassenschaft unserer gefallenen Kameraden am besten umgeht."
Marlena war erleichtert das Atalet nickte und auch Svenaja und Kyra kein weiteres Interesse an dem verhüllten Gegenstand zeigten. Stattdessen konzentrierten sich die übrigen Mitglieder der Reisegruppe wieder auf den toten Körper von Borien. Marlena nutzte diese Gelegenheit und ließ den Seelenhort schnell in Alonvy Satteltasche verschwinden. Anschließend gesellte sie sich zu ihren Kameraden.
Atalet starrte geradezu hasserfüllt auf die sterblichen Überreste des anderen Zwerges.
"Ich hoffe Svenaja wird kein Vorwurf gemacht werden dass sie ein Mitglied eures Volkes getötet hat Atalet. Sie hatte kaum eine andere Wahl." hob Marlena an als sie die Wut des Zwerges bemerkte.
Dieser schien völlig in Gedanken versunken gewesen zu sein und blickte die Drachenreiterin, die zu ihm gesprochen hatte fast überrascht an. Schnell jedoch sich der Zwerg und ordnete seine Gedanken.
"Natürlich nicht Silberhand. Macht euch da bitte keine sorgen. Dieser Verräter bekommen was er verdient hat." versicherte Atalet, blickte dann noch einmal zu der Leiche des anderen Zwergs und spukte auf dessen sterbliche Überreste.
"Die Taten dieses Zwergs gehen euch sehr nah oder Atalet?" erkundigte sich Svenaja vorsichtig.
Atalet atmete einmal tief durch und begann fast flüsternd zu sprechen:
"dieser Verräter war ein Priester wie ich. Eine der ersten Lektionen die ich gelernt habe als ich mein Studium unseres Glaubens begann war, dass es die oberste Pflicht eines Geistlichen der Knurlan ist dem Volk zu dienen und ihm zu helfen. Wir sollen die Armen und Schwachen beschützen und stets um das Seelenheil unseres Volkes bemüht sein. Er hat unter dem Deckmantel einer Arbeitsvermittlung die Schwäche und die Not von Zwerg die seine Hilfe gesucht haben ausgenutzt um ihre Seelen auf Irrwege zu führen. Er hat sie mit diesen ketzerischen Glauben über Marantera vergiftet und aus anständigen Knurlan widerlicher Meuchelmörder gemacht. Einer der Weisen unseres Volkes hat einmal gesagt: Die schwere eines Verrats hängt von der Person ab die ihn begeht. Er wollte damit sagen, dass die schwere eines Verrats davon abhängig ist welche Aufgabe der Zwerg in der Gesellschaft versieht und welches Vertrauen man ihm entgegenbringt. Ein Handwerker beispielsweise der vorsätzliche schlechte Arbeit leistet obwohl er einen guten Ruf genießt begeht für mich den höchstmöglichen Verrat. Eben weil man ihm vertraut, dass er sein Handwerk beherrscht und sein Bestes gibt um die ihm anvertraute Aufgabe mit all seinem können zu erfüllen. Handelt man so völlig gegen die Aufgabe die das Schicksal einem auferlegt hat begeht man ein unverzeihliches Verbrechen. Borien hat genau das getan und deshalb soll das was von ihm übrig geblieben ist nicht in Stein bestattet werden! Lasst seinen Kadaver hier liegen auf das er von eben den Tieren gefressen wird die er hier gejagt hat um seine elende Existenz zu verlängern."
Mit diesen wütenden Worten wandte sich Atalet von den sterblichen Überresten des anderen Zwerges ab.
Eine Weile herrschte Schweigen, dann jedoch ergriff Marlena wieder das Wort.
"Wenn das die Art ist wie mit diesem Leichnam verfahren werden soll werden wir das respektieren aber wir müssen uns jetzt wieder auf unsere Aufgabe konzentrieren. Einen unfreiwilligen Dienst hat uns Borien vielleicht erwiesen. Ich habe kurz seine Erinnerungen betrachten können. Er ist durch einen Tunnel von Tempel her in diese Zisterne entkommen. Kennt Ihr vielleicht diesen Tunnel Atalet. Es wäre vielleicht die ideale Möglichkeit sicher in den Tempel zu gelangen. Vielleicht ist das Herz von Marantera immer noch dort und offensichtlich weist die Kreatur nichts von diesem geheimen Gang. Wenn sie es wüsste hätte sie doch sicherlich einige ihrer Abkömmlinge geschickt um die Lebensenergie von Borien zu "ernten". Dieser Tunnel könnte also ein unbewachter Zugang sein."
"Durchaus möglich." in Atalets Stimme schwang Begeisterung mit. "Ich denke ich weiß von welchem Zugang ihr sprecht Silberhand. Der Tempel war schließlich der Göttin der Seen und Meere geweiht. Folglich spielte Wasser bei den heiligen Ritualen eine große Rolle. Die Priester schöpften hier aus der Zisterne Wasser um es bei den Messen zu verwenden. Dabei verwendeten sie einen Tunnel der direkt zum Tempel führt. Wir haben ihn angelegt, damit das gesegnete Wasser der Kíff nicht durch Teile der Stadt getragen werden muss die nicht geweiht sind. Wir müssen wissen, in normalen Wohnhäusern natürlich auf Vorgänge statt die im Hinblick auf ein heiliges Ritual unziemlich sind. Die Reinheit geweihten Wassers würde dadurch beeinträchtigt werden. Es dürfte nicht schwer sein Zugang zu diesen Tunnel zu finden. Er ist hinter der Königsstatue an der Stirnseite der Halle. Folgt mir Freunde."
Atalet Schritt energisch voran und seine Reisegefährten folgten ihm. Marlena musste ein Grinsen unterdrücken als sie einige flüchtige Gedanken ihrer Drachendame auffing.
- "Schon wieder ein Tunnel. Ich bin eine Tochter des Himmels und des Feuers und nicht ein kleinen-blind-Maulwurf!" -

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt