Kapitel 12

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Mauras Körper presste sich noch immer gegen die kalte Tür, ihre Atmung laut und abgehackt, ihre Hände zitterten. Das Holz der Tür drückte schon unangenehm in ihren Rücken, doch sie ignorierte den pochenden Schmerz, konzentrierte sich darauf sich nicht übergeben zu müssen. Ihre Lippen. Janes Lippen. Gedankenverloren fuhr sie mit ihrem Daumen über ihre Unterlippe, als könnte sie Janes Lippen damit wieder hervorrufen und so auf ihren spüren. Sie brannten, sie brannten vor Verlangen. Der Kuss und die damit verursachte Leidenschaft, ließ Mauras Körper noch immer brennen, noch nie hatte sie etwas Vergleichbares gespürt. Sie musste sich beruhigen, tief durchatmen, zurück auf den Boden der Tatsachen kommen. Maura küsste ihre Studentin, die Frau die auf ihre Kinder aufpasste, eine Frau. Obwohl sie verheiratet war, mit Ian, ihrem wundervollen Mann Ian, dem Vater ihrer Kinder. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr wieder schlecht, sie stürzte zum Eimer in der Ecke ihres Büros und übergab sich. Mit ihrer zittrigen Hand wischte sie über ihren Mund, versuchte die Tränen zurückzuhalten und diesen widerlichen Geschmack loszuwerden. Eilig suchte sie nach ihrer Zahnbürste, die sie für den Notfall immer in ihrer Handtasche bei sich trug und putzte sich über dem kleinen Becken die Zähne. Gerade als sie alles ausspuckte, hörte sie das Klopfen an ihrer Tür. Sie rückte alles zurecht, warf sich ein Minzbonbon ein und eilte zur Tür. Dort stand die Studentin, die vorher wahrscheinlich schon vor ihrem Saal gewartet hatte und grinste Maura an: „Dr. Isles! Ich hoffe jetzt ist der Zeitpunkt günstiger?" Maura lächelte sie verunsichert an und bat sie mit einem Handschwung hinein in ihr Büro. Sie bemühte sich ihrer Studentin und ihren Fragen zu folgen, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zurück zu Jane.

Mauras Tag verging viel zu langsam und nach der Mittagspause sah sie auch noch Jane, die mit quietschenden Reifen vom Parkplatz gefahren ist, als wollte sie vor etwas flüchten. Sofern Maura es richtig im Kopf hatte, würde Jane heute ihre Kinder von der Schule und Kindergarten abholen und zu Hause auf sie warten. Keine Chance ihr aus dem Weg zu gehen, sie würde sie auch noch mehrere Stunden im ihren eigenen Haus um sich haben. Als sie endlich ihre Tasche packen konnte, tat sie es nicht. Sie setzte sich hinter ihren Schreibtisch und fing an Aufgaben vorzubereiten, Klausuren zu korrigieren und Noten einzutragen. Erst gegen 18 Uhr schrieb sie Jane eine SMS, die ihr davon berichtete, erst später nach Hause zu kommen. Maura ging davon aus, da die Schule sich nicht bei ihr gemeldet hatte, dass Jane ihrer Pflicht nachgekommen war. Trotzdem ereilte sie ein schlechtes Gewissen und sie kam einfach nicht darauf warum. Sie konnte es einfach nicht festmachen und das störte sie ungemein, Maura hasste es keine Kontrolle zu haben, nicht einschätzen zu können was ihre eigenen Gefühle bedeuteten. Erst als sie Blut schmeckte bemerkte sie, dass sie sich die ganze Zeit auf ihre Unterlippe biss, eilig fuhr sie mit ihrer Zunge darüber und schaute dann in den Spiegel. In ihrem Gesicht erkannte sie Schuldgefühle, ihre Sorgenfalten auf der Stirn schienen tief in ihre Haut gegraben und ihre Augen wirkten müde. Seufzend reinigte sie mit Desinfektionsmittel ihre Lippe, nur um sich kurze Zeit später wieder dabei zu ertappen darauf zu beißen. Um 20 Uhr gab Maura es auf, sie schaffte es die meisten Dinge zu erledigen die sie sich vorgenommen hatte, doch nun zog es sie nach Hause. Sie brauchte mehrere Anläufe, um das Schloss zu treffen und ihre Beine wurden umso weicher, desto näher sie ihrem Wohnzimmer kam. Sie wusste nicht wo sie Jane antreffen würde, doch sie scheute sich davor, Angst durchzuckte ihren Körper. Gegen ihre Erwartung empfing sie gähnende Leere im Wohnzimmer, auch in der Küche schien niemand zu sein. Leise schlich sie sich nach oben, Mattheo und Scarlett schlummerten schon tief und fest, die Tür zu Janes Zimmer stand offen. Niemand dort. Sie ging zurück nach unten, öffnete ihren Kühlschrank, um sich ein Glas Wein zu genehmigen, dort stand ein großer Behälter mit einem Zettel drauf. „Falls du Hunger hast. Lass es dir schmecken. Jane." Gierig griff sie danach, öffnete ihn und ihr Magen knurrte sofort als Antwort. Maura machte sich das Essen warm und dankte Jane innerlich für ihre Fürsorge, doch noch immer fragte sie sich wo sie steckte. Sie konnte doch nicht ihre Kinder allein lassen! Während sie aß, öffnete sich die Tür einen Spalt breit und ihre Haushälterin steckte den Kopf durch die Tür: „Dr. Isles, da sind Sie ja! Wie ich sehe essen sie gerade, die Kinder schlafen auch schon. Ich würde jetzt nach Hause gehen, falls Sie mich nicht mehr brauchen." Maura lächelte sie müde an und nickte: „Sie können gehen, selbstverständlich, Sie sind eh viel zu lange hier. Wo ist Jane?" Eigentlich machte sie immer um 18 Uhr Feierabend, Jane war immerhin hier. „Sie ist um 19 Uhr gegangen, ein Notfall in der Familie. Deswegen bin ich noch länger geblieben", erklärte Mary und zuckte mit den Schultern. Sofort versteifte sich Maura auf ihrem Stuhl, rutschte unruhig auf ihm hin und her und starrte in die Leere: „Notfall? Hat sie gesagt was los ist?" „Nein tut mir Leid, Mam. Haben Sie noch einen schönen Abend", entschuldigte sich Mary und schloss die Tür hinter sich.

From Elephants and Tortoises (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt