Kapitel neun | Die Phasen

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Wir waren mittlerweile von der Ich-weiß-nicht-ganz-wie-ich-mit-dir-umgehen-soll-Phase in die Wir-können-Witze-reißen-(nur keine dreckigen)-und-locker-miteinander-umgehen-Phase übergegangen. Ich würde sogar behaupten, dass wir uns an der Grenze der Wir-können-Freunde-werden-Phase befanden (in der es aber leider immer noch zu früh war um einen dreckigen Witz zu reißen (ja, ich reiße gerne dreckige Witze)).

Und ja, ich merkte durchaus, dass meine Gedanken verrückter und verrückter wurden. Wäre ich mehr Typ Kitschig, hätte ich wahrscheinlich gesagt, dass das die Folge meines Verliebtseins in Wyatt war und meine Hormone verrückt spielten.

Und wem will ich eigentlich was vormachen: das war genau der Grund für meine wirren Gedanken.

Wir hatten nach kurzer Zeit beschlossen, in der ich ihm hatte klarmachen müssen, dass ich keinen Laptop besaß um meinen Aufsatz zu schreiben, dass ich ihm einfach alles diktieren würde, was wahrscheinlich viel viel länger dauerte als normal, aber es machte Spaß, weil ich offensichtlich eine Niete in Grammatik meiner eigenen Sprache war. Das muss man erst mal toppen, ohne Scheiß.

„Okay", presste Wyatt zwischen Lachen heraus, weil ich den wohl dümmsten Satz überhaupt gebildet hatte, „eine Frage: wie hast du bisher überlebt?"

Ich lachte noch mehr als ich es ohnehin schon tat. „Kein Plan", sagte ich außer Puste.

Kann man vom Lachen eigentlich Muskelkater bekommen? Wenn ja, befürchte ich, dass mit Bewegen morgen nichts mehr wird. Ohne Scheiß.

„Oh Gott wir sollten wirklich weiter machen." Wyatt wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Wirlich, wirklich."

Er setzte sich wieder aufrechter hin und blickte auf den Laptop. „Wir haben erst 376 Wörter", sagte er plötzlich ernst und schien ein wenig enttäuscht von unserer Leistung.

„Shit", entfuhr es mir etwas lauter als beabsichtigt. Auch ich war wieder ganz ernst und musste zugeben, dass ich auch etwas enttäuscht von uns war.

Wyatt sah mich lächelnd an. „Dann haben wir ja noch ziemlich viel Arbeit."

Ich wusste ehrlich gesagt nicht ganz, was er damit sagen wollte. Meinte er das so wie ich das gerne interpretieren wollte, weil mein krankes Hirn nur noch an ihn denken kann oder sagte er das, weil er das nun mal so sagte?

Dumme Menschen müssen existieren, weil sonst gäbe es keine schlauen. Das ist mein Lebensmotto.

„Offensichtlich", sagte ich mit hochgezogenen Augenbrauen und sah auf das Buch vor mir. Ich war mir nicht mehr ganz sicher, wo wir stehen geblieben waren. Mein Magen knurrte etwas zu laut. Scheißteil. „Sorry", murmelte ich und tat so als würde ich ganz konzentriert lesen.

Man kann ja wenigstens so tun als ob. Mein zweites Lebensmotto.

„Ich hab' auch Hunger", sagte Wyatt dann, während er aufstand. Er klang total entschlossen, nur war mir nicht ganz klar, welchen Entschluss er getroffen hatte. Der Junge verwirrte mich.

„Hast du auch Lust auf Rührei mit Speck?", fragte er mich wieder und drehte sich zu mir um, sodass er nun rückwärts in Richtung der Schränke und Schubladen welche man auch Küche nannte begab.

„Jo." Ich streckte mich und nahm meine Beleidigung von gerade eben zurück. Mein Magen hatte mir gerade eine Pause vom 2. Weltkrieg verschafft und das musste man ja wohl feiern. Vielleicht war er doch nicht so Scheißteil.

Ich stand ebenfalls auf und lief ihm hinterher, weil ich erstens das Gefühl hatte, dass mein Fuß einschlief und zweitens umgab das Geschichtsbuch eine dunkle Aura, welche sich negativ auf meine innere Balance auswirkte. Spaß beiseite: ich hatte keine Ahnung warum zur Hölle ich das tat.

Vielleicht, weil ich ihn viel zu gerne mochte und ich – Achtung Kitsch! – ihm nah sein wollte. Gott, das alles entwickelte sich in die völlig falsche Richtung!

„Ich helf' dir", gab ich ein wenig zu enthusiastisch als Erklärung, als er mich leicht verwirrt ansah und lehnte mich lässig gegen eine Ablage. Soviel zum Thema helfen, Maverick.

„Okay cool", war alles was Wyatt zu sagen hatte. Er lächelte und zog eine Schüssel aus einer Schublade und eine Gabel, dann lief er ein paar Schritte zum Kühlschrank und fischte drei Eier heraus, die er vorsichtig ablegte um noch einmal drei herauszuholen. Ich konnte nicht anders als ihn dabei zuzusehen, so als wäre er ein Hauptdarsteller irgendeiner Serie, auf welchen ich einen kleinen (aber eigentlich ziemlich großen) (Celebrity)-Crush hatte.

Blöd nur, dass ich kaum Serien gucke und bisher nur einen männlichen Celebrity-Crush hatte. Natürlich Dylan O'Brien, wer denn sonst? Er war einfach nur extrem heiß.

Also, sorry, aber wenn ich ihn mit Wyatt vergleiche, gewinnt Dylan nur knapp in Sachen Aussehen und Level des Hot-seins, wie Victor und Sofia es getauft hatten als sie beide Typen im Jameson's miteinander verglichen haben.

Über was dachte ich da eigentlich gerade nach? Gott, ich brauch ganz viel Schlaf. Jetzt.

„Wow", lachte Wyatt plötzlich, „du hilfst mir in dem du mich anstarrst? Wie könnte ich nur ohne dich auskommen, mein Freund?!"

Hatte er gerade ‚mein Freund' gesagt?! Der Tag konnte ja eigentlich nicht mehr besser werden. Ich denken wir kamen langsam in die Wir-sind-jetz-Freunde-Phase.

Ich grinste, zeigte ihm nicht, was in meinem Kopf vor ging (wäre ja auch peinlich). „Ich schätze gar nicht."

Er lachte wieder. „Ja, da hast du wahrscheinlich recht. Er stellte eine Pfanne auf den Herd und drückte mir gleich danach ein Ei in die Hand. „Aufschlagen."

Wie konnte ich ihm nur diesen so nett formulierten Wunsch abschlagen? Natürlich nicht.

Es stellte sich heraus, dass ich mich tatsächlich besser anstellte als Zuhause, als ich mit Harlow das letzte mal einen Kuchen für Natalie gebacken hatte. Ich würde natürlich niemanden sagen, dass mich das irgendwie stolz machte. Eine Blamage weniger vor Wyatt.

Als der Speck so wie das Rührei in der Pfanne brutzelten standen wir nebeneinander, lehnten uns an der Ablage an und sahen schweigend auf unser Essen.

„Weißt du wie lange man von hier aus braucht in die Mall?", fragte Wyatt nachdenklich. Zuerst dachte ich, er würde sich das auf komische Weise selbst fragen, als würde er laut überlegen, aber er sah mich fragend an.

Ich zuckte mit den Achseln. „Kein Plan, sorry."

Hätte er mich gefragt wie lange man laufen würde, dann hätte ich es wahrscheinlich in Betracht ziehen können drüber ernsthaft nachzudenken.

„Du kannst auch nur mal schätzen", meinte er und sah mich bittend an. „Ich wollte mich da mit meinen Freunden treffen und ich überlege ob es einfacher wäre mit den Fahrrad zu fahren oder ob ich das Auto nehmen soll."

Er hatte nicht verstanden, was mein eigentliches Problem an der ganzen Sache war... wie auch? Dumm.

„Ich würd' dir ja echt gern helfen, aber ich glaube das kann ich nicht", sagte ich langsam und achtete darauf nur auf die Pfanne zu schauen. Nicht in seine Richtung.

„Warum?" Jetzt schien er verwirrt.

„Weil ich noch nie Fahrrad gefahren bin." Ich merkte, wie ich leicht nuschelte und hoffte, dass er es trotzdem verstanden hatte.

„Was?!" Als ich wieder zu ihm sah, starrte er mich mit ungläubig weit aufgerissen Augen und leicht geöffneten Mund an. Darf ich sagen, dass er trotzdem gut aussah? „Du kannst nicht Fahrradfahren?!"

Ich nickte, etwas beschämt und spürte wie meine Wangen rot wurden. Wie die Hitze langsam in meinem Gesicht Platz fand. Gott, war das unangenehm.

„Okay, Freitag nach der Schule", sagte Wyatt entschlossen, was mich wiederum verwirrte. „Ich bringe dir Fahrradfahren bei."

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