32| suprise attack.

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[überraschungsangriff.]

Ein sanftes, konstantes Schaukeln weckte mich aus der pechschwarzen Dunkelheit. Mein Kopf sendete schmerzhafte Impulse durch meinen gesamten Körper und sammelten sich an meiner rechten Schläfe. Autsch. Langsam und leise vor schmerzen zischen, setzte ich mich auf und fasste mir an meinem Denkzentrum. Der Geruch von Meerwasser stieg mir in die Nase.

Mist, wo war ich überhaupt? Nicht weit vom MI9 entfernt, wurde mir klar.

Ich riss die Tür der engen Kajüte auf und sah, wie mein Bruder das kleine Boot lenkte. »Logan Swan!«, rief ich aufgebracht und verschränkte meine Arme vor der Brust.

»Das MI9 hat dich für unfähig erklärt, nachdem du freiwillig mit Jayden Bourne abgehauen bist. Darf ich dich an deine Mission erinnern? Der Secret Service übernimmt ab jetzt und du, meine liebste Schwester, darfst dich in einem Umkreis von 20 Meter nicht in der Nähe des HQ in Venezia aufhalten.«, informierte er mich und die Silhouette von Venedig kroch am Horizont empor.

Schluckend hielt ich mich an der Reling fest und blieb stumm, während das Boot über das raue Meer preschte. Die Sonne stand hoch am Himmel und ich fragte mich, wie lange ich bewusstlos gewesen war.

»Will das MI9 eine schlechte Version von ›The Touristnachahmen?«

»Vielleicht.« Logan zuckte mit seinen Schultern und fuhr sich durch die blonden Haare.

»Du weißt, wie der Film ausgeht?«

»Nö.«

Ich drückte mir meine Hand auf meinen Mund, um mein Lachen etwas einzudämmen. »Das solltest du dringend nachholen und auch sonst sprich nicht über die Dinge, von denen du keine Ahnung hast.«

Logan lenkte das nun langsam werdende Boot geschickt in den Canal Grande und fing unverzüglich mit einer seiner bekannten Stadtführungen an: »Der Canal Grande ist die Hauptwasserstraße in Venedig. Er ist knapp vier Kilometer lang, hat eine Breite zwischen 30 und 70 Meter und kann bis zu fünf Meter tief sein. Die erste Biegung des s-förmigen Kanals wird als Volta di Canal bezeichnet.«

»Außerdem zeichnet sich er sich durch seine Paläste aus der Renaissance und Gotik aus.«, fügte Logan hinzu.

»Ich weiß, ich weiß. Ich habe doch für eine meiner Missionen hier gelebt.«, warf ich schnell ein, ehe er erneut ansetzte, mich zu belehren.

Es war nichts anderes als eine Belehrung. Logan machte das in jeder neuen Stadt oder auch jedem neuen Land, um der Rest der Familie klar zu machen: ›schaut, wie gut ich mich informiert habe und ihr nicht‹.

»In 10 Metern steigen wir in eine Gondel. Ich würde ja sagen, pack deine wichtigsten Sachen ein, aber du hast ja gar nicht dabei.« Er strafte mich mit einem Blick, der sein gefälschtes Mitleid ausstrahlte und ließ dabei das Boot ohne Antrieb durch das Wasser gleiten.

»Spar dir deine böse Zunge, Logan!«, zischte ich und sprang von dem Boot in die wartende Gondel.

»Buongiorno!«, begrüßte ich den Gondoliere und machte es mir gemütlich. »Come sta?« Wie geht es Ihnen?

»Bene, Grazie!«, erwiderte der Gondoliere und bewahrte meinen Bruder davor, in den Kanal zu stürzen.

»Spar es dir!« Logan hielt mich ab etwas zu seinem beinah misslungenen Wechsel vom Boot zu der Gondel zu sagen. »Überleg dir die nächsten Tage ganz genau, was du sagst und tust. Das MI9 ist schlecht auf dich zu sprechen.«

»Sie haben Jayden Bourne in ihren Fittichen. Was wollen Sie noch? Meine Mission ist hiermit erfüllt.« Das war sie noch nicht. Das wusste ich selbst. Meine Nicht-Erfüllung der Mission würde noch unangenehme Konsequenzen mit sich ziehen.

Da Logan wusste, dass ich wusste, dass es damit noch nicht zu Ende war, hielt dieser seinen Mund und schweigsam ließen wir uns durch die Straßen Venedigs lenken. Die Gondel hielt vor einem teuren Hotel und Logan sperrte mich für den restlichen Tag in einem der Zimmer ein.

Was ihm und dem MI9 anscheinen nicht bewusst war, das dies die beste Möglichkeit war, einen Plan auszuarbeiten, wie ich Jayden unbeschadet aus der entstandenen Situation befreien konnte. Ich benötigte dafür jedoch einige Daten, an die ich hier nicht herankommen würde. So ein Mist!

Allerdings hatte Jayden an dem Tag, an dem ich sein Handy gestohlen hatte, eine bestimmte Nummer mehrmals in seiner Anrufliste stehen und diese hatte sich mein ohne Pause arbeitendes Gedächtnis eingeprägt – bis auf die letzte Ziffer.

Tief atmete ich durch und setzte mich auf die Bettkante neben das Schnurtelefon. Ich wählte die Nummer und hielt mir dann den Hörer ans Ohr. Es dauerte lange, ehe auf der anderen Seite der Leitung abgenommen wurde.

»Ja?«, ertönte eine raue Stimme in meinem Ohr.

Oh My ... oh My! »Sam?«, fragte ich sofort, spürte, wie das Adrenalin durch meine Adern pumpte.

»Maya?«, entgegnete die raue Stimme und diesmal war ich mir sicher, ich sprach mit Jaydens zweiter Hand.

»Ich brauche deine Hilfe.«

»Warum sollte ich dir helfen, Verräterin!«

»Weil ich ganz genau weiß, wo das MI9 Jayden hingebracht hat und ihm auf legalem Weg zur Flucht verhelfen kann.«, sagte ich sachlich. »Dafür benötigte ich jedoch Informationen, die nur du mir beschaffen kannst.«

»Ich soll dir vertrauen? Denkst du wirklich, ich bin so dumm und falle auf deine Show rein? Schlimm genug, das Jayden das erste Mal drauf rein gefallen ist.«

»Nein, sollst du nicht. Du sollst darauf vertrauen, dass ich mein Leben gegen Jaydens eintauschen würde, wenn es nötig wäre.« Gut, das war eine weitere Lüge – teilweise. Ich würde mich für Jayden anschießen lassen, jedoch nicht mein Leben riskieren. Schließlich hatte ich keine Motivation, Grundlage einer Neuverfilmung von Julia und Romeo zu sein.

»Du lügst Maya. Niemals würde jemand so egoistisch wie du sein Leben für jemanden anderen lassen.«, stelle Sam ohne Umschweife fest.

Mist! Könnte er mich nicht ein bisschen weniger durchschauen? »Na gut, dann sei dir sicher, ich würde mir einen nicht tödlichen Schuss für ihn einfangen und ihn gerne dreimal küssen.«

Stille folgte und die Luft in dem Zimmer war zum Zerreißen gespannt. »Du willst ihn dreimal küssen?«, fragte Sam skeptisch.

»Genau. Haben wir einen Deal?«

»Wenn du lügst, dann mach dich bereit für jahrelange Verfolgung und einen Qualsamen Tod. Du spielst immerhin mit der Mafia!«

»Süß, du versuchst, mir Angst zu machen. Spoiler: Es wird nicht funktionieren.«, informierte ich ihn und schlug meine Beine übereinander. »Jayden wird in Venedig festgehalten und bevor du hier mit der Mafia aufkreuzt, die ganze Stadt ist voller MI9 Agenten und vielen, vielen weiteren wichtigen Personen, die dich und deine Mafiosen tot sehen wollen.«

»Maya Swan, du bist ein durchtriebenes Biest.«

»Eine Frau mit Köpfchen ist eine geladene Waffe, stets bereit für den tödlichen Abzug.«

Sie und ErWo Geschichten leben. Entdecke jetzt