Im Schatten der Göttin - Teil 3

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Marlena musste sich beherrschen um der fremdartigen Gestalt, die vor ihr stand nicht spontan um den Hals zu fallen. Erst jetzt merkte sie wie angespannt sie gewesen war. Immerhin verließ sich das gesamte Volk der Zwerge auf sie und einen Plan, der auf einem flüchtigen Eindruck während eines geistigen Kontaktes beruhte. Zwar war die Krise noch nicht endgültig ausgestanden aber es bestand nun immerhin eine Möglichkeit weiteres Blutvergießen zu verhindern.
Marantera war aufgrund von Marlenas Antwort zurückgewichen. Sie wirkte fast erschreckt.
"Du kannst mich verstehen? Du...... begreifst?"
Die Worte der vermeintlichen Göttin kamen ihr nur stockend über die Lippen. Offenbar fiel ihr schwer ihre Gedanken und Gefühle in dieser Form auszudrücken. Diese Erkenntnis lief Marlenas Euphorie verfliegen und machte Platz für kühle Überlegung. Zweifellos war die Verbindung diese hergestellt hatten zerbrechlich. Es war sehr wichtig nicht zu viel von Marantera zu verlangen. Auch durfte ihre unbeholfene Art nicht mit Dummheit verwechseln werden. Die Denkweise der Völker von einer Alagaesia mochte dieser Kreatur fremd ein und daher fühlte sie sich unsicher aber man durfte nicht vergessen, dass dieses Wesen schon über eine Zeitspanne existierte die selbst für Angehörige der langlebigen Völker unvorstellbar war.
"Ja, wir können begreifen und dich verstehen." erklärte Marina daher vorsichtig und langsam. "Das gilt für mich," die junge Halbling deutete auf ihre eigene Brust. "Und auch für meine Begleiter Alonvy, Kyra, Svenaja und Atalet."
Während sie die anderen Mitglieder ihrer Reisegruppe vorstellte deutete Marlena jeweils auf dem Freund, dessen Namen sie gerade aussprach und vergewisserte sich jeweils, dass Marantera den Richtigen ansah. "Wir wollen wir nichts Böses tun und dich auch nicht verletzen aber wir müssen mit dir reden."
"Allerdings!" Atalet machte einen energischen Schritt auf Marantera und Marlena zu. "Auch wenn du zurzeit außerhalb der Gruppe unserer heiligen Götter stehst so ist es doch eine Ehre mit dir zu sprechen. Seit Jahren studiere ich die Schriften. Ich habe so viele Fragen...."
Beunruhigt erkannte Marlena wie Marantera einen verunsicherten Schritt rückwärts machte. Die Worte schossen nur so aus dem Mund von Atalet und der Zwerge schien offenbar nicht zu erkennen, dass er sich auf sehr dünnes Eis begab. Eiligst vollführte die junge Halbling eine beruhigende Geste in Marantera Richtung und trat dann auf Atalet zu.
"Atalet bitte....."
"Ihr versteht das nicht Silberhand." unterbrach der Zwerg voller Euphorie. " Wie eure Mutter glaubt ihr nicht an unsere Götter. Ihr seid höflicher und verbergt es besser aber seht ihr denn nicht was das für eine Gelegenheit ist? Mit jemandem zu sprechen der Helzvog kennt und vielleicht sogar Zeuge davon war wie unser Volk geschaffen wurde. Es gibt so vieles, was ich an die Gläubigen meines Volkes weitergeben kann. Es......"
Marlena ging mit dem aufgeregten Zwerg auf Augenhöhe und legte ihm die Hände auf die Schultern.
"Ich muss eurem Glauben nicht teilen um zu begreifen wie viel euch das bedeuten muss aber seht ihr nicht, dass ihr Marantera überfordert? Göttin eures Volkes oder Besucherinnen von den Sternen aus der Unendlichkeit des Himmels unsere Aufgabe ist es vor allem den Konflikt zu lösen, der zwischen eurem Volk und diese Wesen besteht. Habt ihr das schon vergessen?"
Atalet schwieg einen Moment und griff sich dann an die Stirn. Es schien fast als würde er aus einem aufregenden Traum erwachen.
"Ihr habt natürlich recht Silberhand. Entschuldigt bitte. Es ist mit mir durchgegangen. Es wird wohl das beste sein wenn ich euch zunächst einmal das reden überlasse. Ihr seid schließlich diejenige die den Kontakt hergestellt hat."
Marlena nickte zufrieden, erhob sich und trat wieder auf Marantera zu. Dieser hatte das Gespräch zwischen dem Zwerg und der jungen Halbling interessiert verfolgt.
"Ihr seid so anders." stellte sie fest und berührte dann mit ihrer eigenen Hand ihre Lippen. "Das ist so seltsam. Ist das euer Weg euch zu verstehen?"
Marlena musste einen Augenblick nachdenken um zu begreifen was das Wesen meinte.
"Ja, miteinander zu sprechen ist für uns eine der gebräuchlichsten Arten einander zu verstehen. Wie versteht ihr euch? Müsst ihr nicht miteinander sprechen? Es gibt doch andere wie dich oder?"
"Ja. Es gibt andere wie mich. Aber wir sind anders. Wir müssen nicht sprechen. Wir wissen einfach."
"Wie viele gibt es denn, die so sind wie du?" auch mit Marlena ging nun die Neugier durch. Atalet hatte schon recht dies war eine einmalige Gelegenheit und wenn in der gegenwärtigen Krise eine Lösung gefunden werden sollte musste man schließlich lernen Marantera zu verstehen um zu begreifen welche Bedürfnisse sie hatte.
"Wie..... viele?" Marantera lächelte. Gerade dieses Lächeln verdeutlichte der jungen Reiterin, dass sie es trotz der unbeholfenen Art des Wesens nicht mit einem Kind zu tun hatte. Denn gerade dieses Lächeln offenbarte viel Erfahrung. "Einen oder viele. Daheim..... war ich der Ozean und der Ozean ich. Ich wurde zum Tropfen. Ich...... wollte sehen...... mehr sehen."
"Du wurde zum Tropfen weil Du neugierig warst." Marlena glaubte zu verstehen was das Wesen meinte und bemühte sich Worte zu wählen, die auch Marantera benutzt hatte. "Jetzt möchtest du nachhause zurückkehren und der Tropfen soll wieder zum Ozean werden."
"Ja!..... Heim! Ich war so lange fort! Du verstehst wirklich!"
Zunächst hatte Marantera freudig erregt geklungen. Sie schien es aufregend zu finden, mit anderen Wesen zu sprechen. Plötzlich jedoch verdüstert sie sich ihr Gesicht. Sie ließ sich vor dem schlagenden Herzen zu Boden sinken und kauerte sich zusammen. Sie schlang ihre Arme um ihre eingewickelten Knie und wirkte plötzlich völlig verloren.
Vorsichtig trat Marlena näher und setzte sich neben sie.
"Was hast du? Habe ich etwas falsches gesagt?"
"Nein! Du verstehst. Ich verstehe. Ich kann nicht Heim!"
"Warum nicht?" Marlena bemühte sich weiterhin sanft zu klingen aber in ihrem Inneren tobt ein Orkan. Sie wusste, dass das Gespräch nun an einem kritischen Punkt war.
"Heim.... ist..... weit." wieder kamen die Worte nur sehr stockend über Maranteras Lipppen. Die junge Halbling folgerte daraus, dass es sich um einen komplizierten Sachverhalt handelte der sich nicht leicht in Worte fassen ließ. "Um.....Heim.... brauche Kraft..... als ich hierher kam dachte ich, dass hier niemand ist der versteht. Ihr seid so anders. Ich habe nicht erkannt..... ich habe Fehler gemacht. Dann..... Hitze...... Dunkelheit...... allein....... tiefer Schlaf....... erwachen...... mehr Fehler!"
Es schien Marantera fast körperliche Schmerzen zu bereiten diese Worte auszusprechen. Plötzlich zupfte Alonvy an Marlenas Geist.
- "Ich denke, dass sie deshalb so gequält wirkt weil sie so viel gleichzeitig ausdrücken will. Im Grunde spricht sie auf eine ähnliche Weise wie wir Drachen. Gefühle, Bilder! Gerade wenn unsere Gefühle heiß auflodern ist es auch für uns schwer Worte zu benutzen. Weißt du noch als ich mich damals während unserer Ausbildung verletzt hatte?"
Marlena wusste in der Tat sofort worauf ihre Drachendame anspielte. In ihrer Jugend war Alonvy eine der besten Fliegerinnen ihres Alters gewesen. Eine andere Drachendame hatte sie damals herausgefordert ihr können unter Beweis zu stellen und zwar mit einem komplizierten Flugmanöver. Ein halber Luping gefolgt von einer kehre um die eigene Achse und anschließendem Sturzflug. Saphira hatte in ihrer Eigenschaft als Lehrerin eingegriffen und die beiden jungen Drachendamen verboten diesen Streit fortzusetzen. Sie seien beide noch zu jung für ein so komplexes Flugmanöver. Alonvy hatte die Warnung in den Wind geschlagen, sich an dem Manöver versucht und sich dabei verletzt. Obwohl sie Schmerzen hatte wollte die weiße Drachendame nicht, dass Marlena sich ihr näherte und ihre Wunden versorgte. Eragon hatte seiner Tochter schließlich geraten geduldig zu sein und ihr erzählt, dass er mit seiner Saphira auf dem Monolit der Tränen einmal etwas ganz Ähnliches erlebt hatte.
- "Ich war damals so beschämt und wütend, dass ich dich nicht an sich heranlassen wollte kleine Halbling." - erläuterte Alonvy. - "In so einer Situation sind Worte einfach unzureichend um die Gesamtheit dessen auszudrücken was man empfindet. Wir Drachen wollen dann für uns allein sein. Ihr Zweibeiner macht in solchen Situation meistens die größten Dummheiten. Nicht unbedingt eine bessere Lösung um damit fertig zu werden." -
Marlena unterdrückte ein schmunzeln ob dieser Kritik und wandte sich wieder an Marantera. Diese hatte mit ihren bruchstückhaften Worten im Grunde bestätigt was die Drachenreiter und Zwerge bereits vermutete. Das fremde Wesen war auf diese Welt gekommen und hatte die Zwerge angegriffen weil sie diese nicht für intelligente Lebewesen hielt. Werde Kraft gesammelt für ihre Rückkehr. Dieser Versuch war aber durch das was Marantera "Hitze" und"Dunkelheit" nannte unterbrochen worden. Vermutlich ein Vulkanausbruch der das fremde Wesen verschüttet hatte. Über Jahrhunderte hatte es geruht und war von Borien und seinen Anhängern erweckt worden. Natürlich hatte sie ihre Suche nach Kraft fortgesetzt und sich erneut gegen die Zwerge gewandt ohne zu wissen, dass sie damit Krieg gegen intelligente Wesen führte.
"Du meinst, dass es für dich nicht akzeptabel ist Kraft zu nehmen von Wesen sie verstehen können oder?"
"Ja.... außerdem....." wieder schien das Wesen nach den richtigen Worten zu suchen und deutete dann auf die Panflöte die Marlena immer noch in Händen hielt. "Eure Welt ist so anders. Sie ist..... nicht weniger als ich oder mein Heim.... ich passe nicht"
Erneut unterstrich Marantera ihre Worte mit einer etwas unbeholfen wirkenden Geste. Marlena jedoch begriff was sie meinte. Erneut bemühte sich die junge Halblingworte zu wählen ihr Verständnis ausdrückten.
"Ich habe die durch mein Spiel gezeigt, dass wir zwar kein Ozean sind aber das Leben auf dieser Welt dennoch verbunden ist. Du befürchtest, dass selbst wenn du nur Kraft von Wesen nimmst, die nicht verstehen würden diese Verbindungen zerstört werden richtig?"
"Du verstehst." erwiderte Marantera und tiefe Verzweiflung begleitete ihre Worte. "Nie..... Heim."
"Vielleicht doch." widersprach Marlena. "Ich glaube wir können dir helfen."

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt