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Ich verbrachte noch das gesamte Wochenende mit Lia – mit Ausnahme meiner Schicht am Samstag, während der meine beste Freundin bei ihren Eltern im Restaurant aushalf.

Trotz dieser kleinen Unterbrechungen war die gemeinsame Zeit mit Lia wie Balsam für meine aufgewühlte Seele und ich bildete mir ein, dass es meiner besten Freundin nicht anders ging.

Wir sahen uns nicht mehr sonderlich oft, weshalb wir es umso mehr zu schätzen wussten, einfach auf meinem Bett zu liegen und über die unterschiedlichsten Themen zu quatschen.

Besonders Lia hatte den ganzen Frust der letzten Wochen von sich abfallen lassen können und wirkte viel entspannter und ausgeglichener als bei ihrer Ankunft hier in Los Angeles.

Mein persönliches Highlight unseres Wochenendes kam aber Sonntagmittag, dem Tag vor Lias Abreise. Nach langer Bearbeitung und gutem Zureden hatte sie davon überzeugen können, dass ein Selbstverteidigungsgrundkurs, der von Kun und mir geleitet werden würde, keine verkehrte Sache für eine junge und attraktive Frau wie sie war und im Anbetracht der vergangenen Ereignisse eine noch höhere Priorität erhalten sollte als sowieso schon.

Aus diesem Grund standen wir kurz nach zwölf Uhr vor den Türen des Boxstudios und betrachteten das unscheinbare Gebäude zuerst von außen.

Als ich im Inbegriff war, durch die Eingangstür das Innere dieses für mich heiligen Ortes zu betreten, hörte ich Lias Stimme hinter mir und hielt in meiner Bewegung inne.

»Also Kasey, wenn ich das jetzt mal so aus der Nähe betrachte, dann ist das Ganze vielleicht doch nichts für mich«, sagte sie und war kurz davor, wieder umzudrehen und ihren kostenlosen Kurs sausen zu lassen.

Ich hinderte sie jedoch an ihrer Flucht, indem ich ihr  meinen linken Arm um die Schulter legte und sie bestimmt ins Innere des Studios führte.

»Das glaub ich nicht. Du kennst doch Kun, das wird sicher witzig«, gab ich mir nicht einmal Mühe, sie zu überzeugen ich und schob sie weiter vor mir her. Dass sie dabei die Fersen tief im Boden versenkte und somit ihre Abneigung gegen unser Vorhaben kundtat, ignorierte ich gekonnt.

Was darauf folgte, war für mich eine Erfahrung irgendwo zwischen Lachen und Weinen mit keiner Tendenz zu einem der beiden Dinge. Meine beste Freundin war nicht unbedingt der sportlichste Mensch, den die Welt je gesehen hatte, aber dass sie so unsportlich war, hatte ich auch nicht gedacht.

Nach zehn Minuten auf dem Laufband vermittelte sie bereits den Eindruck, einen Marathon mitgelaufen und ihn nur haarscharf überlebt zu haben.

»Ach komm schon, beim Sex muss man doch auch gute Kondition haben«, amüsierte ich mich über ihr Schnaufen und lehnte mich dabei betont lässig an das Vorderteil des Laufbands.

»Das... ist etwas... vollkommen anders«, stieß sie zwischen ihren kräftigen Atemzügen hervor. »Das hat was mit Leidenschaft zu tun, verstehst du?«

»Aber das hier doch auch«, erwiderte ich grinsend und reichte ihr ein Handtuch.

»Für dich vielleicht«, ächzte sie und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich würde das hier die Vorstufe zur Hölle nennen.«

»Jetzt übertreibst du aber«, lachte ich und entdeckte Kun, der uns gut gelaunt entgegenkam. Wenigstens einer meiner beiden Freunde war motiviert und zuversichtlich und wirkte nicht wie ein depressiver Kloß, der sich mit einem Eiscremebecher auf die Couch wünschte.

»Na hallo, ihr beiden Hübschen«, begrüßte und umarmte er uns gleichzeitig und wischte sich sogleich Lias Schweiß vom Arm. »Wie geht es dir, Lia? Lange nicht gesehen.«

»Also im Moment? Ziemlich beschissen«, entgegnete sie und rang sich zu einem falschen Lächeln durch.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt