Kapitel 12 - Firenze

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Nach einem wunderschönen Nachmittag am See mit Victoire und ohne James, der noch Hausaufgaben machen musste, geht es am nächsten Dienstagmorgen in nun unserer dritten Schulwoche wieder mit dem Schulalltag weiter. James scheint leicht müde und genervt zu sein, vermutlich weil er gestern noch lange für die Schule gearbeitet hat. Meine Laune verschlechtert das aber kein bisschen und James meint ich sei viel zu gut drauf für das langweiligste Fach der Welt: Geschichte der Zauberei, welches von Professor Binns, einem Geist, unterrichtet wird. Zumindest vertragen wir beide uns jetzt nochmal besser, es ist vieelicht noch nicht ganz wie zu Schulbeginn, aber ich habe versucht mich an Victoire und Dumbledore oder an die Vision von ihm zu halten und seitdem läuft es nochmal besser mit James. Ich höre Binns die ganze Zeit nur am Rande zu und bin in Gedanken noch bei Victoire und freue mich innerlich schon auf den Nachmittag, den wir wieder zusammen am See verbringen wollen. Doch dann reißt uns plötzlich ein lauter und verängstigter Schrei aus unseren Tagträumen.
"Was war das? ", fragt James in die Runde, doch weder ich noch die anderen in der Klasse wissen, was der Schrei zu bedeuten hat oder wo er herkam. Das ist das erste Mal, dass ich mitbekomme, dass Professor Binns sein Geleier unterbricht und dass ich ihn, zumindest kurz, total wach erlebe.
"Beruhigen Sie sich, beruhigen Sie sich... Es wird sich bestimmt jemand um die Kleine kümmern, es muss ja nicht direkt etwas passiert sein.", sagt Binns beschwichtigend.
"Ich glaube nicht, dass das eine Kleine war", entgegnet daraufhin James "das klang eher wie die Stimme von Professor McGonagall, finden Sie nicht?" Als Binns darauf nur mit einem vedutzten Blick reagiert und anschließend mit seinem leiernden Reden fortfährt, wendet sich James an mich und wir sind uns einig, dass der Schrei von McGonagall kam.
"Ted, da muss richtig was passiert sein, wenn die McGonagall so rumschreit. Die bringt doch normal Nichts so leicht aus der Fassung."
"Nein, eher sie uns",entgegne ich, "Ja, gut aber was sollen wir den unternehmen?" frage ich ihn. "Unserem Hause alle Ehre machen" erwidert daraufhin James und als ich das bloß mit unverständigem, leicht verwirrten Gesicht quittiere, fährt er fort: "Mut, Teddy, Mut. Haus Gryffindor - die Mutigen, weißt du noch?!", erklärt mir James energisch. Jetzt begreife ich, was James vorhat: "Der Unterricht ist doch gleich vorbei.."
"Und damit vielleicht unsere Chance zu helfen, verdammt Teddy, komm schon."
Ich blicke zu Binns, der wie immer irgend einen unbestimmten Punkt mit seinen müden Augen fixiert, dann rüber zu James, sehe seine Spannung und muss grinsen und willige ein.
"Bin dabei, nur wir müssen vorsichtig sein." "Klar" zwinkert mir James zu, sichtlich erfreut. Als wir uns unbeschadet aus dem Klassenraum gestohlen haben, nicht ohne dabei bewunderte Blicke zu kassieren, bleibt die Schwierigkeit, zu verorten, von wo der Schrei kam.
Ich sehe mir die Gänge an und plötzlich habe ich eine Art Ahnung. "Da gehts lang, James", sage ich "siehst du die offene Tür da drüben?" "Ja, ich sehe sie, Teddy - genial! Von der Richtung kam es."
Gespannt gehen wir auf die Tür zu und ahnen nicht, dass unsere Freude komplett fehl am Platz ist, denn das was wir sehen, als wir in den Raum eintreten, ist wohl das Schrecklichste, dass man sich nur vorstellen kann. An einer Wand des Klassenzimmers hängt mit einer Art Pfeilen durchbohrt der Zentaur und Hogwarts-Wahrsagelehrer Firenze.
Und gleich daneben: "Eine vergleichbare Tat habe ich das letze mal erlebt, als Sie in der 2. Klasse waren, Neville. Ich denke, Sie wissen, was ich meine." woraufhin Neville nickt und sich dann kopfschüttelnd rumdreht. "Was ist denn das?! Was habt ihr den hier zu suchen?" fragt Neville schockiert. "Ich sagte doch, die Tür verriegeln, Longbottom - Sie Dummkopf! Wir gehen sofort hier raus.", die Direktorin versucht sich vor dem toten Firenze aufzubauen, sodass wir ihn nicht sehen können und schiebt uns heraus. "Mr Longbottom, Sie tun, was wir abgesprochen haben" sagt McGonagall zu Mr Longbottom gewandt und wendet sich dann uns zu:"Das war Professor Longbottom, ihr Lehrer für Kräuterkunde",sagt Professor McGonagall standesgemäß, wohl auch um alles zu sortieren. "Er war die ersten Schulwochen, nunja... verhindert. Sie beide, folgen mir in mein Büro. Abermals."
James und ich trauen uns wieder nicht, uns gegenseitig überhaupt anzugucken und doch ist es ein ganz anderes Gefühl als beim letzten Mal. Vor einer Woche waren das übliche Zänkereien mit vorlauten, frechen Mitschülern, aber das ist etwas ganz anderes. In Gedanken daran welche Bestie so etwas anrichten kann und aus welchem Grund, gelangen wir unglaublich schnell an den Wasserspeier, der den Eingang zum Direktorenbüro kennzeichnet und welcher ein Portal öffnet, nachdem McGonagall das Losungswort :"Zitronensorbee" genannt hat. Ich frage mich, was uns gleich erwartet und zunächst ist es exakt Nichts. Im Büro angekommen schaut McGonagall ersteinmal aus dem Fenster raus, scheinbar mit sich am Ringen, was sie zu uns sagen soll. Gerade als James zu einer Entschuldigung ansetzen will, würgt sie ihn ab und beginnt :"Ich weiß nicht, warum es immer Sie beide sind, aber das spielt hier überhaupt keine Rolle. Seien Sie bitte ehrlich, was haben Sie gesehen? Auch auf den Gängen.", keiner von uns beiden will das erste Wort ergreifen, sodass McGonagall nochmal das Zepter übernimmt:"So wie ich Sie beide bisher kennengelernt habe, war es sicherlich Ihre Idee, die Unterrichtsstunde vor dem Ende zu verlassen, oder nicht, Mr Potter", daraufhin nickt James kurz und beschämt. "Warum wollen Sie dann nicht einmal erzählen, was Sie gesehen haben, auf dem Weg in das Zimmer und vor Ort. Bitte." James schaut kurz zu mir rüber und fängt dann leise an zu reden :"Wir haben uns nichts dabei gedacht, Professor, bitte bestrafen Sie nicht meinetwegen auch noch Teddy oder das ganze Ha.."
Doch weiter kommt er nicht, denn Professor McGonagall schreit dazwischen, sodass wir beide zusammenzucken: "HABE ICH NICHT GESAGT, SIE SOLLEN MIR ERZÄHLEN, WAS SIE GESEHEN HABEN?! ES IST MIR EGAL, WARUM SIE DAS GETAN HABEN ODER WAS IN IHREM ERBSENHIRN SIE DAZU BEWOGEN HAT, SAGEN SIE MIR EINFACH WAS AUF DEN Gängen vor sich ging." bei den letzten Worten erlingt sie wieder ihre Fassung, so habe ich die Professorin noch nie erlebt und James ist jetzt umso mehr um eine schnelle Antwort bemüht :"Gar nichts, Professor, ich schwöre es. Da war niemand und auch sonst nichts Auffälliges, wir wollten nur helfen, weil wir Ihren Schrei gehört haben." "Helfen, achso. Als unausgebildete Erstklässler, die sich in der dritten Woche ihrer Schulausbildung befinden, wollten sie also zwei erwachsenen, ausgebildeten Zauberern Hilfestellung geben. Interessant!" "Es stimmt aber wirklich" grätsche ich dazwischen, bemüht James zur Seite zu stehen, da er ja auch die Wahrheit sagt :"Professor, wir hatten Langeweile bei Professor Binns und dachten nicht, dass wir auf sowas stoßen.." an dem Punkt stocke ich ab. "Professor", sagt nun James an die Direktorin gewandt, "Wer würde so etwas tun?" James trifft damit den Kern und Professor McGonagall schüttelt nur den Kopf, immer noch fassungslos. "Ich weiß es nicht", nachdem sie kurz eine Pause setzt, richtet Sie das Wort jetzt wieder direkt an uns und ich merke wie ernst ihr die ganze Sache ist und wie nah es ihr geht :"Sie beiden haben nun eine Pflicht. Egal, was passiert, egal wie oft sie auf den heutigen Tag angesprochen werden, Sie sind dazu verpflichtet zu schweigen und nicht mit der Wahrheit rauszurücken, auch nicht nur ein kleines bisschen. Dies ist eine Verantwortung, die sie gegenüber Ihren Mitschülern und gegenüber dem Wohl der ganzen Schule tragen... ", sie setzt kurz eine Pause, "... habe ich Ihrer beider Wort, dass wir die Geschehnisse des heutigen Tages in Stillschweigen hüllen?" fragt McGonagall uns mit steinernen Augen. Wir beide nicken. "Ihr Wort! " erinnert uns McGonagall mit scharfer Stimme. "Ja, Professor" sage nun ich und kurz darauf James. "Gut" erwidert die Direktorin und etwas Spannung fällt von ihr ab. Sie sagt eine Weile lang nichts und ich gucke zu James und wir beide trauen uns nicht, dass Wort zu ergreifen, allerdings sagt McGonagall auch nichts. Bis:"Sie beide werden diese Woche zu Hagrid gehen!" Dieser Satz kommt wie aus dem Nichts aus dem Mund der Direktorin. "Wie bitte, Professor", frage ich verdutzt. "Sie werden zu Hagrid gehen und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Ich kannte Ihrer beider Eltern sehr gut, als Schüler wie als Menschen und scheinbar sind Sie beide hier ganz und gar aus dem selben Holz geschnitzt, wie Sie beiden. Und ich weiß, noch nicht einmal, ob das gut oder schlecht ist. Jedenfalls - ihre Väter und ihr Großvater auch", sagt sie zu James gewandt "hatten auch die seltene Angewohnheit zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Sie werden dieses Thema nicht so schnell vergessen, was ich Ihnen nicht verdenken kann. Deswegen bitte ich Sie beide um Ihre Mithilfe, welche gleichzeitig Ihre Strafe für das Schwänzen des Unterricht miteinschließt. Gehen Sie übermorgen Nachmittag zu Hagrids Hütte am Rande des Verbotenen Waldes. Sie werden dort ein paar Aufgaben erledigen, die mit der schrecklichen Tat an Firenze zu tun haben. Folgen Sie den Anweisungen Hagrids und erzählen Sie keinem von dem heutigen Schrecknis, ist das klar?"
Da wir beide das Gefühl haben gut weggekommen zu sein, stimmen wir zu und sind entlassen.
"Mit Hagrid am Verbotenen Wald, das ist ja mal der absolute Wahnsinn, Teddy, das wird unser erstes großes Abenteuer." sagt James als wir in Richtung Große Halle zum Mittagessen laufen. "Abenteuer? Das nennst du Abenteuer?! Hast du vergessen, was noch heute morgen passiert ist? Manchmal verstehe ich dich nicht" ich kann es nicht fassen, dass James das hier positiv sieht. "Du hast ja Recht, Ted, es ist nur, ich wollte sowieso schonmal zu Hagrid und ich kannte Firenze ja nicht, aber du hast total recht - wie kann man jemandem nur so etwas an tun und wieso gerade Firenze?" "Ich bin mir nicht sicher, aber zu dem, was du vorhin McGonagall gefragt hast, wer so etwas tun würde, wüsste ich eine Antwort und ich könnte mir auch vorstellen, wieso dieser jemand gerade Firenze aus dem Weg haben wollte. Dieser jemand an den ich denke, hat mir gegenüber nämlich schon komische Sachen erzählt, von wegen besondere Zauberer und Zauberwesen. Ich glaube dieser jemand hätte nichts gegen die Guten, Alten Zeiten."
"Okay, ich check gerade gar nichts. Ted, jetzt sag schon! Wen meinst du denn jetzt?!"
Wir kommen in der Großen Halle an und ich zeige James den Lehrer, der ganz rechts am Lehrertisch sitzt. James versteht, wen ich meine, nickt langsam und sagt nur leise vor sich hin:"Professor Sinclair... " Sinclair scheint meinen Blick zu erwidern und grinst, wenn ich mich nicht täusche, sogar hämisch zu mir rüber, als würde er genau wissen, was gerade in mir vor sich geht und seine giftgrünen, böse funkelnden Augen bestätigen nur meinen Verdacht, dass dieser Mensch zu solch einer Tat bereit wäre...
Ich suche den Gryffindor-Tisch nach Victoire ab, sehe sie neben Liam Fortneck sitzen und ihre Augen treffen die Meinen. Sie winkt fröhlich lächelnd zu mir rüber und ich winke zurück. Schon jetzt weiß ich, dass die Aufgabe, die uns Professor McGonagall gestellt hat, nämlich niemandem von Firenze zu erzählen, eine unglaublich heftige ist, viel schwerer noch als Zaubertränke und Geschichte der Zauberei zusammen...

Ted Lupin - Auf der Suche nach sich selbstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt