Post-League-Kapitel: Fassungslosigkeit

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Mari beruhigte sich langsam und atmete tief ein. "Ein Rebell warst du schon immer. Mit oder ohne dem Ding auf deinem Arm.", "Ist das so?" fragte Jayden. "Jep. Wer hat sich denn hier unerlaubt auf irgendwelche Boote gemogelt?", "Weiß nicht." Er legte das Kinn auf ihren Kopf. "Keine Ahnung, wovon du redest.", "Jajajaja." Sie konnte nach dieser langen Zeit des Entsetzens wieder ein schmales Lächeln aufweisen. "Das hätte ich an deiner Stelle auch gesagt." Er lachte und drückte sie enger an sich. "Bin ich so vorhersehbar geworden?", "Hmmm... Vielleicht. Ich denke schon.", "Ich hab wohl mehr Zeit damit verbracht mich in Schwierigkeiten zu stürzen, als aufzupassen, was ich von mir gebe", scherzte er. "Tja... Pech gehabt, denke ich." Mari ließ los. "Uhm... ich wollte dich nicht zerdrücken, tut mir Leid.", "Pech gehabt?" wiederholte er grinsend und zog die Arme zurück. "Jep. Denn ich vergesse so was nicht so schnell.", "Du weißt also alles über mich? Na ja... Es gibt Schlimmeres.", "Naja... Nicht alles. Aber viel. Was kann denn noch schlimmer sein?", "Vieles." Er winkelte nachdenklich die Beine an. "Dass du nichts über mich weißt und abhauen würdest, sobald du von meiner Geschichte weißt. Nicht jeder ist so wahnsinnig und bleibt bei mir, wenn er alles weiß.", "Wahnsinn ist mein dritter Vorname.", "Und dein zweiter?", "Stur." Sie zwinkerte. "Mari Stur Wahnsinn Sentaku.", "Wow. Hahaha... das ist lustig. Wenn du irgendwann mal eine eigene Familie hast, will ich mir gar nicht vorstellen, wie lange dann der Name des Kindes sein wird.", "Halt die Klappe.", "Stimmt doch, oder?" Beide lachten und er winkte ab. "Ich kann's mir fast schon vorstellen. Ein Vorname, neun Namen dazwischen und Sentaku am Ende.", "Sei nicht lächerlich!", "Eher realistisch." Er lachte und zwinkerte ihr schelmisch zu. "Ja, na klar." Sie schüttelte den Kopf. "Was genau hast du denn für Vorstellungen?", "Ich dachte, das was ich sage ist lächerlich?", "Das war ja auch lächerlich." Sie stand auf. "Naja... Ich werde bald gehen. Gibt es noch... irgendwas, dass ich für dich tun kann?", "Ich versuche, so kurz wie möglich hierzubleiben", verneinte er, ließ den Kopf hängen und knirschte mit den Zähnen. "Du hast genug getan." Sie nickte. "Okay. Du weißt, dass du jederzeit sagen kannst, wenn du was brauchst?", "Nett von dir", gab er kurz angebunden, aber dankbar zurück, als er aufstand. "Ich bring dich nach draußen.", "Okay." Sie nickte und ging mit ihm mit, dabei rief sie Guardevoir und Lohgock zurück. An der Tür drehte sie sich zu ihm um. "Tut mir Leid, dass ich so einen Ausbruch hatte vorhin...", "Schon vergessen. Von uns beiden hab eher ich den Verstand verloren..." Seine verbundene Hand verschwand dabei schnell in seiner Hosentasche. "Sieh zu, dass du sicher nachhause kommst. Noch bist du mich nicht los, das Blütenfest steht bald an." Sie nickte. "Ja. Und dann heißt es Abschied nehmen... Heh... Du hast jetzt aber einen nassen Fleck auf seinem Shirt.", "Ich warte nur drauf, bis mich jemand von den Nonnen darauf aufmerksam macht." Er lächelte verkniffen. "Pfft..." Sie lachte und strich sich eine Haar strähne zurück. "Auf Wiedersehen, ja?" Sie gab ihm zum Abschied einen Kuss. "Hm..." Als er sie ansah, ebbte sein Lächeln etwas ab. "...Geh schon, bevor ich dich nicht mehr loslassen will.", "Okay, ich mache, dass ich wegkomme." Sie grinste nur. "Panzaeron!" Ihr Flug-Pokémon landete kreischend neben ihr. "Pass auf sie auf." Er trat zurück und blinzelte Panzaeron neckisch an. Panzaeron krächzte und nickte. "Kyaaa!" Mari sprang auf seinen Rücken. "Los!" Mit einem Schrei erhob es sich und schoss gen Himmel. Mit nun verschränkten Armen sah er ihnen nach und schloss dann in sich gekehrt die Augen- Wissend, dass sich hinter seinem Rücken eine Gestalt im Schatten rührte. Mit einem tiefen Seufzer straffte er die Schultern, hob den Kopf, drehte sich dann um und kehrte der Außenwelt den Rücken zu. "Wie lange stehst du schon hier? Irina?" Wortlos löste sich die Nonne von den Schatten und trat dem Jungen entgegen.

Inzwischen war es in Eventura trotz der Kälte lebendig geworden. In dicke Winterkleidung gehüllt jagten sich die Kinder mit zusammengepfropften Schneebällen durch die Straßen. Panzaeron landete im Schnee und sie glitt von seinem Rücken. Sie rief es zurück und ging ins Haus. In ihrem Zimmer schrieb sie Jacky an.

Hi.

Hi! Wie ist es im Kloster?

Grausam.

Was ist passiert? Bist du noch
dort?

Nein. Ich bin wieder zuhause. Wir... haben etwas herausgefunden, was nicht sehr schön ist...

Es folgte keine Antwort mehr. Mari war überrascht, doch ihre Verwirrung verschwand, als sie das Klopfen an ihrer Haustür hörte. Maris Mutter war schneller als sie selbst und öffnete die Tür. "Oh. Hallo, Jacky. Du willst zu Mari, stimmt's?", "Wenn das in Ordnung ist." In Schal, Mantel und Ohrenwärmer gehüllt nickte sie ihr zu. Akari lächelte höflich. "Selbstverständlich. Sie ist oben." Sie trat zur Seite und ließ Jacky ins Haus. Die Blondine murmelte ihr ein eiliges „Danke" zu, bevor sie die Treppen hinaufstieg und vor Maris Tür stehen blieb. "Hallo." Mari sah auf. "Es tut mir leid, dass ich nicht mehr zurückgeschrieben hab... Ich wollte dich sehen und beeilte mich, weil ich dachte, dass es dir hilft, wenn du jemanden zum Reden hast und...", "Schon okay." Mari winkte ab und setzte sich aufs Bett. "Setz dich." Jackys Wangen waren vor Kälte gerötet, als sie ihren Schal abwickelte und Mantel sowie Ohrenschützer ablegte, bevor sie sich zu ihr setzte. "... Nate war ein bösartiges, altes Vipitis", knurrte Mari. "Er hat Jayden entführt und ist dafür verantwortlich, dass er ohne seine Familie aufgewachsen ist", erinnerte sich Jacky. "Das auch." Mari seufzte. "Ich fange einfach mal von vorne an... Jayden erzählte mir, dass es Katakomben unter dem Kloster gibt. Er wollte dort unbedingt hin, aber Irina hatte den einzigen Schlüssel dazu seit dem Nate tot ist. Ich bin mit ihm und Guardevoir also runter teleportiert. In diesen Katakomben waren Runen an den Wänden und es gab einen weiteren Raum. Als wir dort rein gegangen sind.... Nun, es war ein Zeichen von Giratina auf dem Boden und es gab dort Schriftstücke, die von Nate persönlich verfasst worden sind.", "Ein Zeichen von... Giratina?" Jacky neigte besorgt und verwirrt den Kopf zur Seite. "Aber jeder im Kloster ist doch Arceus verschrieben.", "Ich weiß. Das war das erste, was wir nicht verstanden haben... Jayden hat eines der Schriftstücke dort gelesen. Darauf stand, dass..." Sie ballte bei der Erinnerung die Hände zu Fäusten. "Dass?" Alles in Jacky krampfte sich bei der Frage zusammen. Am liebsten hätte sie sie sofort wieder zurückgezogen. "...dass er Jayden umbringen wollte.", "Was?!" Entsetzt sprang die Blondhaarige auf und stolperte beinahe. "A-aber warum würde er das tun??", "Ich... weiß es nicht." Mari schüttelte den Kopf. "Er wusste es die ganze Zeit über... Alles. Das zu erfahren... Du kannst dir vorstellen, was das für ein Gefühl ist.", "Was ist das für ein Gefühl... für dich?", "Wie, als hätte mir jemand ein Messer in die Brust gerammt. Jayden ist komplett ausgerastet. Das sieht ihm gar nicht ähnlich.", "Er muss innerlich gestorben sein." Fassungslos schüttelte Jacky den Kopf und war starr geworden. "All die Jahre... Er hatte nie die ganze Wahrheit erfahren, erst heute..." Mari sah zu Boden. "... Ja... Und das hat mich verdammt noch mal wütend gemacht. Jayden hat ihm nie etwas getan! Er hat gemacht, was Nate wollte. Immer. Bis zum Schluss hing er an ihm. Er hat um Nate geweint. Herauszufinden, dass Nate ihn töten wollte..." Jacky sagte nichts. Ihr Hals war staubtrocken geworden. Fassungslosigkeit, Wut und Hilflosigkeit zerrissen ihr Herz in tausend Stücke. "E-es tut mir leid...", "... Es ist einfach unfair. Wie kann man so herzlos sein? Er hat Jayden belogen, ausgenutzt und... verraten.", "...Ist es dann überhaupt eine gute Entscheidung, zu gehen?", "Was meinst du?", "Ohne dich hätte es Jayden niemals so weit geschafft. Er wollte unbedingt, dass du bei ihm bist, im Kloster... Er braucht dich mehr als seine wahre Familie.", "Er hat mich aus dem Kloster gejagt", sagte Mari. "Ich... wir... sind an der Kammer vorbeigekommen, an dem sie mich gefoltert haben. Und schon da hat er mich angefleht, zu gehen. Ich hab mich geweigert. Aber nachdem wir von da unten gekommen sind...", "Ist es dann eine gute Idee, ihn alleine zu lassen...?", "... Er hat sich wieder beruhigt soweit. Wenn man es... so nennen kann. Er wird das Kloster verlassen." Bedrückt setzte Jacky sich wieder und legte schweigend die Arme um sich. Ihr fehlten vor Fassungslosigkeit einfach die Worte. "..." Auch Mari schwieg und die Stille hing wie drückender Nebel in der Luft.

Saviors of Tomorrow 4 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt