P R O L O G

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"Blood is thicker than water"

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Genervt verschränkte ich meine Arme, während mein ach so großartiger Bruder eine massive Whiskyflasche öffnete. Das typisch markante Grinsen zierte seinen Mund und der Schalk schimmerte in seinen blauen Augen.

„Hast du es dann bald mal?", ungeduldig tippte ich mit meinem linken Fuß auf dem edlen Boden herum. Ich wollte nichts als weg.

„Chill, Diva, ich bin ja dabei. Siehst du nicht, dass ich meine Zeit der Anerkennung brauche?", lallte Mo selbstbewusst, wobei er glad sein Gleichgewicht verlor und seufzend auf dem Untergrund liegen blieb, die Glasflasche neben sich in der rechten Hand haltend.

„Mo! Das einzige, was ich sehe, ist, dass mein Bruder denkt, er sei ein Teppich. Also komm jetzt!", zischte ich. Mir war die gesamte Situation äußerst unangenehm. Denn wir waren auf keiner Party. Wir waren auf der Hochzeit meiner Tante Dia, die endlich ihren Traummann unter die Haube bringen wollte. Und Mo konnte sich nichts Besseres einfallen lassen, als sturzbesoffen auf dem marmornen Fußboden der Kapelle zu kauern und mich mit in die Scheiße zu ziehen.

„Aber ich kann nicht gehen!", klagte er, die Stimme gedämpft, „Ich kann sie nicht verlassen!". Plötzlich weinte er. Ich wusste nicht aus welchem Grund.

Er krümmte sich zusammen und heulte, als würde es keinen Morgen geben. Er umklammerte tapfer den Whisky und schniefte mitleidserregend.
Das durfte nicht wahr sein.
Stöhnend lehnte ich mich hinab, um nach Mos Armen zu greifen. Meine Bemühungen verzeichneten jedoch keinen Erfolg.

„Was ist denn hier los?", dröhnte ein tiefer Bariton durch die stolze Kapelle. Der Pastor. Na großartig. Ganz prima.

„Ähm, es ist nicht so, wie es aussieht", lachte ich nervös, wobei ich die Hand meines Bruders tätschelte. Er hing wie ein Schluck Wasser in der Kurve, heulend und mit hochprozentigem Alkohol zwischen den gierigen Fingern.

„Ich kann sie nicht verlassen! Wir haben eine Zukunft! Sie will einen Sohn! Unser Sohn soll Bob heißen. Bob, der Baumeister. Oder Benjamin. Benjamin Blümchen. Ich kann sie nicht verlassen! Sie ist Jungfrau Maria!", schrie Mo derweilen, die Glubscher weit aufgerissen.

„Ist Ihr Bruder etwa betrunken?", fragte der Pastor streng. Er sah bereits aus wie ein Spielverderber.

„Betrunken? Ach Quatsch, der ist immer so. Der will nur spielen", versicherte ich mit meinem besten Schwiegersohn-Lächeln und tätschelte Mos Kopf.
Der Pastor trat einen Schritt näher. Genau in dem Moment lehnte Mo sich vor - ich betete zu allen Göttern, er möge nicht das tun, was ich befürchtete - und kotzte dem armen Mann auf die Schuhe. Na klar.

Das wärs dann wohl. War schön, gelebt zu haben. Ich musste bei diesem Gedanken unweigerlich grinsen. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn es wurde missinterpretiert.

Und so fand ich meinen Anfang in einem Internat für schwer erziehbare Jugendliche.

K A R M A [bxb]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt