Müde stand ich auf, streckte meine Glieder von mir weg und gähnte einmal ausgiebig. Es regnete in Strömen, hinzu kam ab und zu ein lautes Donnern und ein heller Blitz, doch diesem galt mein Interesse nie. Gewitter und Regen beruhigten mich, ich fand es wunderbar, wenn die Millionen Tropfen Wasser an die Scheiben der Fenster fielen und ein leises Geräusch verursachten, besonders jedoch gefiel mir die Dunkelheit. Schon immer war ich jemand, der die Sonne nicht so gerne hatte und auch, wenn meine Mutter mich meistens zwang mit ihr spazieren zu gehen, damit ich zumindest ein wenig an die frische Luft ging, gefiel mir das schlechte Wetter mehr. Es passte oft zu meiner Laune und allgemein zu meinem Charakter, denn wer mich kannte, der wusste, ich war ruhig und oft in Gedanken versunken. Mit Menschen sprach ich noch nie gerne, lieber schrieb ich mit ihnen und allein das schreckte die meisten von mir ab. Genau aus diesem Grund hatte ich fast ausschließlich Freunde im Internet, mit denen ich nicht reden musste und die mich verstanden. Schüchterne, ängstliche und tolle Personen flüchteten sich ins Internet und ich war eine davon.
Seufzend griff ich nach meinem Handy, welches sich links auf dem Nachttisch befand und betätigte den Knopf auf der rechten Seite, sodass mit das helle Licht des Displays entgegenstrahlte. Unzufrieden stellte ich die Helligkeit etwas runter, um tonlos mit meiner morgendlichen Routine zu beginnen. Jeden Morgen tat ich das gleiche, immer zur selben Zeit. Mein rechter Daumen glitt automatisch auf das grüne WhatsApp Symbol, welches mir durch eine Zahl anzeigte, ich hatte fünf Nachrichten. Drei kamen von meinem Freund, Claus und die anderen beiden stammten von einem meiner längsten und besten Freunde, die ich aus dem Internet kannte, Patrick. Es war bestimmt schon sechs Jahre her, dass ich ihn auf Instagram angeschrieben hatte und bis heute bereute ich diese Entscheidung nicht. Noch nie hatte ich sein Gesicht sehen dürfen, da er sich für sich selbst schämte und sich hässlich fand, doch damit hatte ich nie ein Problem. Um jemandem ein guter Freund zu sein, brauchte man sein Aussehen nicht zu zeigen und das hatte ich ihm ausdrücklich klargemacht. Immerzu redeten wir über alles was uns beschäftigte, seine Stimme klang wunderschön tief und rau in meinen Ohren, jedes Mal, wenn er mich anrief und es gehörte mittlerweile schon zu unserem Alltag. Mit sechzehn hatte er sich in der Schule geoutet, als Homosexuell und seitdem wurde er von so gut wie jedem gemobbt, der ihm über den Weg lief. Er hatte niemanden außer mich und ich bemühte mich so gut ich konnte ihm zu zeigen, dass ich immer für ihn da sein würde. Oft rief er total aufgelöst bei mir an und erzählte, dass er mal wieder verprügelt wurde oder dass seine Eltern ihn anschrien, sich wünschten ihn niemals bekommen zu haben. Jedes Mal versuchte ich ihn aufzumuntern und bot an, er konnte immer gerne zu mir kommen.
Lächelnd schickte ich Claus ein Herzchen Emoji. Er hatte, bevor er zur Uni gegangen war, die Post angenommen und es war ein kleines Päckchen für mich dabei, schlicht in blaues Geschenkpapier eingepackt. Um mir mein Leben zu erleichtern, hatte er es auf den Schreibtisch gestellt und mir ebenso eine Schüssel, Müsli, einen Löffel und Milch daneben platziert. Er kümmerte sich wirklich rührend um mich, versuchte alles dafür zu tun, dass ich nicht allzusehr benachteiligt war und es gab nichts, wofür ich jemandem dankbarer sein konnte, als das. Bei einem Unfall hatte ich meine Beine verloren, sodass ich seitdem im Rollstuhl saß und obwohl ich eigentlich offen mit dieser Behinderung umging, verriet ich im Interent sogut wie niemandem etwas davon. Nicht mal Patrick wusste es, er dachte, mein Leben sei perfekt und ich hätte keine Schwierigkeiten. Mit meinen Problemen wollte ich ihn niemals belasten, das nahm ich mir in dem Moment vor, als ich von seinen schlechten Erfahrungen und dem Mobbing hörte. Er war mir wichtiger, als meine eigenen Probleme es waren.
Als ich den Chat mit dem Hamburger öffnete, verflog mein Lächeln wieder und ich starrte gebannt die beiden Nachrichten an, welche mich unsicher das Päckchen ansehen ließen. Ein Bild hatte der ältere mir zuerst geschickt, auf welchem das Paket zu sehen war und als nächstes schickte er mir eine Textsnachricht, in der stand: die letzte Reise. Er hatte mir dieses Pappkarton geschickt, eingewickelt in Geschenkpapier, welches meine Lieblingsfarbe trug und diese drei Worte beunruhigten mich extrem. Nicht nur einmal hatte er überlegt, ob es eine Lösung wäre sich umzubringen und ich hatte jedes Mal Glück ihn vom Gegenteil überzeugen zu können, doch dieses Mal schien er etwas ohne mein Wissen getan zu haben. Ich war die einzige Person, an die er sich wenden konnte, jede andere verachtete ihn und sollte er mich nicht als den richtigen im schlechten Moment gesehen haben, dann wollte ich nicht wissen, ob er tatsächlich den Mut zum Suizid aufbringen konnte. Er wäre der erste, der den Tod lieber vorzog, als weiter zu leben und egal was alle sagten, ich hatte ihn wirklich lieb gewonnen. Auch wenn ich ihn noch nie im realen Leben getroffen hatte, so fühlte ich mich zu ihm verbunden und der Gedanke seines Ablebens tat im Herzen weh.
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I'm Sick! #Kürbismaske Twoshot
FanfictionEin Mann, welcher seine Beine bei einem Unfall verloren hatte und ein anderer, welcher auf Grund seiner Sexualität gemobbt wurde. Beide kannten sich aus dem Internet, schrieben seit Ewigkeiten miteinander und doch verbarg einer von ihnen ein schreck...