..all because of me..

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„Und du bist tatsächlich nur hier, um die Klamotten zurück zu bringen?", fragt Wil neugierig, nachdem er mit zwei Teetassen ins Wohnzimmer zurückkehrt. „In erster Linie schon, ja.", antworte ich und nehme ihm eine der Tassen ab. Hmhmm. Earl Grey. Sofort steigt mir der süßlich-herbe Geruch in die Nase und ich nehme freudig einen kleinen Schluck von dem heißen Getränk. „Und was ist 'die zweite Linie'?", hakt er nach und setzt seine Frage mit einer Handbewegung in Gänsefüßchen. Ich hadere mit einer Antwort und bringe schließlich den ehrlichen Satz: „Ich wollte mich eben auch noch einmal persönlich bei dir bedanken.", über die Lippen. „Wo ist dann mein Dankeschön?", lacht er und sieht fragend auf meine leeren Hände. Ich hätte wirklich daran denken können, ihm wenigstens eine Tafel Schokolade oder ähnliches mitzubringen.

„Ähh..ja. Du musst dich wohl mit Worten begnügen. Ich hab gar nicht daran gedacht ein Präsent einzupacken, da ich auch gar nicht damit gerechnet hatte, dass du mir die Tür öffnen würdest.", gestehe ich. „Warum hätte ich dich im Regen stehen lassen sollen, Kleines?" - Ich zucke mit den Schultern, weil mir nichts passendes dazu einfällt. „Ich bin sicherlich nicht perfekt und mache Fehler, aber ich bin kein Monster." - Fühlt er sich jetzt etwa beleidigt? Nein. Ich denke nicht. Sonst würde er nicht grinsen.

Der Regen prasselt noch immer gegen die Fensterscheiben und schon jetzt habe ich keine Lust darauf, später wieder mit diesem Wetter in Konfrontation zu treten. „Du könntest bleiben und auf andere Weise deinen Dank ausdrücken." - In meinem Hals bildet sich ein Kloß und ich muss direkt an dem eigentlich noch viel zu heißen Tee schlürfen, um meine Anspannung zu verbergen. „Würdest du dich um Lady Nïn kümmern und ihr das Futter bereitstellen, während ich fix einen Einkauf tätige?", fragt er ruhig und automatisch fühle ich mich schlecht. Ich war der festen Überzeugung er würde sexuelle Gefälligkeiten von mir verlangen und nicht, dass ich auf seine Katze aufpasse. Mein schlechtes Gewissen beißt mich unerbittlich in den Nacken und natürlich sage ich: „Ja." - Wil trinkt also den Rest seines Tees, der mindestens genauso heiß ist wie meiner und ich frage mich wie er das schafft, danach schnappt er sich einen Einkaufskorb und verabschiedet sich für kurze Zeit.

So sitze ich nun also alleine in dem riesigen Haus und starre auf Lady Nïn. „Dein Herrchen ist schon ziemlich komisch, findest du nicht auch?", seufze ich der Miez entgegen und ringe mich dann dazu durch aufzustehen. Ich sorge mich also darum, dass das schwarze Fellknäuel sein Futter bekommt und sehe für einen Moment dem zufrieden schnurrendem Wesen zu, wie es Bröckchen für Bröckchen aus dem Napf verspeist. Danach kehre ich in das Wohnzimmer zurück und mache Halt an dem breiten Bücherregal, in dem sich eine beachtliche Sammlung von verschiedenen literarischen Werken befindet. Von Oscar Wilde bishin zur Biografie von Kurt Cobain ist gefühlt alles dabei.

Fasziniert von der Auswahl begutachte ich einige der Bücher und orientiere mich anhand der Buchrücken durch die Etagen des Regals. Irgendwann bleibe ich mit dem Blick an einem Buch hängen und meine Augen werden groß. Edgar Allan Poe! Vorsichtig nehme ich das Werk in meine Hände und blättere neugierig darin herum. 'Bis Wil wieder da ist kann ich ja auch einfach ein wenig lesen', denke ich mir und verfrachte mich auf die Couch, um meine Nase zwischen den Seiten des Buches zu verstecken und die geschriebenen Worte in mir aufzunehmen.

Völlig versunken zwischen den düsteren Zeilen des Schriftstellers, bemerke ich gar nicht, dass Wil vom Einkauf zurückkehrt. Erst als das große Licht im Wohnzimmer angeht und das schwache Leuchten der Tiffanylampe ablöst, schaue ich vom Buch auf. „Du scheinst dich ja schon ganz wie Zuhause zu fühlen.", bemerkt der Schwarzhaarige, der mit feuchtem Jackett und einem vollen Korb vor mir steht. „T-tut mir leid.", sage ich schnell und klappe sorgsam das Druckwerk zusammen. Dann springe ich aus meiner bequemen Liegeposition auf, um es wieder im Schrank zu verstauen. „Gute Lesewahl.", lächelt Wil und stellt den Korb neben dem Couchtisch ab. „Poe schreibt unglaublich beeindruckend. Seine Werke interessieren mich. Auch sonst habe ich schon länger eine Vorliebe für Literatur.", meine ich verlegen und löse meinen Blick dabei nicht vom Regal. „Und du hast ja wirklich eine hervorragende Auswahl.", lächle ich und schaue Wil nun direkt an.

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