dritter akt.

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Hendery trägt einen roten, langen Filzmantel mit goldenen Knöpfen und schwarzen Stiefeln. Die blutroten Diamanten seiner Krone flimmern im Licht der untergehenden Sonne wie flüssiges Feuer.

Er verschränkt die Hände hinter dem Rücken, während er neben dir über die Brücke spaziert. Du trägst einen karierten japanischen Yukata und eine gelbe Sonnenblume im Haar. Deine mitgereiste Kleidung ist zu winterlich für sein atemberaubendes Sommerschloss, weswegen er zwanzig seiner schönsten Hofdamen zu deiner Einkleidung bestellt hat.

Die Verhandlungen beginnen erst in zwei Tagen, dann, wenn auch die übrigen Botschafter aus Österreich, Russland, Indien und den Fidschi-Inseln angekommen sind. Bis dahin hat hate Hendery sich selbst die Pflicht auferlegt, dir möglichst viele seiner Ländereien zu zeigen.

„Ich habe noch sie so schöne Goldfische gesehen", sagst du, dich in der Mitte der Brücke hinunterbeugend, und strahlst ihn begeistert an. „Ihre Schuppen schimmern schöner, als alles andere."

Hendery kennt etwas, das noch schöner ist.

°•○●

Er ist zu spät. Schon wieder. Du rechnetest nicht vor viertel nach zwei mit ihm und bist trotzdem schon seit eins in Bereitschaft. Um halb drei klingelt es schließlich. Du hast bereits den dritten Kaffee hinter dir. Dein Herz rast. Du bist dir nicht sicher, ob der Junge vor der Tür oder das Koffein in deinem Blut dafür verantwortlich ist.

„Wir hatten drei gesagt", begrüßt du Hendery und versuchst, möglichst gestresst zu wirken. So, als hättest du nicht bereits seit heute Morgen auf ihn gewartet. So, als hättest du heute noch was vor.

Er streicht dir statt einer normalen Begrüßung – einer angemessenen – über den Kopf, vorsichtig über die Haare. Dein Atem bleibt stehen, als er seine Hand einen Moment zu lange in deinem Nacken ruhen lässt.

„Du hast weiche Haare", stellt Hendery fest. Er lacht und wie immer wenn er das tut, vergisst du für einen Augenblick die Welt.

„Du wolltest um zwei kommen", stotterst du dämlich, als er seine Hand schließlich aus deinen Haaren löst.

„Ich weiß." Er schiebt sich an dir vorbei in den Hausflur. „Ich habe uns was zum Essen mitgebracht."

„Schön." Du schließt die Haustür. Nimmst die Plastiktüte, die er dir stolz präsentiert, entgegen und bringst sie in die Küche. „Wirf deine Sachen einfach irgendwo hin."

„Alright, alright." Henderys Herz hüpft ein bisschen schneller, als er deiner Stimme in dein zu Hause folgt. „Ich hoffe, du magst Woknudeln."

„Klar."

„Perfekt." Er grinst begeistert. Folgt dir in ein gemütliches Wohnzimmer. Deine Sachen liegen schon ausgebreitet auf dem Tisch. Dazwischen ein Kaffee und eine leere Tasse, eine Schüssel mit Nüssen und eine mit Gummibärchen – du hast auf ihn gewartet. Henderys Herz wird warm. Du hast so auf ihn gewartet, dass du schon eine Tasse für ihn bereit gestellt hast, als er noch nicht einmal da war. Es ist wunderbar.

Ihr esst bevor ihr mit der Arbeit beginnt, weil Hendery darauf besteht. „Beim Essen, essen wir", sagt er, „wie die Shaolin-Mönche", aber schlussendlich kann er gar nicht audhören mit dir zu reden. Und du nicht mit ihm. Es ist unerwartet einfach, unerwartet schön. So sehr, dass ihr erst gegen kurz nach drei mit dem Arbeiten beginnt und das auch nur, weil deine eiserne Disziplin euch beide dazu zwingt. Hendery sitzt dir seitdem gegenüber und tut wenig. Er hat seine Bücher aufgeschlagen, sein Notebook aufgeklappt und Word geöffnet. Trotzdem ist er nicht produktiv. Du spürst seinen Blick auf dir ruhen, während er abwechselnd Nüsse und Gummibärchen versucht in seinen Mund zu werfen, jedoch jedes Mal scheitert.

Irgendwann reicht es dir. Du kommst nicht voran, kein Stück, und Henderys Gegenwart hilft auch nicht. Du lehnst dich zurück uns stöhnst auf.

„Was ist los?" Er klingt ehrlich besorgt.

„Ich komme nicht weiter. Ich – ich verstehe es einfach nicht." Du fluchst leise und Hendery hat das Gefühl, noch nie etwas Verboteneres in seinem Leben gehört zu haben. Du brauchst ihn nicht zu bitten dir zu helfen. Wenn du so verzweifelt über dein Gesicht fährst, würde er alles für dich tun. Und außerdem, verdammt, dafür ist er doch auch hier.

„Warte, ich komm rum." Ehe du dich versehen kannst, steht Hendery hinter dir, ein Arm über deiner Stuhllehne, eine Hand auf dem Tisch neben deinem alten Laptop. Du spürst die Hitze, die von seinem Körper ausgeht. Sie schwappt auf dich über.

„Okay", sagt er leise und sein Atem streicht dabei durch deine Haare. Sein Geruch verklärt deine Sinne, während Hendery dir Dinge erklärt – alles einfach und simpel und verständlich, selbst für ein Kindergartenkind – die du erst verstehst, als er wieder auf seinem Platz dir gegenüber sitzt. Weit genug entfernt, um dich wieder halbwegs klar denken zu lassen. Und dennoch nah genug, um dich abzulenken. Dir seine Stimme so nah an deinem Ohr zurückzuwünschen. Seinen Körper näher, dichter, intensiver.

Vor zwei Tagen habt ihr offiziell das erste Mal miteinander gesprochen. Er kommt zu spät, er nimmt dich nicht ernst, er ist mehr high als nüchtern, er ist alles, was du verachtest.

Und trotzdem.

Und trotzdem bist du Hendery mit Haut und Haaren verfallen.


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his heroine. wkhWo Geschichten leben. Entdecke jetzt