Die Geschichten der Saturnis

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Die Geschichten der Saturnis

von Konstantin Schemat und Dominica Schemat (2019, Bildquelle s.u.)

Toras Duram sät den Kriegsvirus, ohne es zu wollen. Er gewinnt gegen eine Übermacht und muss dann gegen eine noch grössere Übermacht aufgeben. Er weiss, dass er eine romantische Insel verteidigt, mit tiefen Kastanienwäldern, duftenden mannshohen Macchie, schneebedeckten Bergen und steil ins Meer abfallenden Felsklippen und weiten Sandbuchten. Er weiss dass die singenden Reiterinnen auf ihren Eseln überall Stoff für Geschichten geben. Ihre schwarzen Gewänder, die sie im Stil des Orients fast vollständig verhüllen, die zottelige Eselsart mit dem Grau der Kalkfelsen auf der sie reiten, und bei Mondlicht kann man nur die schwarzen Gewänder sehen, wenn sie wie Geister über die Felsbänder ziehen, aber nicht ihre Esel, die Tiere sind gemacht für die steilsten Wege im Hochgebirge, die sie aber nur mit leichten und gelenkigen Reiterinnen erklimmen können. Niemand wagt es sie anzugreifen, weil sie auch alle wissen, dass sie sich verteidigen können, mit ihren dünnen und elastischen Dolchen mit den Giftrinnen, die sie mit leichtem Wachs verschlossen haben, damit die Wärme der Wunde sie blitzschnell öffnet, um ihr Gift freizugeben. Manche Dolche mit Spitzen, die so fein auslaufen, dass sie brechen können, wie die Seeigelstachel. Ein kleiner Stich, wie von einer Biene, und da liegst du, mit Schaum im Mund, wie ein Ertrinkender in der Wüste, auf dem im Mondlicht leuchtenden Kalksteinweg. Sie nennen sie Mondmädchen. Und nur die bleichesten Töchter können ein Mondmädchen werden, sagen sie. Eigentlich müsste man sie Sonnenaufgangsmädchen nennen, denn sie bringen die Waren ganz frisch, wenn noch der Tau auf den Blättern liegt, am frühen Morgen. Oder sie holen den frischen Käse von den Almen. Aber da sie verhüllt sind, geben sich auch junge Männer für sie aus, und sogar alte verrückte Frauen, die wieder anfangen von ihrer Jugend zu erzählen, steigen auf die zotteligen staubgrauen Esel und reiten durch die Nacht und müssen dann ihren Tieren ganz vertrauen, und die Augen schliessen, wenn es über die ausgesetzen Grate geht. 

Wer ein solches Land verteidigt, der hat alle Sympathien, das wusste auch Toras Duram. Aber erst mal musste er es kennenlernen, weil er ein Fremder war, musste er selbst auf so einen Esel steigen, und sich durch die Nacht tragen lassen. Und als er das das erste Mal tat, da wurde ihm ein Geheimnis offenbart. Denn man lauerte den Mondmädchen doch auf, aber in friedlicher Absicht, bot ihnen eine kleine, hier typische, nach reifen Pfirsich schmeckende Melone an, oder getrocknete Sauerkirschen oder auch Apfelringe, oder auch auf winzigen Feuerchen gekochter frischer Tee, mit den Kräutern und dem Honig der Berge, in der kalten Jahreszeit gab es manchmal auch geröstete Kastanien, die nicht nur den Magen füllten, sondern auch die Hände wieder wärmten. Einige waren zu stolz das anzunehmen. Andere nahmen das gerne mit, besonders die alten Mädchen, die besonders freundlich von den jungen Romeos bewirtet wurden. Toras Duram erwartete Spott und Wut, als er sein Gesicht zeigte, aber die beiden Jungs an ihrem Teefeuerchen prahlten, nur von ihren Mondmädchen Ausritten und von den Prügeln ihrer Väter, als sie erwischt wurden. Da wusste Toras Duram, alle würden dieses Land lieben, und wenn diese Menschen gegen die arrogante Übermacht siegen sollten, dann können sie nie wieder richtig verlieren, auch wenn die Eroberer danach eine noch grössere Übermacht entsenden.  Diese Menschen werden gewinnen, weil ihnen die Geschichte gehört. 

Was Toras Duram aber nicht ahnen konnte, wie gut sein Plan aufging. Selbst die Niederlage nach dem Sieg, war ein noch größerer Sieg, der den ganzen obzönen Millitärappart des Usurpators bloss stellte. Und es gab niemand auf der Welt, keinen Herrscher und keinen Rebellen, der nicht gerne mit Toras Duram dem Befreier und Anführer dieses Volkes ein paar Wochen verbracht hätte, niemand, der nicht versucht hätte, den Helden in seinem Reich anzusiedeln. Er war der beliebstes Mensch dieser Welt und das Volk was ihn adoptiert hatte, war das, zu dem alle anderen aufblickten. Aber leider führte die Glorifizierung des Kampfes dazu, dass der ganze Planet so besoffen war, von Heldengeschichten, dass er nicht spürte, wie er immer weiter hochrüstete, zu dem nächsten gerechten Krieg. Und es gab keinen Unterdrücker, keinen Tyrann, der nicht ohne Anrufung von Toras Duram in den Krieg zog.  

Der Geschichten der SaturnisWhere stories live. Discover now