Kapitel dreizehn | Fahrradfahren verlernt man nicht

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„Scheiße, lass mich nicht los!", schrie ich. Ich muss zugeben, dass es ein wenig hysterisch klang. Aber nur ein bisschen. „Und lass das Fahrrad nicht los!"

„Beruhige dich", lachte Wyatt. „Ich lasse weder dich noch das Fahrrad los."

„Klar", meinte ich sarkastisch. „Is' ja nicht so, dass du das schon dreimal gemacht hast."

„Oh mein Gott, jetzt mach dich mal locker", erwiderte er jetzt doch leicht genervt.

„Ich kann nichts dafür, dass du ein Arschloch bist", gab ich zurück. Wenn ich nervös war, dann konnte ich mich nur schwer kontrollieren. Wyatt war natürlich kein Arschloch, doch das interessierte mich jetzt wirklich nicht. „Pfft, Locker... von wegen."

„Okay, am besten wir machen eine Pause."
Endlich! Hilfe, wer hätte gedacht, dass Fahrradfahren so angsteinflößend ist. Ich hab' das Gefühl jede Sekunde umzufallen. Ich mein's ernst.

„Ich muss zugeben, ich habe mir das ganze irgendwie anders vorgestellt", Wyatt setzte sich auf den Boden. Ich ließ das Fahrrad fallen und setzte mich neben ihm. Ich hoffte es war kaputt. Wirklich.

„Wie hast du's dir denn vorgestellt?", fragte ich und streckte meinen Kopf mit zusammengekniffenen Augen der Sonne entgegen. Ein bisschen Schweiß konnte auch nicht schaden. Mal ganz davon abgesehen, dass Wyatt Badgley gerade zugegeben hat, dass er sich mit mir etwas vorgestellt hat, was bedeutet, dass er an mich gedacht hat. Mein Herz schlug schneller. Was für 'ne Kacke. Alles was er sagte, ließ mich an etwas denken, was darauf hinweisen könnte, dass er mich mag. Also wirklich mag.

„Einfacher", war alles was Wyatt darauf antwortete.

Stille. Die Sonne schien warm auf meine Haut, es kitzelte ein wenig. Ich wusste nicht, was ich auf seine Bemerkung erwidern sollte. Ja, ich weiß, dass ich scheiße bin? Sorry, dass ich es dir schwerer mache? Klang alles beschissen.

Stattdessen blickte ich die Auffahrt runter. Sie war einfach gehalten. Grauer Beton, der von dem großen Tor zur Villa führte. Ein bisschen Gras hier, ein bisschen Baum da. Ich war hier zwar schon gewesen, allerdings hatte ich diesen Teil nur aus dem Inneren eines Autos an mir vorbeiziehen sehen können. Es war schlicht und ich dachte, was ich alles für Kacke da hin packen würde, einfach weil ich das Geld dazu hatte.

„Warum sträubt du dich so gegen das Fahrradfahren?", fragte Wyatt plötzlich nachdenklich. Ich drehte mich fragend zu ihm um, doch seine braunen Augen sah geradeaus in die Ferne. „Ich meine", er zuckte mit den Achseln und die schwere metallene Kette, die an seiner Jeansjacke befestigt war, klimperte, „versteh' mich nicht falsch, aber du hast zugesagt und ich dachte du wolltest es trotzdem irgendwie lernen. Aber jetzt? Jetzt sitzt du hier neben mir und wir haben nicht einen Fortschritt gemacht... Du blockst ab und ich wüsste gerne warum."

„Ähm..." Alles in mir stemmte sich dagegen, dass ich ihm die Wahrheit sagte, aber ich war ein schlechter Lügner. Schlecht ist noch untertrieben. Ich war schlechter als schlecht – vor allem gegenüber Wyatt. Ich könnte komplett falsch liegen, aber ich glaubte, dass sich zwischen uns etwas aufbaute. Sei es Freundschaft oder eher eine Lerngruppenmäßige Beziehung. Und ich wollte das nicht zerstören durch eine Lüge, die es nicht wert war alles zu zerstören.

„Ich weiß nicht", sagte ich langsam und drehte mich von ihm weg. „Ich habe meinen Stolz und alles, was daran kratzt, schubse ich von mir weg. Ich mag es einfach nicht, dass man mich als schwach oder so bezeichnet. Wenn mir meine Eltern eine Sache gezeigt haben, dann, dass Versagen, das Schlimmste ist, was einem passieren kann."

„Aber manchmal muss man versagen."

Ich schloss die Augen. Ich wusste, er würde es nicht verstehen. „Einmal versagen kann dein ganzes verficktes Leben zerstören."

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