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Hey,
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wie ich das ganze anfangen soll. Ich schreibe diese Briefe auch nur weil mein Therapeut der Meinung ist es wäre eine gute Idee. Ich soll alles aufschreiben wie ein Tagebuch nur soll ich an dich schreiben. Es soll mir das Gefühl geben mit dir reden zu können.

Ich hab keine Ahnung was das soll, du bist weg und kein Brief, kein nichts auf dieser Welt kann das ändern.
Du bist fort, bis in alle Ewigkeit.

Alles hat damit angefangen, dass heute dieser neue Junge an die Schule gekommen ist. Er hat dein Schließfach bekommen. Er hat deinen Tisch bekommen. Er hat sogar deine Freunde bekommen.

Als ich ihn das erste Mal sah dachte ich er wäre du. Wie er da saß, mit deinen Freunden lachte, wie er sich zu mir umdrehte und grinste, wie er auf mich zu kam um sich vor zu stellen.

Alles war genau wie mit dir.

Ich wollte ihn anschreien, ihm sagen er hätte hier nichts zu suchen, ihm sagen er hat nicht das Recht deinen Platz ein zu nehmen.

Ich wollte, aber ich konnte nicht.
Nicht einen Ton hab ich raus gebracht und ich kann mich auch nicht mehr an viel erinnern. Aber ich kann mich noch an jedes Detail unserer ersten Begegnung erinnern. Aber du bist auch du.

Ich weiß nur noch das ich angefangen hab sehr große Mengen an Luft ein zu Atmen, und das schnell, viel zu schnell.

Gleichzeitig hatte ich aber das Gefühl ich würde Ersticken, ich hatte das Gefühl ich würde jede Sekunde wegen des Mangels an Sauerstoff zusammenklappen. Es war grauenhaft. Ich wusste nicht mehr was passiert. Ich hab alles nur nebenbei mitbekommen.

Erst als ich im Krankenwagen saß, hatte ich mich beruhigt. Die Ärztin sagte ich hatte eine Panikattacke. Sie sagte sie habe meine Psychologin angerufen. Die, die ich schon zur Trauerbegleitung hatte. Sie sagte meine Mutter sei ebenfalls auf dem weg. Ich wollte meine Mutter nicht sehen, sie hat dich nie gemocht, sie würde es nicht verstehen.

Der Junge war ebenfalls dabei. Er fragte mich ob alles okay sei.
Ich wollte nicht mit ihm reden. Ich wollte ihn nicht kennen. Er war eben nicht du.
Ich wartete also einfach. Ich wartete darauf endlich von ihm weg gebracht zu werden, geradewegs zum Psychologen.

Ich vermisse dich.
In ewiger Liebe,
Elara

Sie faltete den Brief zusammen und tat ihn in einen Umschlag. Sie adressierte ihn und ging damit in den Garten. Ihre Psychologin hatte gesagt sie könne mit den Briefen tun was auch immer sie will. Sie traute ihren Eltern nicht besonders also schien das der sicherste Weg.
Sie nahm ein kleines silbernes Feuerzeug raus und hielt die Flamme an den Brief. Ihren Brief an ihn. Ihren Brief an den Himmel.

Letters to HeavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt