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Brennender Durst riss Jungkook unsanft aus dem Schlaf und als er sich ruckartig aufrichtete, verließ ihn augenblicklich die Kraft und zwang ihn zurück in die steifen Kissen.
Schwindel und Hitze waren, neben dem Durst das Erste, was er wahrnahm und zischend wand er sich unter dem dünnen Schweißfilm, der seinen Körper benetzte.
Ohne jegliches Zeitgefühl und völlig im Dunkeln, tastete er orientierungslos nach der schemenhaften Abzeichnung einer Nachttischlampe, die ihm völlig fremd war.
Surrend sprang sie an, als er den Schalter betätigte und das grell weiße Licht, ließ ihn sofort schützend den Arm vor die empfindlichen Augen schlagen.
Eine ganze Weile, irgendwo zwischen Ohnmacht und Wachheit gefangen, harrte er aus, ehe er sich traute die verklebten Augen zu öffnen.
All seine Sinne schienen erst nach und nach wieder zum Leben erweckt zu werden und so vernahm er den sterilen Duft nach Desinfektionsmittel erst, als er bereits anhand der Einrichtung des Raumes realisiert hatte, dass er sich in einem Krankenhaus befand.
Verwirrt versuchte er Anhaltspunkte zu finden, warum er hier war. Glitt prüfend mit den kaltschweißigen Fingern über seine Brust und seinen Bauch, nur um festzustellen, ob noch alles an ihm dran war.
Für das Brennen seines Handrückens machte er eine Nadel verantwortlich, welche in Verbindung mit einem Schlauch irgendeine Substanz in seine Venen führte und erst sein trockener Hustenreiz erinnerte ihn daran, wie durstig er war.
Mit zittrigen Händen, tastete er nach der grünen Glasflasche seines Nachttisches, verfehlte sie jedoch knapp und konnte nur dabei zusehen, wie sie kippte.
Laut klirrend zersprang sie auf dem grauen Linoleumboden und benommen zuckte Jungkook zusammen.
Alles ging viel zu schnell für seinen Verstand, welcher benebelt noch nicht ganz hinterherkam, als die Tür des Zimmers aufgestoßen wurde und eine Krankenschwester hineinstürmte.
„Mister Jeon, schön, dass Sie wach sind.“, begrüßte sie ihn hektisch und blieb abrupt stehen, als sie die Scherben auf dem Boden entdeckte.
„Legen Sie sich bitte wieder hin, ich hole Ihnen etwas zum Trinken, einverstanden?“, sagte sie deutlich und dankbar nickte Jungkook, auch wenn es ihn ärgerte, dass sie mit ihm sprach, als wäre er ein Kind.
Er verstand gar nichts mehr und der pochende Kopfschmerz hinderte ihn daran, auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Tausend Fragen gingen ihm durch den Kopf und am aller präsentesten war das Bild seines Chefs, wie er abwertend den Blick von ihm wendete. Sofort war Jungkook zum Heulen zumute und der Schmerz in seiner Brust und seinem Magen brannte so entsetzlich, dass er sich am liebsten übergeben hätte.  
Kurz kam ihm der Gedanke, dass er eventuell einfach versucht hatte, sich von seiner Dachterrasse zu stürzen, um dem Liebeskummer zu entfliehen und der Versuch offensichtlich gescheitert war, doch seine intakten Knochen sprachen dagegen.
„Mister Jeon! Haben Sie Schmerzen?“
Beschämt schreckte er aus seinem Halbschlaf hoch und wischte sich müde über das Tränennasse Gesicht. Lediglich ein Kopfschütteln brachte er zustande, obwohl er am liebsten laut nach jedem Schmerzmittel der Welt geschrien hätte, welches ihn so taub wie möglich machen konnte.
Das Glas Wasser, welches die Krankenschwester gebracht hatte, rührte er nicht an. Finster starrte er auf die Bläschen der Kohlensäure und wie sie am Rande des Glases zersprangen. Das Brennen seines Halses lenkte ihn immerhin etwas von all dem Druck in seiner Brust ab und die abgründige Frage, wie lange er wohl nichts trinken musste, um zu verdursten, geisterte durch seinen vernebelten Verstand.

Es war mitten in der Nacht, als Jungkook zum zweiten Mal, völlig orientierungslos aus dem Schlaf schreckte und erneut nach dem Schalter der Nachttischlampe griff.
Das Gleißende Licht schmerzte kaum aushaltbar in seinen Augen und flach atmend musterte er die langen Schatten, welche die spärliche Möblierung des Zimmers warfen.
„Taehyung!“, krächzte er aus trockener Kehle und sofort schossen ihm heiße Tränen in die gereizten Augen.
Er war bei ihm gewesen, während des Unfalls. Jungkook konnte sich wieder an alles erinnern und selbst die eindringlichen Worte des Älteren, unter allen Umständen durchzuhalten, hallten in seinem Kopf wieder, als stünde Taehyung direkt neben ihm. Tatsächlich sah Jungkook sich um und krallte sich schwindelnd in die steife Decke über seinen Beinen. Natürlich war er völlig allein, eingesperrt in ein Krankenhaus, wie seine Schwester und ohne auch nur die Möglichkeit zu haben, sich nach Taehyung Befinden zu erkundigen.
Salzige Tränen stürzten seinen Rachen hinunter und hustend schüttelte er immer wieder den Kopf. Was, wenn dem jungen Mann, seinetwegen etwas zugestoßen war? Immerhin meinte Jungkook sich auch an den metallischen Geruch von Blut erinnern zu können, schaffte es aber nicht zu rekonstruiere, von wem es stammte. Hektisch riss er die Schublade des schlichten Nachttisches auf, doch von seinem Handy war weit und breit keine Spur.
Aus reiner Intuition heraus, riss er sich die Elektroden von den Handgelenken und zog sich selbst den intravenösen Zugang. Warm rann helles Blut aus der kleinen Einstichwunde und tropfte hörbar auf den kühlen Linoleumboden. So richtig wusste er nicht einmal wo hin, als er sein Krankenzimmer verließ und orientierungslos durch das ausgestorbene Krankenhaus stolperte. Kälte zog unter das luftige Krankenhaushemd und bescherte ihm eine Gänsehaut, während sein Herz so heftig gegen seinen Rippenbogen schlug, dass es ihm Schmerzen bereitete.
Schwaches, kühles Licht ging von den Notfallschildern und den kleinen Lichtquellen im Flur aus und das Echo seiner nackten Füße, die auf dem Linoleumboden aufschlugen, hallte viel zu laut von den kahlen Wänden wieder.
Keuchend hastete Jungkook die Treppen hinunter, in der Hoffnung, auf dem richtigen Weg zur Rezeption des Krankenhauses zu sein und tatsächlich. Viel zu unvorsichtig huschte er hinter den modernen Tresen, als zwei Frauenstimmen vom Ende des Ganges zu ihm drangen.
Panisch stolperte er zurück, huschte um die Ecke und presste sich zitternd mit dem Rücken an die kühle Flur Wand. Das beängstigende Gefühl zu ersticken, weil jeder Atemzug zu laut sein könnte beschlich ihn und angespannt presste er sich beide Hände auf den Mund.
Die Sorge um Taehyung kratzte am Rande seines klaren Menschenverstandes, während er in seiner Deckung ausharrte.
Von seinem Fieber schien keine Spur mehr übrig geblieben zu sein, doch der unangenehme Hustenreiz brannte zum ungünstigsten Zeitpunkt in seinem Hals. Mit Tränen in den Augen schluckte er gegen den Reiz an und am liebsten hätte er sich vor lauter Adrenalin auf den Krankenhausboden übergeben.
Aufatmen konnte der junge Mann erst, als die Krankenschwestern sich endlich zurück auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung machten und um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, rannte Jungkook hinter den Tresen, ging in Deckung und tippte ungeduldig auf der Maus des Computers herum, bis sich die Maske des Patientenverzeichnisses öffnete.
Wenn Taehyung etwas zugestoßen war, dann war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er sich sogar im selben Krankenhaus wie er befand. Immerhin waren sie zusammen gekommen, daran konnte er sich erinnern.
Mit zittrigen Fingern gab er den Namen seines Chefs ein, welcher so viel mehr als das geworden war und tatsächlich wurde ihm ein Ergebnis angezeigt.
Jungkook konnte sich das kurze, hysterische Lachen nicht verkneifen, bis er realisierte, was es hieß, wenn Taehyung im selben Gebäude wie er war. Jungkook hatte sich nicht geirrt. Tatsächlich war sein Begleiter verletzt worden und so schnell ihn seine nackten Füße tragen konnten, rannte er Richtung Treppenhaus.
Natürlich hatte er sich die Zimmernummer gemerkt, in der Taehyung liegen sollte und so achtete er nicht mehr darauf, wie viel Krach er machte, als er keuchend die Flure entlang rannte.
Sein Körper appellierte verzweifelt an seine Vernunft, immerhin war die Anstrengung viel zu viel für die Auswirkungen seiner Grippe, doch der Schwindel und der fehlende Sauerstoff war ihm egal.  
Seine Füße brannten entsetzlich von den kalten Marmortreppen und seine Lunge schmerzte mit jeder weiteren Stufe, bis er endlich sein Ziel erreichte.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt