Alles, selbst die Lüge, dient der Wahrheit; Schatten löschen die Sonne nicht aus.
Franz Kafka
Erst gegen 12 Uhr stand ich endlich auf, zuvor konnte ich mich nicht dazu überwinden. Ich hatte es vorgezogen meinen Gedanken nachzuhängen, langsam fügte sich das Puzzle zusammen. All die kleinen merkwürdigen Punkte schienen sich wie Teile an ihren Platz zu fügen, sodass sich ein Bild ergab. Und immer wieder hatte ich das selbe Bild vor Augen, die Cullens sind Vampire. Jasper ist ein Vampir. Bei der Vorstellung wie Jasper einen Menschen tötete lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. War er wirklich zu so etwas fähig, der Kerl, den ich als enorm empathisch wahrgenommen hatte? Und wie viel wussten die Cullens wirklich über mich, wenn Edward Gedanken lesen konnte. Vermutlich wussten sie alles. Ich spürte Wut in mir aufkeimen, ich fühlte mich verraten und vorgeführt von der Vampir Familie. Sie hatten mich zum Essen eingeladen, obwohl ich offensichtlich die Einzige war, die das Essen gegessen hätte. 'Oder hatten sie etwas anderes vorgehabt, hatten sie mich als Essen eingeladen?' Ich verwarf den Gedanken schnell. Hätten sie mir etwas tun wollen, hätten sie es längst getan und Carlisle hätte sich sicherlich nicht solche Mühe mit meinem Handgelenk gegeben. Ich stellte die Kaffemaschine an und sah dabei zu wie jeder Tropfen in die Kanne hineinsickerte. Alles erinnerte mich an die Legende der Quileute und selbst als ich den Fernseher anschaltete schien dieser mich zu verspotten, es lief ein Vampirfilm. Frustriert schaltete ich ihn also wieder aus und trank nun schon meine fünfte Tasse Kaffee, was zugegebenerweise meiner Unruhe nicht sonderlich guttat. Auch in der Badewanne kam ich nicht zur Ruhe, meine Gedanken schienen immer nur um ein Thema zu kreisen. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll. Ich saß in meiner Küche und sah nach draußen, kurzerhand griff ich zu meinem Handy und rief Jasper an. Er ging sofort ans Handy, als hätte er damit gerechnet. "Nina?" Fragte er und ich blieb kurz still 'Was soll ich denn jetzt bloß sagen?'. "Du bist ein Vampir." Sagte ich plötzlich frei heraus und war einerseits erschrocken, dass ich das gerade wirklich gesagt hatte, andererseits war ich froh, dass es raus war. Ich hielt die Luft an. "Ich weiß nichts was du ..." fing er an, aber ich unterbrach ihn "Lüg mich nicht an Jasper!" Mir liefen still Tränen über die Wange, ich war so enttäuscht. "Sie haben es dir gesagt." Stellte er nüchtern fest. "Das spielt doch keine Rolle!" "Achja, was spielt denn eine Rolle? Was willst du hören, warum hast du mich angerufen?" Ich musste mir eingestehen, dass ich selbst nicht so recht wusste, was ich mir dabei gedacht hatte. Vielleicht wollte ich es einfach nur aus seinem Mund hören. Hören, dass er ein Vampir war und er mich die ganze Zeit belogen hatte. "Willst du hören dass ich ein Monster bin, ja das bin ich!" Nun klang er aufgebracht, ich hingegen wurde ruhiger. "Ich will wissen warum du es mir verschwiegen hast. Hat es euch Spaß gemacht mich vorzuführen. War es witzig das kleine Menschlein zu verarschen? War es das, ja?" Zum Ende hin war ich wieder aufgebracht und wurde lauter. "Natürlich nicht. Ich komme vorbei." Sagte er bloß und legte auf. 'Er kommt was? Nein!' dachte ich noch und nutzte die verbleibende Zeit kurz, um mir wenigstens etwas ordentliches anzuziehen. Nachdem ich mich umgezogen hatte klingelte es auch tatsächlich schon fünf Minuten später an der Tür. Doch als ich da so auf meinem Bett saß und die Klingel erneut hörte, da war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob ich ihn sehen wollte. Immernoch im Schneidersitz saß ich auf meinem Bett und starrte auf meine Bettwäsche. Doch das Klingeln hörte plötzlich auf und ich war mir sicher, dass Jasper wieder gegangen war. Aber plötzlich vernahm ich einen Windhauch neben mir, am geöffneten Fenster stand Jasper. Er war ohne auch nur einen Laut in mein Zimmer gekommen. Ich sprang vom Bett auf und brachte automatisch so viel Distanz wie möglich zwischen uns. Er blieb dort stehen wo er war und ich spürte wie mein Herz mir bis zum Hals schlug. Ich spürte wie mich eine Welle von Ruhe erfassen wollte, doch ich war zu unruhig, um dies zuzulassen. "Ich habe es dir nicht gesagt weil ich dich beschützen wollte." Sagte er nun leise und kam einige Schritte auf mich zu. Allerdings langsam und zögerlich, wie ein Raubtier auf der Pirsch. "Wie soll mich das beschützen." Sagte ich leise und beobachtete jede seiner Bewegungen. "Ich wollte dich nicht in diese Welt mit hineinziehen." Er stand nun direkt vor mir und ich hatte meinen Blick auf den Boden gesenkt, um mich zu konzentrieren. "Du meinst in deine Welt?" 'Er wollte mich nicht bei sich haben' dachte ich nur und wurde sofort trauriger. Er schien es zu spüren und er hob mein Kinn vorsichtig an, als könnte ich zerbrechen, wenn er auch nur eine falsche Bewegung machte, 'Vermutlich ist das auch so.' "Du verstehst nicht, meine Welt ist voller Monster, Tod und Unmenschlichkeit. Wie könnte ich dir das antun?" Ich schlug seine Hand weg "Nein du verstehst es nicht. Meine Welt war schon voller Monster und Tod und Unmenschen. Auch wenn sie keine Vampire waren, Monster habe ich schon kennengelernt! Ich habe dir vertraut, ich habe dir meine Monster anvertraut, meine Vergangenheit!" Ohne dass ich es wollte, rollte mir wieder eine Träne über die Wange und Jaspers Gesicht verzog sich als würde er leiden. "Und deshalb wollte ich nicht, dass du noch mehr Monster kennenlernst." Ich ging in meinem Zimmer hin und her, um klar denken zu können. "Warum lässt mich eigentlich nie jemand mal etwas entscheiden? Warum werden alle Entscheidungen immer über meinen Kopf hinweg getroffen als wäre ich nicht existent? Ok du bist ein Vampir ja und? Warum musste ich das erst von den LaPush Leuten erfahren?" Ich schnaubte und Jasper runzelte wütend die Stirn "Sie hätten es dir niemals sagen dürfen, das verstößt gegen den Vertrag!" 'Als ob das der verdammte Punkt ist!' rastete ich in Gedanken aus. "Na ich schätze sie durften es mir sehr wohl sagen, zusammen mit der Info, dass ich mich in einen gigantischen Wolf verwandeln könnte!" Jaspers Blick der zuvor aus dem Fenster gerichtet war schnellte zu mir. "Du bist ein Werwolf?" Ich fuhr mir durch die Haare "Ist das dein einziges Problem? Was ich bin oder nicht bin? Das kann nicht dein ernst sein!" Er trat wieder näher und hielt mich an den Schultern fest. Ich sah ihn an und ergänzte "Ja ich trage das Gen wohl in mir, weil meine Urgroßmutter eine der Quileute war. Aber mein letzter Stand ist, dass ich mich nicht in einen Wolf verwandel." Er schien sich zu konzentrieren "Und du wusstest gar nichts davon?" Langsam fing das Gespräch wirklich an mich zu nerven "Nein natürlich nicht! Du hast mir schließlich nichts von Wölfen oder Vampiren erzählt!" "Ich durfte es nicht. Genauso wenig wie die Wölfe." Er drehte sich wieder von mir weg. "Jasper verstehst du denn gar nichts, ich bin nicht wütend dass du ein Vampir bist und ich denke auch nicht dass du ein Monster bist. Ich bin traurig dass du es mir verschwiegen hast." Zwischen uns entstand eine unangenehme Stille. "Ich kann dir erzählen was du wissen willst, Nina." Er setzte sich auf mein Bett und sah sehr viel weniger bedrohlich aus als noch zuvor. Eher wirkte er wie ein kleines Kind, mit dem man geschimpft hatte. 'Er versteht mein Problem nicht. Er versteht mich nicht, das kann niemals funktionieren.' Ich ließ mich auf meinem Fensterbrett nieder und blickte hinaus. 'Was auch immer das ist. Und wieder nur Probleme, nur Scherben.' "Jasper." Er sah mich mit seinen bernsteinfarbenen Augen an und stand auf. "Ja?" Ich schluckte, denn das Nächste würde mir nicht leichtfallen. "Wir tun einander nicht gut und um ehrlich zu sein, habe ich das Vertrauen in dich verloren." "Nina ich" setzte er an, ich unterbrach ihn. "Du hattest Zeit um mir alles zu erzählen. Ich habe dir alles erzählt. Und jetzt möchte ich, dass du gehst." Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, mein Herz verkrampfte sich bei seinem Anblick. Ich stand vom Fensterbrett auf und ging zu meinem Schreibtisch, wieder einmal hob ich das Bild auf meinem Schreibtisch an und noch mehr Tränen rannen über meine Wangen. Ich hörte leise seine Schritte hinter mir und spürte dann, wie er dicht hinter mir stand "Aber jetzt weißt du es und ich verspreche dir, nichts mehr vor dir zu verheimlichen. Ich werde dir nie wieder wehtun." Ich musste hart bleiben, es hatte eh keinen Sinn "Nein das wirst du nicht, weil du jetzt gehen wirst." Ich drehte mich zu ihm um und sah ihm in die Augen, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen. Er sah mich noch ein paar Sekunden an, dann aber respektierte er meine Entscheidung und sprang leichtfüßig aus dem Fenster. Sobald er draußen war schloss ich das Fenster und zog die Gardinen davor. Dann legte ich mich ins Bett und weinte bitterlich.
Mir war sehr bewusst, dass es diese Nacht exakt zwei Personen gab, die mit Sicherheit keinen Schlaf bekamen. Jasper, weil er ein Vampir war. Und ich, weil ich ein Idiot war.
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Die Deutsche in Forks (Twilight, Jasper Ff)
FanficDie 18 jährige Nina Balvert zieht aus ihrem geliebten Norddeutschland ins ebenso regnerische Forks. Sie hofft auf einen Neuanfang und besucht daher auch die Forks Highschool um einen in Amerika anerkannten Highschool - Abschluss zu erwerben. Doch do...