,,Es war Nachmittag. Die Sonne stand am Firmament und lachte in den Abend hinein. Mit warmen roten Tönen bedeckte sie ringsherum die Welt und erfüllte sie mit Freude und Wonne. Und wahrhaftig! Es hätte der schönste Tag seit langer Zeit sein können, die Wetterlage betreffend. Und doch pochte ein kleines Herz ganz aufgeregt auf und ab und schien sich gar nicht mehr beruhigen zu können. Was mochte es wohl sein, was das kleine Herz in Unruhe brachte? War es etwa das wohlige Gefühl der Liebe?“
Ich legte meinen Stift beiseite und schob ihn zurück ins Mäppchen. Dass ich solch schnulzige Worte jemals zu Papier bringen würde, vorallem grundlos, hätte ich in meinen schlimmsten Träumen nicht zu glauben gewagt. Nein, vielmehr hatte ich gehofft, dass mir solch nervig klingende Geschichten, die ein sanftes Gefühl von Brechreiz mit einer kleinen Prise Einsamkeitsgefühl in mir auslösten, nie widerfahren würden. Nun ja, es war doch im Grunde so: Je mehr Liebeslieder ich hörte, desto mehr steigerte sich meine Aggressivität, die wiederum aus Frustration darüber entstand, dass ich nunmal ein einsames Wesen war, das ungeliebt und deprivierend in einer Ecke vergurkte. Ja, es war wieder so weit, meine Lieben. Mein Selbsthass meldete sich wieder zu Wort und diesmal in vollem Maße. Doch dies sollte sich heute Abend ändern. Heute wollten wir auf einen Polterabend gehen. Mein Handy klingelte dominant. Das konnte also nur Laura sein, das erkannte ich eindeutig an der Art wie es klingelte. Zumindest bildete ich mir das ein. Ich hatte nun die Qual der Wahl. Entweder ich würde nun augenblicklich das Handy ergreifen und mir einen 40 minütigen Vortrag darüber anhören, dass Laura ja so unentschlossen zu ihrem Outfit sei und endlich mal modische Beratung von jemandem bräuchte, der nicht so langweilig gekleidet sei wie ich. Oder aber, ich würde nicht ans Telefon gehen, was im Endeffekt dazu führen würde, dass mich Laura zehn weitere Male anklingelte und dann wütend bei mir vorbeikommen und mich zusammen Schreien würde, was im also das selbe Gefühl des 'Hasses auf sie' auslösen würde. Laura war so ein Fall von: "Lieb mich oder ich hass dich!" Ich konnte sie nicht wirklich loswerden, dafür wusste sie zu viel über mich und sie könnte innerhalb von 10 Sekunden mein gesamtes soziales Netzwerk zerstören (was ich ihre natürlich niemals zutrauen würde). Zudem musste ich wohl dafür sorgen, dass ich Lauras Anspruch einer besten Freundin genügte. Ich war nicht vollkommen, das machte sie mir täglich klar. Allein schon dann, wenn sie mich morgens anrief und mich fragte, was in mich gefahren sei, dass ich sie nicht geweckt hätte. Ich möchte an dieser Stelle nochmal betonen, dass ich KEIN Mitläufer war. Auch ich hatte mal das Zepter in der Hand. Beispielsweise wenn es darum ging mir Essen zu besorgen. Da ich dauerpleite war und Kochen nicht gerade zu meinen Stärken gehörte, benutzte ich Laura oft genug als Küchenhilfe und als „Haste mal eben vier Euro für mich“- Freundin, die sie dann im Endeffekt niemals wiederbekommen würde. Ich schätzte meine Gesamtschulden die ich bei Laura mittlerweile angesammelt hatte, auf etwa 2.000 Euro. Da hatte sich in den vergangenen Jahren einiges angesammelt. Natürlich nur für Essen - versteht sich. Ich denke Freundschaft ist gut, aber Kontrolle ist besser. Und da wir uns gegenseitig unter Kontrolle hatten lief es auch so harmonisch und wundervoll für uns...zu 15% der Zeit...aber sag ihr das nicht. Und dann gab es da noch Linus. Linus war mein kleiner nerviger Bruder, wie du ja bereits festgestellt hast. Und wie der Zufall es wollte, war dieses kleine Biest im Genuss einer Freundschaft zu Leonard, dem kleinen, dreisten Bruder Lauras. Die Kombination aus den beiden Jungs war in etwa so schlimm, wie der zweite Weltkrieg und ja, ich mag es realistische und prägnante Beispiele als Verdeutlichung dessen was ich innerlich fühle, und ich fühle nichts Gutes, heranzuziehen.
Zu Viert jedenfalls waren wir heute auf den Polterabend von einer Lauras Freundinnen eingeladen. Laura hatte gefühlt Connections zu jedem. Du brauchtest nur zu sagen „Du, ich brauch da jemanden der sich vielleicht auskennt mit...“, und schon hatte Laura eine Liste mit guten Kontakten bereit. Insgeheim denke ich ja bis heute, dass sie die Mafiavorsitzende ist, die seit 2007 aus dem Westen Kanadas spurlos verschwunden war. Das wiederum würde jedoch bedeuten, dass sie bereits mit drei Jahren ein Drogenkartell und 43 Angestellte im Griff hatte. Ich möchte keinesfalls an Lauras Führungskompetenzen zweifeln, aber das schien mir doch ein wenig unzutreffend. Daher verwarf ich meine Theorie wieder nach reichlicher, reichlicher Überlegung und griff zum Handy. „Was willst du?“, brachte ich so genervt hervor wie es eben nur ging. Ich wollte Respekt von ihr! „Sei nicht so frech und hol uns um sechs am Kiosk an der Kreuzung ab, dann gehen wir zusammen hin. Bis gleich.“ Und dann legte sie wieder auf, ohne auch nur eine Antwort von mir zu erwarten. Nun ja, an dem Respektverschaffen arbeitete ich noch ein wenig. Irgendwie übertraf sie mich immer. Aber meine Zeit würde gewiss noch kommen - so viel war sicher. Und so machte ich mich auf und stieg die lange, steile, harte Treppe hinauf, die zu dem Kinderzimmer des Familienmonsters führte: Linus Furz von Frankenstein. Ich klopfte zaghaft an die Tür, um das Monster nicht zu verärgern. Und als ein mürrisches „Ja man!“, ertönte, öffnete ich so vorsichtig es ging die Türe und steckte meinen Kopf durch den engen Spalt, der sich zwischen dem Türrahmen und der Türe auf wundersame Weise gebildet hatte. „Laura und Leonard erwarten uns um Sechse am alten Kiosk. Bist du soweit?“, fragte ich mit einer lieblichen Stimme und bekam ein ebenso mürrisches Ja wie zuvor als Antwort. Engelsgleich sprach ich: „Wunderbar! Ich warte dann jetzt unten. Dann können wir los.“ ...wie gesagt, an dem Respektverschaffen arbeite ich noch, aber ich bin meinem Ziel schon ganz ganz nahe, das spüre ich.
Eine halbe Stunde später auf dem Polterabend angekommen ließ Laura mich spüren wie kontaktarm ich in letzter Zeit geworden war. Sie begrüßte gefühlt jede zweite Person mit einer herzlichen Umarmung und quatschte mit allen, als wären sie beste Freunde des Lebens seit Anbeginn der Zeit. Und ich stand jedesmal daneben und lächelte verkniffen und nickte, sobald sie sich für zwei Sekunden jeweils auf das Niveau herabließ mich zu erwähnen, was in etwa so rüberkam wie : Ich habe euch diesen prächtigen Kuchen mitgebracht, ach und dieses winzige Stückchen hier ist extra Vegan, hehe.“ Einfach nur lästig und unsinnig, genau wie ich. „Okay, Maren, reiß dich zusammen!“, dachte ich mir. Ich musste diesem Abend irgendetwas Positives abgewinnen. Und so tat ich das einzig Vernünftige was man in solch einer Situation tun konnte: Ich sah mich nach dem Essen um! Ich schlenderte gelangweilt zur Anrichte, auf welcher leckere Speisen zur Verfügung gestellt wurden. Teils konnte ich nicht identifizieren was sich hinter diesen gelben Bällchen mit körnerner Kruste oder den rot-braunen Stäbchen mit einer künstlichen Gurke obendrauf verbarg, aber sie mundeten mir doch sehr. Dieses Essen war in etwa so wie ich. Äußerlich belanglos, doch das Innere zart und schmackhaft. Ich möchte damit lediglich ausdrücken, dass meine inneren Werte zählen, und nicht, dass mein Speichel sonderlich geschmacksvoll ist. Angewidert von meinen kranken Gedanken ergriff ich eine Sprite und begab mich dann aus dem Festgarten hinaus, vors Haus und setzte mich auf eine Bank. Hier war nicht so viel los. Um genau zu sein war hier gar nichts los. Ich hörte lediglich die Bässe der Musik durch die Hauswand hindurch dröhnen, schlug meine Beine übereinander und begann betrübt zu essen. Das einzige bekannte Gesicht, auf das ich mich jedoch nicht verlassen konnte war mein kleiner großer Bruder. Er hatte sich ein Würstchen geschnappt und war dann mit Leonard umhergezogen. Und frag mich nicht was sie dann so trieben. Manchmal wollte ich das gar nicht wissen, was er angestellt hatte. Das eine Mal als ich mir Avas Roller borgen musste und um zwei Uhr nachts Linus und Leonard an einer brennenden Tankstelle einsammelte, noch bevor die Polizei oder sonstige Hilfskräfte eintrafen, war Grund genug keine weiteren Fragen seither mehr zu stellen. Und Laura? Laura hatte sich mit ihren Freundinnen zusammen getan und tanzte schon halb angetrunken und teils entkleidet umher. Kurz gesagt: Es fiel nicht auf, dass ich fehlte und einsam und verlassen hier... auf dieser...Bank...versauerte (!) und Essen in mich hineinschaufelte, von dem ich nichtmal wusste was es genau... ,,War...War...warst du nicht...d...d...die Maren?“, fragte mich eine stotternde Stimme, die von der linken Seite her ertönte. Ich blicke von meiner Gabel, die ich zu gerne noch schnell in meinen Mund geführt hätte, auf und erblickte Kalle. Kalle? Ihn hatte ich seit der dritten Klasse nicht mehr gesehen. Seitdem er von Julian Kleber, dem Hauptmobber der Grundschule ins Gesicht geschlagen wurde. Seither musste er eine gesichtsgrosse Zahnspange tragen und nie mehr gesehen worden. Später erfuhr man durch die Dorfzeitung, dass er auf ein Internat für lern- und sprachbehinderte Kinder gewechselt war. Er stotterte schon als Kind sehr stark. Meist so extrem, dass irgendwann alle Mitschüler lachten und er weinend aus dem Klassenraum gerannt war. Und seit Julian Klebers Angriff war er scheinbar von den Lehrern auf eine andere Schule verwiesen worden. Das Stotterproblem war er noch nicht ganz losgeworden, wie ich hörte, aber er schien mir sehr selbstbewusst geworden zu sein. Und wow, er sah richtig gut aus! Für einen Jungen eben. Was machste denn hier?“, fragte ich Kalle lächelnd und hielt mir schell die Hand vor den Mund, damit das unzerkaute Essen innerhalb meiner Mundhöhle nicht hinausquoll. „Sehr...sehr, sehr g...gut! Du w...weißt a...also noch w...w...w...wer ich bin!“, sprach er und setzte sich neben mich. Ich nickte wehement. Ich fand ihn klasse. Dick und doof, das passte gut! „Ja Laura hat mich hierhin geschleppt, aber irgendwie kenne ich niemanden und deshalb sitz' ich hier allein. Und die Person, für die ich hier bin, ist auch nicht da, glaube ich. Und wenn, dann ist es auch egal, ach...“ Ich seufzte. Kalle schaute mich bemittleidend an. Ich hatte ihm innerhalb von sieben Sekunden meine komplette, derzeitige Emotionslage offenbart. Oh man, das war ja wieder typisch Ich! Kalle sprach stotternd: „ Ich wusste gar nicht, dass Laura und du noch so befreundet seid. Wie...schön...?! Für wen bist du denn hier?“ Ich lächelte in Gedanken versunken. Ich hatte mich verplappert. Das war dumm gewesen, Maren! Sehr dumm!
„Ach nichts nichts Kalle“, sprach ich und war einfach nur dankbar ein bekanntes Gesicht an meiner Seite zu haben, dass mich nicht so trocken fand, wie der Inhalt des Brötchens auf meinem Pappteller. Ich machte mich nicht mehr auf die Suche nach dem Mädchen von gestern. Es nützte ja eh nichts. Kalle und ich redeten dafür aber noch lange an diesem Abend miteinander und es fühlte sich endlich wieder ein bisschen so an wie früher.
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Maren loves Ruby
Roman d'amourHey, dies ist eine kleine Fanfiction zu Maren und Ruby. Bitte nehmt es nicht ernst. Das Wenigste davon ist wahr. (Das musste ich hinschreiben und nicht von Maren getötet zu werden. Aber im Grunde trifft das Erzählte zu 99,8% die Realität). Grüße an...