„Toni?"
„Hm?"
„Du weißt schon, dass wir irgendwann aussteigen müssen?"
„Jap."
„Angst, Topaz?"
„Jap."
Veronica seufzte enttäuscht. „Harry Potter Anspielungen haben mit dir auch schon mal mehr Spaß gemacht."
Seit mehr 10 Minuten saßen sie zusammen im Auto und starrten auf die Fassade des Thistlehouses. Eigentlich hatte Toni mit einem Gefühl von Zuhause-sein gerechnet, wenn sie das Haus zum ersten Mal wieder sah, doch zu ihrer Überraschung trat dies nicht ein. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht allzu lang hier gewohnt hatte, oder es lag an der Tatsache, dass das Gebäude etwas heruntergekommener aussah, als sie es in Erinnerung hatte. Die roten Fensterläden waren zum Großteil geschlossen, die Hecken neben der großen Eingangstür sahen aus, als wären sie seit Wochen nicht getrimmt worden und aus dem kleinen Brunnen im Hof, den Toni immer so gemocht hatte, sprudelte kein Wasser mehr. Man konnte deutlich erkennen, dass sich seit einer gewissen Zeit niemand um die Pflege des Anwesens gekümmert hatte.
Der Regenschauer hatte sich inzwischen in ein Gewitter verwandelt und immer wieder zuckten grelle Blitze über den dunkelgrauen Himmel. Und auch in Toni tobte ein Gewitter. Tausend Gefühle mischten sich in ihr und drückten ihr unangenehm auf den Magen, am liebsten wäre sie weg gelaufen. Aber sie wusste, dass sie das nicht tun konnte. Nicht schon wieder. Es war Zeit, sich der Konfrontation mit Cheryl zu stellen und zu klären, wie es mit ihnen weiter gehen sollte.
„Also gut", sagte sie schließlich. „Ich werde rein gehen."
„Ich begleite dich noch nach oben. Du siehst aus, als würdest du dich jede Sekunde übergeben."
Toni verzog frustriert das Gesicht, öffnete dann aber die Autotür und stieg aus. Die Kapuze setzte sie gar nicht erst auf. Ihre Haare waren sowieso noch komplett durchnässt wegen ihres Wutausbruchs vor dem Diner, und der dünne Stoff ihres Sweatshirts hätte den Regen wohl auch nicht lange aufhalten können.
„Hast du deinen Schlüssel dabei?", frage Veronica, nachdem sie an der Haustür angelangt waren.
Tatsächlich hatte Toni den Schlüssel im letzten Monat stets bei sich getragen, egal, wohin sie auch gegangen war. Er war die einzige Sache gewesen, die sie von Zuhause mitgenommen hatte, alles andere hatte sie dort gelassen. Unbewusst, natürlich. Doch zu dem Zeitpunkt ihrer Flucht aus dem Thistlehouse hatte sie auch nicht geplant, so lange fort zu bleiben.
Toni schloss ohne eine Antwort die Tür auf und trat in den großen Eingangsbereich ein. Ohne darüber nachzudenken, ließ sie den Schlüssel anschließend in die kleine Schale neben der Tür fallen, als wäre sie nie weg gewesen und würde es jeden Tag tun.
Im Gegensatz zur Fassade des Hauses, sah das Innere noch wie üblich aus. Alle Möbel standen noch an ihrem gewohnten Fleck, es sah aus, als wäre gerade erst vor 20 Minuten geputzt worden, und ein paar Öllampen tauchten den sonst dunklen Raum in ein warmes Licht. Auf dem runden Tisch, der vor der Treppe im Zentrum des Raumes aufgestellt war, stand nach wie vor die große Vase, von der Cheryl immer gesagt hatte, dass sie mindestens genauso grässlich wie wertvoll sei. Toni lächelte bei der Erinnerung daran, wie sie die Vase einmal beinahe beim herumalbern mit Cheryl herunter geworfen hatte, und diese auf ihre Entschuldigung hin nur trocken erwiderte ‚Du solltest dich eher dafür entschuldigen, dass du sie NICHT kaputt gemacht hast. Diese Grässlichkeit ist höher versichert als der Hintern von Jennifer Lopez'.
„Toni, komm schon", zischte Victoria, die schon beinahe am oberen Ende der Treppe angekommen war. Das Serpent Mädchen warf noch einen letzten kurzen Blick auf die Vase, bevor sie ebenfalls die Stufen hinauf ging. Es fühlte sich an, als würde ihr Herz mit jeder Schritt den sie machte heftiger in ihrer Brust schlagen. Wovor sie eigentlich Angst hatte, wusste sie selbst nicht genau. Sie wusste, dass Cheryl ihr nicht an die Gurgel springen würde. Aber wie die Rothaarige ansonsten reagieren würde, konnte sie nicht einschätzen. Außerdem war sie sich ebenfalls nicht im Klaren darüber, wie ihre eigene Reaktion auf das Zusammentreffen mit Cheryl sein würde. Und neben der Angst war noch etwas anderes in ihr, und zwar Nervosität. Ein leichtes Kribbeln breitete sich zusätzlich zu der Übelkeit in ihrem Bauch aus, als wäre sie auf dem Weg zu ihrem ersten Date. Sie wusste, dass diese ganze Situation früher oder später zu einem Gespräch zwischen ihr und Cheryl führen würde. Und über Gefühle zu reden, war ihr noch nie wirklich leicht gefallen. Sie war einfach nicht der Typ, der gerne ihr Innerstes offenbarte. Natürlich war das zumindest bei Cheryl von ein paar Wochen noch ganz anders gewesen. Doch nachdem Toni alleine durch die Gegend gezogen war und versucht hatte, alle Gefühle so gut wie möglich aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen, kam es ihr vor, als hätte sie die Fähigkeit, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, komplett verloren.
Als sie an der Tür zum Schlafzimmer angekommen war, hielt sie inne. Sie atmete ein paar mal tief durch um einen etwas klareren Kopf zu bekommen und wischte sich die schwitzigen Hände an ihrer Jeans ab.
„Meine Güte, Topaz. Jetzt hab dich nicht so. Ich dachte immer, Mitglieder einer Gang wären harte Brocken", sagte Veronica und verdrehte die Augen, strich aber im nächsten Moment mit ihrer Hand beruhigend über Tonis Arm. „Das wird schon werden. Dafür musst du aber erst mal da rein, in Ordnung?"
Toni nickte heftig und ermahnte sich selbst dazu, ihre Anspannung ein wenig fallen zu lassen.
„Na dann los."
Mit diesen Worten öffnete Veronica die Tür und trat ein Stück zur Seite, damit Toni eintreten konnte. Sofort schlug ihr Cheryls Duft entgegen. Mit geschlossenen Augen atmete sie die ihr so Bekannte Mischung aus Vanille und Cheryls blumigem Parfüm ein und wäre beinahe in die Knie gegangen, als eine Wagenladung an Erinnerungen und Gefühlen auf sie einströmten. Wie eine Diashow spielten sich Bilder von ihrem inneren Auge ab: der Abend, an dem sie Cheryl alleine im Kino antraf, und zum ersten Mal richtig mit ihr sprach, die erste Nacht, in der sie neben Cheryl geschlafen hatte, ihr erster Kuss, verbunden mit dem Gefühl der Erleichterung, als sie Cheryl bei den Schwestern der Stillen Gnade fand, und der Moment, in dem sie ihr zum ersten Mal sagte, dass sie sie liebte. All dies lies ihr Herz noch schneller schlagen, als es dies eh schon tat. Erneut hatte sie das Gefühl, dass sich die Kälte im ihrer Brust allein durch diesen Geruch ein Stück zurückzog.
Das sonst stets aufgeräumte Schlafzimmer sah aus, als wäre es von Dieben durchsucht worden. Überall verstreut lagen Klamotten, Schulbücher, Kosmetikartikel und Zeichenutensilien herum. Toni dachte gerade, dass Cheryl eine solche Unordnung gar nicht ähnlich sah, als sie auf dem Schminktisch an der linken Wand des Raumes ihr rotes Bandana liegen sah, welches sie vor Wochen genau dort hatte liegen lassen. Als sie sich weiter im Raum umsah bemerkte sie, dass auch der Rest ihrer Sachen noch an den gleichen Stellen verteilt war, wie an dem Tag ihres Aufbruchs. Sie entdeckte Dinge, von denen sie nicht mal mehr wusste, dass sie sie zurück gelassen hatte.
Und schließlich, blieb ihr Blick auf der schmalen Gestalt hängen, die mit dem Rücken zu ihr im Bett saß.
Cheryl hatte ihre Haare im Nacken zu einem lockeren Zopf gebunden und trug den hellroten Seidenmantel, dessen Stoff Toni so auf ihrer Haut mochte. Sie schien aus dem Fenster zu sehen und noch nicht einmal bemerkt zu haben, das jemand den Raum betreten hatte. Zwischen dem Durcheinander aus Decken und Kissen auf dem Bett entdeckte Ton ihren liebsten Pullover, den sie von ihrem ersten Gehalt des Whyte Wyrm gekauft hatte. Toni schluckte hart. Sie hatte bis zu diesem Moment gehofft, dass Ronnie übertreiben hatte, als sie ihr beschrieben hatte, wie schlecht es Cheryl ging. Doch als sie nun in diesem Raum stand wusste sie, dass es durchaus der Wahrheit entsprach und sie fühlte sich so schuldig, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Niemals hatte sie Cheryl so weh tun wollen. Aus purer Wut heraus hatte sie sich wochenlang egoistisch verhalten. Sie hatte sich so verletzt gefühlt, dass sie kaum einen Gedanken daran verschwendet hatte, wie sich die Menschen um sie herum durch ihr Verschwinden fühlen würden. Und das würde sie sich wohl nie verzeihen können.
Veronica räusperte sich leise und holte Toni somit aus ihren Gedanken.
„Cheryl? Wie geht es dir?", fragte die Schwarzhaarige vorsichtig. Doch sie erhielt keine Antwort. Cheryl bewegte sich keinen Millimeter, sie sah aus, als wäre sie versteinert.
Ronnie sah Toni vielsagend an und formte mit den Lippen ein stummes, aber durchaus eindringliches ‚Na los!', bevor sie das Serpent Mädchen einen Schritt nach vorne schubste.
Verzweifelt fuhr sich Toni durch die noch immer nassen Haare, ihr Herz war ihr schon längst in die Hosentasche gerutscht. Doch je länger sie hier in diesem Raum stand, desto größer wurde ihr Bedürfnis, mit Cheryl zu sprechen.
Als würde sie von einer unsichtbaren Macht angezogen, bewegte sie sich ganz langsam ein paar Schritte näher an das Bett heran. Sie warf Veronica einen weiteren Blick über die Schulter zu, die erneut auffordernd eine Geste in ihre Richtung machte, und atmete dann ein letztes Mal durch, bevor sie sprach.
„Cheryl?"———
Part 48 meine Lieben! 🎉
Ich habe mich extra für euch beeilt und hoffe, er gefällt euch! 😬
Lasst gerne eure Meinung in den Kommentaren da oder stimmt für den Teil ab, wenn er euch gefällt. So weiß ich dann auch, dass ich nicht umsonst schreibe 😊Stay tuned for Part 49 🐍🍒
Shannon
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Choni ~ You Bring Out The Best In Me 🐍🍒
Fiksi PenggemarHallo ihr Lieben! Dies ist meine Choni Fanfiction und gleichzeitig auch meine erste Fanfiction überhaupt! Ich hoffe sie gefällt euch und wünsche euch viel Spaß beim Lesen! :) 23.Mai 2018 : #1 in ‚Choni' (Angesagt)♥️ 02. Juni 2018: #17 in ‚lovestory...