Das Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste war ungewöhnlich aufgeräumt. Die anderen hatten schon brav hinter den Pulten Platz genommen, und so taten Ron und ich dies ebenfalls schnell.
Bevor der Professor jedoch auch nur ein Wort gesagt hatte, erkannte ich ihn. Es war Remus Lupin - der Mann, der so kreidebleich an jenem Tag in mein Zimmer gekommen und später auch bei der Versammlung dabei war. Er musste ein Ordensmitglied sein. Schon verrückt, wie sehr ich mich noch an jenen Tag erinnern konnte.
Trotz des Herzrasens entschied ich, diese Tatsache erst einmal auszublenden und Lupin später irgendwann darauf anzusprechen.
Lupin erklärte, wir würden uns diese Stunde mit Irrwichtern befassen. Er fragte uns Schüler und Schülerinnen nach diesen Wesen aus und meinte schließlich, er hätte selbst eines mitgebracht.Neugierig folgten wir ihm alle in einen anderen Raum und stellten uns dort in einer Reihe vor einem Schrank auf, indem unsere größte Angst lauern sollte. Je länger ich über diese Tatsache nachdachte, desto furchtbarer wurde die Vorstellung, vor allen anderen Bloßgestellt zu werden. Das Schlimmste war, ich wusste selber nicht genau, was meine größte Angst war.
Es kamen zwei Personen vor mir dran, und als beide kreidebleich ihren – wirklich recht harmlosen – Ängsten gegenüberstanden hätte ich mich am liebsten irgendwo versteckt. Leider musste jeder drankommen.
„Miss Vance, richtig?", fragte Lupin. Obwohl ich ihm in die Augen blickte, erkannte ich nicht, ob er wusste, wer ich war. Aber es wäre wohl ziemlich realistisch, da er bei der Besprechung dabeigewesen war, in der beschlossen wurde, dass ich zu Emm kommen sollte. Vielleicht wollte Lupin einfach auch lieber ohne Vorurteilen mich neu kennenlernen? Sicher war dies auch der einzig richtige Weg.
„Ja, ich bin bereit", sagte ich also, stellte mich aufrecht hin, merkte wie ich zitterte und wartete voller bange auf den Irrwicht.
Erst sah man nichts. Nach ein paar Sekunden aber hörte man eine zarte Kinderstimme aus dem Schrank. Ganz offenbar meine, als ich etwa vier Jahre alt war. Die Stimme war hell und kindlich, und doch sprach sie, als wäre sie erwachsen: „Alecto, erkennst du deine Angst?"
Die kleine vierjährige Alecto trat aus dem Schrank. Sie hatte zwei lange schwarze Zöpfe und war noch bleicher, als ihre ältere Version. Ihre grünen Augen funkelten wie zwei Smaragde.
Ein Kloß bildete sich in meiner Luftröhre, als ich die Zeichnung erkannte, die das Mädchen in den Händen hielt. Es war ein Gemälde meines Vaters, welches ich vor vielen Jahren tatsächlich einmal angefertigt hatte. Es war in jener Nacht abhanden gekommen. Vielleicht lag es noch in einen der Kästen meines alten Hauses? Aber existierte dieses Gebäude überhaupt noch?
Mein Körper begann zu zittern.„Miss Vance, stellen Sie sich Ihrer Angst! Verzaubern Sie sie."
„Alecto, ich bin deine Vergangenheit. Ich bin das Mädchen, das ihren Vater verloren hat. Ich bin das Mädchen, das-"
„Riddikulus."Ich ließ meinen Stab zu Boden fallen. Den nutzlosen Zauberstab, der zitternd in meinen Händen gelegen hatte. In den Händen eines schwachen Mädchens, das von ihrem Lehrer gerettet werden musste. Beschämt wandte ich den Kopf von dem kleinen Teddybären, der die kleine vierjährige Alecto ersetzt hatte, ab. Ich war ein Loser.
„Alecto." Als ich an Hermine vorbei ging, strich sie sanft über meinen Oberarm. Ich lief mit gesenkten Kopf an ihr vorbei nach hinten ins Klassenzimmer.
Die Ängste der anderen waren meist irgendwelche Tiere, ob magischer Natur, oder nicht. Ron fürchtete sich zum Beispiel vor Spinnen, und bei Harry dachte ich erst, er hätte vor Geistern angst. Beim genaueren Betrachten, erkannte ich jedoch den Dementor. Dieser verwandelte sich aber, und bevor er zu seiner vollständigen Gestalt wuchs, sprang Lupin nach vorne und schrie: „Riddikulus."
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Die Tochter des dunklen Lords (Harry Potter Fanfiction)
FanfictionGrausam. Kalt. Herzlos. So würden die meisten Hexen und Zauberer den Mann beschreiben, der diskriminiert, tyrannisiert, foltert und mordet. So aber nicht seine Tochter. Der dunkle Lord hatte nämlich vier Jahre lang Zeit, seiner Tochter seine Ansicht...