Sauerstoffmangel

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Langsam öffnete ich die Augen. Ich wendete meinen Kopf nach rechts und schaute auf die Uhrzeit, die mir mein altmodisch goldener Wecker verriet. Es war gerade mal 7:03 Uhr und ich schlief nicht mehr.

Ein toller Start in die Ferien war das nicht. Zum Glück musste ich aber nicht auf meine Lautstärke achten, da meine Mutter bei ihrer Schwester übernachtete und ich somit alleine im Haus war. Ich schaltete das Radio ein und hörte Musik. Leider war das Lied auch sofort zu Ende, weshalb die Nachrichten verkündet wurden.

 "Es ist 16 Uhr und jetzt hören wir die aktuellsten Nachrichten von unserem Nachrichtensprecher Bernd..." Alles um mich herum wurde leiser. Es war wirklich schon so spät? Ich wollte mich heute eigentlich mit meiner Freundin treffen, aber das schon vor einer Stunde. Etwas umständlich zog ich mein Handy aus meiner Schultasche und suchte ihre Nummer. Ich fand sie schnell und drückte auf den 'Anrufen' - Knopf.

Ein Leerzeichen ertönte und nach kurzer Zeit verkündete mir eine metallische Stimme, dass ich kein Signal hätte. Das war nicht sehr ungewöhnlich, öfters hatte ich bei uns im Haus kein Signal. Ich öffnete meine Türe und begab mich ins Vorzimmer, dort, wo unser Festnetz-Telefon seine Zeit verbrachte und eigentlich nur darauf wartete, bis jemand telefonierte. So verstaubt wie es war. Also nahm ich den Hörer in meine linke Hand, hielt es an mein linkes Ohr und wählte mit meiner rechten Hand die Nummer meiner Freundin.

Wieder ertönte ein Leerzeichen. Dann hörte ich nichts mehr. Das wunderte mich nicht, aber was mich wunderte, war die Tür. Die Tür. Ja, welche Tür? Die Tür war nicht mehr hier. Weg, nicht an ihrem Ort. Entweder war ich total bescheuert, da ich den Platz meiner Tür nicht mehr kannte, oder sie war einfach weg. Natürlich hoffte ich darauf, dass ich total bescheuert war und meine Tür einfach ganz woanders stünde, aber ich war mir nicht sicher.

Ich konnte doch nicht den Ort meiner Tür vergessen. Allerdings könnte ich mir soetwas zutrauen. Leise und weit entfernt hörte ich ein kleines Klimpern. Kam meine Mutter nach Hause? "Hallo?", rief ich durch das Haus. Dabei drehte ich mich im Kreis, um meine Tür zu finden, aber sie war nicht im Vorzimmer. Als nächstes durchsuchte ich das Wohnzimmer.

Das Wohnzimmer beinhaltete ein Sofa, einen Computer, einen Esstisch und einen Fernseher, der über einem Regal an der Wand hing. Es sah sehr leer hier drinnen aus, da das Wohnzimmer eigentlich ziemlich groß war. Die zwei Fenster, die gegenüber von mir einen Ausblick auf unseren Vorgarten zeigten, waren geschlossen, obwohl ich mich daran erinnerte, wie ich mindestens eines der Fenster gestern geöffnet hatte.

Mir fiel auch erst jetzt ein, dass die Griffe, mit denen man die Fenster öffnen konnte, nicht da waren. Sie waren weg. Existierten nicht mehr. 'Hallo?', rief ich durch das scheinbar leere Haus. Das alles war sicher nur ein Traum. Eine Tür und die Griffe von Fenstern konnten doch nicht so schnell und leise verschwinden, oder?

Auch in den anderen Räumen fand ich weder Griffe an den Fenstern, noch irgendeine Tür. Trotzdem schaute ich mich noch einmal im ganzen Haus um, aber es war immer noch keine Eingangstür oder Griffe an den Fenstern zu sehen. Ich stand jetzt wieder dort, wo alles begann. In meinem Zimmer. Das konnte nur ein Traum sein.

Das...das ist unmöglich. Erst jetzt bemerkte ich, wie stickig es hier war. Als hätte man für drei Monate keine frische Luft in das Haus gelassen. Mir wurde schwindlig. Ich war nervös und wollte wieder an meinen Fingernägeln kauen, aber ich hatte mir vor einigen Jahren geschworen, damit aufzuhören. Was sollte ich nur machen?

 Mir kam ein Gefühl, das ich schon einmal hatte, als ich in die Schule kam. Damals hatte mich meine Mutter zur Schule gebracht und als sie gehen wollte, klammerte ich mich fest an sie und ließ sie nicht los. Sie ging trotzdem und ich wollte damals weinen, wollte aber ebenso nicht vor meinen Klassenkollegen Schwäche zeigen. Ich hatte damals das Gefühl, allein gelassen zu werden. Genau dieses Gefühl verbarg sich jetzt auch irgendwo in meinem Inneren und drängelte sich nach oben zu meinem Gehirn, um davon Besitz zu ergreifen und meinen Körper und meine Taten zu steuern.

Ich schreibe und schreibeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt