Insel

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Weg! Weit weg. Auf einer einsamen Insel. Das Meer geht bis zum Horizont und der Himmel reicht wieder zurück. Abgeschnitten von jeglicher Zivilisation, so fühle ich mich.
Doch es ist nicht schön. Denn die Sonne ist schon lange verschwunden, noch bevor der Kontakt zur Außenwelt abbrach. Es ist trist. Öde. Einsam. Verlassen. Du kannst es nennen, wie du willst, ich nenne es abgeschnitten. Von allem, was dir etwas bedeutet: Freunde, Familie, Besitz. Abgeschnitten von allem und jedem. Einsam hockst du hier auf deiner Insel. Jeder Tag gleicht dem Anderen. Es ist langweilig, so abgeschnitten zu sein. Doch vor allem anderen ist es traurig. Du bist traurig. Du sitzt hier. Allein.
Früher, da hattest du alles, warst glücklich. Und es war für dich selbstverständlich.
Doch jetzt, wo du nichts hast, außer der Insel, die dich vor dem Tod beschützt, bist du sogar dafür dankbar.
Früher war alles gut. Alle glücklich.
Doch dann kam der Sturm. Erst langsam sind Beziehungen loser geworden, dann schlecht. Schließlich nicht mehr existent. Doch so war das mit allem, was du hattest. Außer der Insel. Dem schmalen Grad, an den du dich klammerst, um nicht unterzugehen, im Nichts zu versinken.
Doch jetzt fragst du dich, wie lange die Insel noch bleibt. Ob sie noch lange genug bleibt, ob du überhaupt noch eine Chance hast, außer zu versinken. Zu hoffen, dass es nicht noch schlimmer wird.
Doch noch hält die Insel. Noch bist du sicher. Noch.
Am Liebsten würdest du versinken, dem Ganzen ein Ende bereiten. Weil du das ewige Dasein in Trauer, Verlust und Zweifel leid bist.
Doch was passiert, wenn doch noch, eines Tages, jemand kommt? Jemand, den du kennst, den du liebst. Deine Familie. Wenn du versunken bist, bist du weg, wirst es nicht mehr erleben. Aber vor Allem wirst du sie, die nach dir gesucht haben, traurig machen. Weil sie dich wieder nicht gefunden haben, obwohl sie dich fast hätten finden können.
Nur, weil du ihnen dieses Leid nicht antun willst, welches du schon so lange erträgst. Weil du ihren Mut, ihren Tatendrang belohnen willst. Weil du damals enttäuscht worden bist, als du alles versucht hast, um es aufzuhalten. Um von der Insel zu kommen.
Doch irgendwann sind dir die Ideen ausgegangen, weil du in zu viele Sackgassen gelaufen bist. Und wenn es nur war, weil du keine Informationen hattest. Du hast aufgehört. Aufgehört, überhaupt zu fragen, dich zu wehren.
Du hast angefangen, es zuzulassen. Mit jedem mal, dass du nicht gefragt hast, ein Stückchen weiter.
Wenn du gerettet wirst, sei tapfer. Wenn du versunken bist, geht es dir hoffentlich besser. Doch wenn du für immer auf der Insel fest sitzt, dann bist du verloren. Du befindest dich zwischen Leben und Tod, doch du wirst nie eines davon erreichen.

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