Das Frühlingsfest war langweiliger als ohnehin erwartet. Die Performances waren durchschnittlich, bei einem kleinen Tanzauftritt fing eines der Kinder an schreiend zu weinen und alles in allem schienen die meisten Leute ihren halbherzigen Optimismus nur vorzutäuschen. In den Reihen des Publikums waren jedenfalls viele lange Gesichter zu sehen, gelangweiltes Schnauben oder ein "jedes Jahr das selbe" zu hören und das Wetter schien nach einer Weile auch nicht mehr mitspielen zu wollen, denn es wurde grau und ein kühler Lufthauch strich immer mal wieder über meine unbekleideten Arme.
Dennoch rührte sich kaum jemand von der Stelle und die Performance wurde weiter verfolgt. Bis eine Reihe von traditionellen Instrumenten aufgestellt wurde und eine weitere Gruppe von Kindern auf die Bühne trat, gekleidet in bunten Hanboks und begleitet von einer Lächelnden Musiklehrerin, deren Lippen kirschrot hervorstachen und ihre Haut umso blasser wirken ließen. Die schwarzen Haare hatte sie sich zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt und auch sie trug einen Hanbok, mit einem Rock so kirschrot wie ihre Lippen.
Ihr lächeln schien echt und es schien ein Umschwung durch die Reihen zu gehen, als die fröhliche Gestalt die Kinder sanft vor sich her scheuchte und sie anleitete auf ihre angewiesenen Plätze zu gehen.Die Kinder schienen dieses mal weniger quirlig und aufgeregt und nahmen brav vor ihren Instrumenten Platz, ehe Cho Yejin vor eine Gayageum kniete und durch Zupfen die ersten Töne erklingen ließ.
Das Publikum war nun gefesselt, obwohl die Performance noch nicht begonnen hatte. Kurz machte sich aufgeregtes Gemurmel breit, ehe ein schneller Rhythmus gezupft wurde und Cho Yejin mit geübten Fingern ihr Instrument spielte. Sie wirkte konzentriert, doch gleichzeitig war ihr Gesichtsausdruck sanft.
Als die Töne des Gayageum verstummten, setzten die Kinder mit ihren Instrumenten an und es wurden Trommeln, weitere Saiteninstrumente und Klanghölzer bespielt. Die Kinder und die Musiklehrerin ließen dramatische Pausen, vollführten windende Arm und Handbewegungen oder drehten sich mit den Klanghölzern in den Händen, damit eine einheitliche, aufeinander abgestimmte Bewegung auf der Bühne entstand, die die rein instrumentelle Musik noch lebendiger wirken ließ.Die Stimmung wurde allmählig ausgelassener und die Aufregung in den Reihen stieg an, als wusste das Publikum, was als nächstes folgen würde.
Wahrscheinlich wussten sie es wirklich, wenn der Ablauf wie jedes Jahr der selbe war.
Die Musik auf der Bühne nahm ein abruptes, lautes Ende und die Kinder an den Trommeln hielten ihre Hände samt Schlägel in die Höhe, während die anderen verschiedene Posen annahmen, gespiegelt zu denen auf der gegenüberliegenden Seite auf der Bühne.
Die Musiklehrerin in der Mitte hatte die Hände auf den Schoß gelegt und lächelte leise, ehe ein tosender Applaus losbrach und die Gruppe die Posen auflöste. Cho Yejin bedeutete den Kindern nach vorne an den Bühnenrand zu treten und verbeugte sich zusammen mit ihnen.
Anschließend stürmten die Kinder von der Bühne, wo sie von stolzen Eltern und Großeltern in Empfang genommen wurden und sich dann mit ihnen in die Reihen der Zuschauer gesellten.
Während Cho Yejin ein Mikrofon gereicht bekam, ging Bewegung durch die Reihen und zu meiner Verwunderung wurden bunte Sitzkissen durchgereicht.
"Hallo, liebe Dorfbewohner, Dorfbewohnerinnen, Gäste von außerhalb, groß und klein, ich hoffe euch hat die Show bisher gefallen. Wir kommen nun zum Abschluss der heutigen Bühnenshow, doch das Fest ist danach noch lange nicht vorbei. Mrs. Sang, ihre Tochter Chinhae und Mr. und Mrs. Lee bereiten gerade das Buffet für den Abend vor, das durch großzügige Essensspenden von einigen Bewohnern zu einem der beachtlichsten Buffets herangewachsen ist, das ich im Laufe der Frühlingsfeste, denen ich bisher beiwohnen durfte, je gesehen habe und es wird wie immer ein kleiner Markt eröffnen, der in den nächsten beiden Tagen fortgesetzt wird, ganz nach Tradition.
Aber jetzt, macht es euch gemütlich. Ich hoffe ihr genießt die nächsten zwei Stunden, in denen ich euch eine kleine Geschichte erzählen werde, die ein wenig tragisch beginnt, aber im weiteren Verlauf dennoch zur Leichtigkeit des Frühlings passt. Zumindest das kann ich euch schon einmal verraten."
Cho Yejin beendete ihre kleine Rede mit einem freundlichen Zwinkern in die Runde und alle applaudierten ihr ein weiteres mal. Taehyung neben mir schien der Lauteste und Begeistertste von allen zu sein.Die Musiklehrerin setzte sich zurück hinter ihr Gayageum und nachdem sie das Mikrofon in eine Halterung gesteckt hatte, dass auf ihre Sitzposition angepasst worden war, begann sie erneut etwas auf ihrem Instrument zu spielen.
Sie schloss die Augen, das strahlende Lächeln, mit dem sie das Publikum bedacht hatte, verschwand. Mit geschlossenem Mund erklang ihre Stimme in einem wohligen Summen, das von Saitenschlag zu Saitenschlag anschwoll und als sie ihr Spiel unterbrach, öffnete sie die Augen und es war, als würde ihr Blick direkt auf meinen Treffen, mit einer traurigen Unnachgiebigkeit, die mich schlucken ließ.
Die ersten Worte sang sie leise, doch durch das Mikrofon gut verständlich, ehe ihre Stimme lauter wurde und eine Geschichte erzählte, die mir eine Gänsehaut bereitete. Wie angekündigt war sie tragisch und von Schmerz erfüllt und ihre helle Stimme wurde von einem vollen Unterton bestimmt, der ihren Gesang rund und klar und den Schmerz darin auf mütterliche Art ausdrückte.
Es ging um ein verlorenes Kind, einen tragischen Tod, ausgeschmückt mit Metaphern, Sinnbildern, märchenhaften Adjektiven und der Gesichtsausdruck, den die Gwangdae trug, während sie von dieser Geschichte erzählte, war so schmerzerfüllt, dass ich ihr sofort abgekauft hätte, dass es ihre eigene Geschichte war, wäre sie nicht so unglaublich jung und ein paar Minuten vorher noch so fröhlich gewesen.Nur kurz konnte ich meinen Blick von ihr abwenden, um zu sehen, wie Taehyung der Mund offen stand. Er war ganz ruhig geworden und auch ihn schien die Performance zu berühren.
Mittlerweile war Cho Yejin aufgestanden. Eine Trommel begleitete nun ihren Gesang, wie es bei einem klassischen Pansori üblich war und die Frau auf der Bühne schien das Publikum direkt anzusprechen, wirkte gleichzeitig aber auch, als wäre sie in einer anderen Welt, in ihren Gedanken und dachte an das, was der Geschichte zufolge passiert war.
Ihr Hanbok schwang um sie herum, während sie fließende Bewegungen machte, als würde sie die Szene spielen, die sie uns gerade offenbarte und es wirkte beinahe, als würde sie einen traurigen Tanz in ihre Geschichte mit einweben, bis sie sich wieder hinter ihr Gayageum setzte und eine neue Melodie anspielte, die heiterer klang, als die erste.
Noch immer war Trauer spürbar, sie war tief verankert in der Person, die diese Geschichte erzählte, in der Figur, die Cho Yejin darstellte, doch nun war ein Funken Hoffnung zu erspüren, ganz leicht und nur durch den Gesang, den Klang ihrer Stimme erkennbar.
Ihre Mimik blieb weiter traurig, ihre Haltung versuchte Stärke zu bewahren, doch die Wunden, die das Schicksal ihr zugefügt hatten, waren so offenbar, dass sie nicht einmal durch das Lächeln verdeckt werden konnten, als sich eine Wendung auftat.Ich konnte nicht sagen, ob das alles zum Schauspiel gehörte. Ich hatte noch nie eine Pansori Performance gesehen und doch fragte ich mich, ob jede Gwangdae ihre Kunst so lebhaft darstellen konnte, wie Cho Yejin es tat.
Als ihr Gesang endete, dämmerte es bereits leicht und schon jetzt bereitete sich eine unergründbare Sehnsucht in mir aus, denn die Geschichte war noch nicht zu Ende und sie hatte, wie einige Male zuvor, eine dramatische Wendung genommen, bevor die Vorstellung für heute beendet war.
Nach ihrem Auftritt sah die Musiklehrerin für einen kurzen Augenblick so aufgewühlt aus, wie ich mich nach ihrer Geschichte fühlte, doch sie hatte sich schneller gefangen als ich es nach dieser atemberaubenden Performance für möglich gehalten hätte und schenkte den klatschenden Dorfbewohnern ein feines Lächeln, ehe sie aufstand und sich verbeugte.
Sie nahm ihr Instrument auf und trat ohne letzte Worte von der Bühne. Die übernahm ein Mann im mittleren Alter, doch ich konnte sie nicht wirklich mitverfolgen, denn mein Blick hing noch immer auf der zierlichen Frau mit der klangvollen und beherrschten Stimme, die nun hinter der Bühne und damit aus meinem Blickfeld entschwand.
Genau wie Astra Black, verschwand sie einfach nach einem Auftritt, der mir die Luft zum Atmen nahm. Doch diese beiden Künstlerinnen hätten unterschiedlicher nicht sein können.
Verwunderlich, wie ihr beider Schmerz, ob gespielt oder ehrlich empfunden, eine ähnliche Intensität ausstrahlen und mich so sehr berühren konnte.
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the most painful things || kim namjoon
Fanfiction♫ Die schmerzhaftesten Dinge sind nicht die, die für jede Menschseele offen sichtbar sind, sondern die, die man unter der Oberfläche mit sich herumträgt. ♫ Als der von einer Blockade geplagte Musikproduzent Kim Namjoon in die ländlichste Gegend zieh...