Kapitel fünfzehn | Die Liebe meiner Eltern

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Ich wurde Samstagmorgen von meinem Vater geweckt. Er schrie mit meiner Mutter in der Küche um die Wette. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber das war sowieso scheißegal. Ein Blick auf mein Handy sagte mir, dass es kurz nach 8 war.

Das war noch nicht mal früh für die beiden. Einmal hatten sie schon um 5 Uhr in der Küche gestanden und sich wegen irgendeinem Kack, den sowieso kein Schwein interessierte, gestritten. Ich sah meine Eltern nur noch streiten wenn sie zusammen waren, ich konnte mir null vorstellen, dass sie sich irgendwann mal so sehr geliebt haben um zu heiraten und drei Kinder zu bekommen. Aber Natalie sagte mir immer - schon seit ich klein war - sie hatten sich geliebt und in ihnen steckte immer noch Liebe.

Oh ja, Liebe hatten meine Eltern reichlich. Mein Vater führte eine innige Beziehung zu Alkohol und ab und zu hatten die beiden einen flotten Dreier mit Gras oder irgendwelchen anderen Drogen, die nicht all zu krass waren. Meine Mutter konnte sich einfach nicht von Schlaftabletten oder jegliche andere Drogen, die einen wie ein Stein schlafen ließen, trennen. Was sie schlafen ließ war ihr anscheinend relativ egal. Außerdem rauchte sie ganze Zigarettenschachteln wenn sie wach war.

Natürlich war da kein Platz mehr für ihre Kinder, geschweige denn den jeweils anderen.

Ich stöhnte leicht als das Geschrei noch lauter wurde und zog die Bettdecke über meinen Kopf. Ich wollte mich verstecken. Unsichtbar sein. So als könnte ich, wenn ich mich genug anstrengte, den ganzen Scheiß hinter mir lassen.

In ein Heim zu kommen wäre wahrscheinlich kein großes Upgrade. Da sind haufenweise Kinder, die sich nicht geliebt fühlen. Haufenweise Kinder, die genau dasselbe durchmachen mussten oder noch viel Schlimmeres. Haufenweise Kinder, die auf eine Familie und auf eine zweite Chance hoffen und letztendlich daran kaputtgehen.

Deswegen blieb ich da wo ich war. Das war alles andere als schön oder gemütlich, aber es war mein Zuhause. Ein beschissenes Zuhause, aber wenigstens war das mein Bett und kein Klappergestell auf dem schon viele Ärsche gelegen haben.

Allein die Vorstellung in einem Bett zu schlafen, in dem vielleicht schon mal jemand jegliche Art von sexueller Befriedigung hatte, brachte einen Kotzreiz in mir hervor.

Fazit: Egal wie scheiße deine Scheiße ist, es geht noch schlimmer.

Seitdem ich zu diesem Entschluss gekommen war, lebte es sich tatsächlich leichter und ich war mega dankbar für die Sachen geworden, die ich hatte.

Ein Dach über dem Kopf. Eine große Schwester, die mir immer wieder die Hand hinhielt, egal wie tief ich in der Kacke steckte. Freunde fürs Leben.

Und ich weiß, dass das ultra kitschig klingt, aber es ist die Wahrheit. Es gibt Menschen, die haben nicht mal das und die würden alles dafür tun mein beschissenes Leben führen zu können.

Ich seufzte und nahm mein Handy in die Hand. Jetzt rauszugehen war keine gute Idee, denn es führte kein Weg an den beiden vorbei.

Wollte ich aufs Klo musste ich an der Küche vorbei, in der sich meine Eltern wahrscheinlich befanden.

Wollte ich in Natalie oder Harlows Zimmer, würden mich meine Eltern definitiv hören, egal wie laut ihr Geschrei war.

Und wenn sie mich hörten dann gab es zwei Optionen: mein Vater fand einen Grund mir eins auf die Fresse zu geben oder meine Mutter drückte mir einen dieser Spielzeug-Geldscheine mit denen Natalie mir und Harlow beigebracht hatte mit Geld umzugehen (wir haben immer kleine Rollenspiele gespielt) in die Hand und sagt zu mir, ich sollte zu dem kleinen Supermarkt um die Ecke gehen, der übrigens Leos Mom gehörte und einen Kasten Bier holen.

Und sagen wir's so: ich hatte weder Bock auf ein blaues Auge, noch so früh einen Kasten Bier zu holen. Vor allem weil mir Fake 50 Dollar nicht wirklich weiterhelfen würde.

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