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Es war 4:55 Uhr, ich lag unter meiner warmen Bettdecke und wartete auf den Moment, an dem ich es schaffen würde aufzustehen.

Doch ich wollte Rio nicht warten lassen. Deshalb zählte ich von drei runter und stand auf. Dieser Trick funktionierte bei mir immer.
Leise, in dem Versuch Marlee nicht aufzuwecken, suchte ich einen Hoodie und eine Sportleggings aus meinem Koffer. Im Bad zog ich mich um, band meine Haare zu einem lockeren Dutt zusammen und suchte meine Lieblings Creolen heraus, damit ich mich nicht allzu gammlig fühlte. Bevor ich unser Zimmer verließ schnappte ich mein Handy, schlüpfte in meine weißen Sneaker und schloss dann vorsichtig hinter mir die Tür.

Im Flur war dieses grelle Licht an und einmal mehr verfluchte ich Rio für die Wahl dieser Uhrzeit.
Verschlafen schlurfte ich an der leeren Lobby vorbei durch die Drehtür hinaus ins Freie. Da die Sonne noch nicht aufgegangen war, war es noch recht frisch. Ich schlang meine Arme um mich und sah kritisch an mir herunter. Das nächste Mal sollte ich bei der Wahl meines Outfits vielleicht daran denken, dass draußen nur die Sonne für Wärme sorgte. Der Fakt, dass wir in Mexiko waren brachte mir da nicht gerade viel solange es noch dunkel war.
Egal, mit der Zeit würde es sowieso wärmer werden.

Nach Rio Ausschau haltend lief ich auf die Bank zu, auf der wir am ersten Abend gesessen hatten. Da ich ihn noch nirgends entdeckt hatte, setzte ich mich hin und schaute auf die Uhr meines Handys.
5:03 Uhr.
Na super. Da scheuchte er mich so früh aus dem Bett und jetzt ließ er mich warten.

Ich zog meine Beine an, setzte die Kapuze meines Hoodies auf und verschränkte meine Arme vor der Brust.
Dann würde ich die Zeit eben nicht mit warten, sondern mit schlafen verbringen. Mein Schönheitsschlaf durfte auf keinen Fall zu kurz kommen.

„Ey chica, aufwachen!", hörte ich eine laute Stimme. Blinzelnd öffnete ich die Augen und brauchte einen Augenblick bis mir wieder bewusst war, wo ich mich befand. Rio schnipste mit einer Hand vor meinem Gesicht herum und versuchte mich wach zu bekommen.
Gähnend streckte ich mich.
Rio hatte jetzt sicherlich einen klasse Blick auf mein Doppelkinn.
Egal, die extra Runde Schlaf hatte sich gelohnt.

„Ist ja gut, ich bin doch schon wach.", murmelte ich, immer noch leicht verschlafen.

„Und, was schlägst du vor machen wir jetzt?", fragte Rio ungeduldig.

„Naja, viel kann man nicht machen um diese Uhrzeit.", sagte ich vorwurfsvoll und warf ihm einen bösen Blick zu.

„Gut, dann bleiben wir eben hier.", meinte Rio schulterzuckend und setzte sich neben mich. Dieses Mal sogar mit weniger Abstand als letztes Mal.
„Außerdem tut es dir gut zur Abwechslung mal früher aus dem Bett zu kommen.", fügte er etwas arrogant hinzu.

„Hallo? Wenn ich zur Schule gehe stehe ich auch nicht auf, wann ich will.", empört verschränkte ich die Arme vor der Brust. Nur weil ich in einem wohlständigeren Land aufgewachsen bin als er, heißt es nicht, dass ich den ganzen Tag machen kann was ich will.

„Oh du arme. Du kannst zur Schule gehen? Was du wohl für ein unfaires Leben haben muss."
Er lachte verächtlich und rutschte auf der Bank etwas nach vorne.
Es machte mich wütend, dass er meinen müsste mein Leben wäre nicht unfair gewesen, obwohl er absolut keine Ahnung hatte was ich durchmachen musste.

„Du hast doch keine Ahnung!", zischte ich.
„Und außerdem ist man doch selbst Schuld wenn man die Schule abbricht."

„Du meinst also ich habe mit 15 Jahren aufgehört weil ich keinen Bock mehr hatte?"
Nun war er der, der wütend wurde. Scheinbar hatte ich damit bei ihm einen Nerv getroffen.

„Was weiß ich.", genervt verdrehte ich die Augen. Das hier verlief in eine ganz andere Richtung als ich ursprünglich vor hatte.
Ich fragte mich langsam, was ich mir dabei gedacht hatte einfach mal so eine Person zu treffen, die ich so gut wie gar nicht kannte.
Mal wieder wurde mir ein Grund gegeben, Menschen nicht zu mögen.

Before DawnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt