Ich renne, ich laufe, ich sprinte.
Ich weiß nicht wohin, nur das ich extrem spät dran bin und mich auf keinen Fall verspäten darf. Wenn ich mich verspäte, würde das schrecklich sein.
Ich laufe durch enge Gassen, die wie ausgestorben scheinen und über breite Straßen voller Menschen. Zum ersten Mal seit ich mich erinnern kann, stören mich diese vielen Menschen nicht. Mir bleibt allerdings keine Zeit mich darüber zu wundern, denn ich muss weiter, immer weiter. Ich laufe durch diese riesige Stadt, in welcher ich noch nie gewesen bin und dennoch weiß ich ganz genau wo ich entlang muss.
Die Straße endet und ich stehe in einem weitläufigen Park. Etwas weiter weg veranstaltet eine Familie ein Picknick, die zwei Söhne spielen mit einem Ball. Hinter der Familie dehnt sich eine Joggerin und noch weiter hinten sehe ich ein Pärchen mit einem Hund durch über die Wiese gehen. Der Park ist voller Menschen, die allerdings so weit weg sind das ich mir doch alleine vorkomme.
Ich sehe mich suchend um, doch ich weiß nicht was ich mir zu finden erhoffe.
Ich werde es wissen, wenn ich es sehe.
Etwas trifft mich am Arm. Ich drehe mich um und sehe den Ball der kleinen Jungs. Sie scheinen schüchtern zu sein, trauen sich nicht zu mir her. Also nehme ich den Ball, werfe ihn zu den beiden und sehe wie sie ihn fangen. Sie bedanken sich schüchtern bei mir und rennen weg. Ich muss lächeln, drehe mich um und stoße mit jemandem zusammen. Bevor ich mich entschuldigen kann hebt der Unbekannte mein Gesicht an und sagt etwas. Ich kann es nicht hören, aber an seinen Lippenbewegungen ablesen.Endlich.
Von lauter Musik werde ich geweckt, sie kommt aus dem angrenzenden Badezimmer. Mein Cousin hielt noch nie etwas von Ruhe und Frieden, deswegen befinden wir uns auch hier, in diesem Hotelzimmer in New York, der Stadt, die niemals schläft. Sie passt zu ihm, genau wie er zu ihr. Jake war schon immer für jede Aufregung und jedes Abenteuer zu haben.
Die Frage ist viel eher, warum auch ich hier bin.
Im Gegensatz zu meinem Cousin war ich immer die ruhigere, besonnenere Person von uns beiden, diejenige die ihre Abenteuer viel lieber in Büchern erlebt als in der realen Welt und niemals etwas tut, das aus der Reihe fällt. Aber als er mich angebettelt hat mitzukommen, auf diese Rundreise die er für sich und seine – jetzige – Exfreundin gebucht hat, konnte ich nicht ablehnen.
Also sitze ich hier, in einem fremden Hotelzimmer und versuche mich abzulenken, indem ich über den Traum nachdenke. Neu ist er nicht, ganz im Gegenteil, ich träume diesen Traum schon seit ich denken kann. Nur das war das erste Mal das ich erkannt habe was dieser Mann sagt.
Ich habe schon Traumdeutungsbücher gewälzt, mit Möchtegern-Seherinnen geredet und meine Tante, die Psychologin, versucht seit gefühlten Ewigkeiten herauszufinden was dieser Traum bedeutet.
Mit keinem Ergebnis.
Eigentlich habe ich aufgegeben, ich träume diesen Traum halt, nicht weiter aufregend, aber das dieser Typ jetzt etwas gesagt hat, das ich gesehen habe was er gesagt hat, lässt mich wieder zum rätseln übergehen. Was könnte dieser Traum mir sagen wollen?Als die Tür knallt werde ich aus meinen Überlegungen gerissen. Schnell flüchte ich ins Bad bevor Jake mein ‚Rätsel-Gesicht' sieht, wie er es immer nennt. Er ist der eine Mensch auf der Welt, der mir am nächsten steht und er kennt mich vermutlich besser als ich mich selbst. Aber ich will gerade nicht über diesen Traum reden, also flüchte ich, bevor ich mich damit auseinandersetzen muss.
Später an diesem Tag stehe ich mit Jake im Museum of Modern Art und sehe mir den eine Statue mit zwei Küken an, welche hier zusammen mit allem möglichen anderen Statuen und Bildern herumsteht. Als Künstlerin finde ich normalerweise wenigstens die Bilder interessant, aber heute kann ich mich beim besten Willen nicht konzentrieren. Es ist, als würde meine Aufmerksamkeit durch etwas anderes angezogen werden, etwas weiter weg, außerhalb des Museums.
Ich seufze und gehe schnell Jake hinterher, der schon beim nächsten Ausstellungsstück ist. Er sieht mich kommen und schaut mich mit seinem Röntgenblick an. Es ist nur ein normaler Blick, nicht wie in diesen Comics, die er so liebt, aber wenn er mich mit diesem Blick ansieht, sieht er genau was in mir vorgeht.
Mein Cousin schaut mich einfach nur an und nickt mit dem Kopf zum Ausgang, nebenbei macht er eine Handbewegung auf Höhe der Hüfte. Geh ruhig, ich komm klar, sagt diese Geste.
Mit einem neuerlichen Seufzer und einem Nicken in Jakes Richtung gehe ich auf den Ausgang zu und trete an die frische Luft. Mir geht so viel durch den Kopf das ich es gar nicht benennen kann und ich beschließe, dass ich Bewegung brauche. Etwas verplant wandere ich durch die Straßen mit vielen Menschen, biege in eine kleinere Gasse ab, die wie ausgestorben scheint, bevor ich auf die nächste große Straße komme. Laut Schildern ist das die 5th Avenue und direkt neben mir geht es in den Central Park.
Kurz überlege ich, aber dann laufe ich doch in den Park. Es sind Menschen hier, für meine Verhältnisse relativ viele sogar, doch nicht so als das ich mich bedrängt fühlen würde. In mir baut sich ein komisches Gefühl auf und ich sehe mich um. Eine Joggerin, die sich dehnt, ein Ehepaar mit einem Hund und da ist eine kleine Familie, die picknickt, während die zwei Söhne Fußball spielen. Ich komme mir vor wie in einem schlechten Film, das hier ist mein Traum. Der Traum, den ich.. nein. Nein, das ist nur Zufall.
Von hinten trifft mich etwas.
Ein Ball.
Ich werfe ihn zurück zu den Jungen und bin so in Gedanken versunken das ich nicht bemerke, dass ich in jemanden hinein laufe. Ich will mich schon entschuldigen, doch als ich aufsehe, bleibt mir die Stimme weg.
Da steht er vor mir, der Mann aus meinem Traum.
Und wie in meinem Traum hebt er die Hand, streicht über meine Wange und sagt:„Endlich. Endlich habe ich dich gefunden, Liebste."
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Wenn Träume wahr werden...
Short Story"Ich bin in einer Stadt, in welcher ich noch niemals war. Doch aufeinmal habe ich merkwürdige Deja-Vus..." Eine Schreib-Challenge als Kurzgeschichte.