Mr Perfect Teil 3

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Geschockt starren wir uns an und ich befürchte, dass mein Herz gleich stehen bleibt.

Natürlich möchte ich Mr Perfect küssen. Meine Fantasien waren da ziemlich eindeutig, aber jetzt? Wir kennen uns doch kaum und außerdem sind wir gerade bei diesem bescheuerten Spiel.

~Nein!~, sagt Mr Perfect beinahe panisch,~Ich spiele doch gar nicht mit bei eurem blöden Spiel!~

Ich stimme ihm zwar zu, bin aber trotzdem verletzt. Wahrscheinlich bin ich alles andere als seine erste Wahl bei einem Kuss, aber so schlimm bin ich jetzt auch nicht.

Camille schüttelt nur grinsend den Kopf.
~Die Flasche hat gesprochen!~
Gefolgt werden ihre majestätisch gelallten Worte von lauten Rufen: Küs-sen! Küs-sen!

Ich seufze und schiele auf die Drehscheibe neben der Flasche.
Fünfundzwanzig Sekunden ohne Zunge.
Na super.

Unsicher sehe ich zu Mr Perfect, der seinen Kopf so heftig schüttelt, dass ihm seine wuschelig schwarzen Haare um die Ohren fliegen.
Ich beiße mir auf die Unterlippe, bevor ich aufstehe und zögerlich auf ihn zugehe.

Es hat doch sowieso keinen Zweck und Camille hat schon irgendwo Recht, Spiel ist Spiel.

Und außerdem ist es ja nur ein Kuss und das auch noch ohne Zunge. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten -zumindest rede ich mir das ein.

~Du denkst doch nicht ernsthaft darüber nach?~
~Je schneller wir das hinter uns bringen, desto eher finden wir deine Schwester~, wende ich ein, bevor ich etwas unglücklich hinzufüge,~Es muss ja nichts zu bedeuten haben.~

Gedanklich nehme ich mir vor, demjenigen, der verhindert, dass meine Stimme zittert, eine Dankeskarte zu schreiben.

Mr Perfect scheint noch immer nicht überzeugt, nun aber auch nicht mehr ganz so abgeneigt, weshalb ich vorsichtig die Arme um seinen Nacken schlinge und ihn zu mir runterziehe.

An seinen Lippen murmel ich~Entspann dich.~
Dann lege ich sanft meine Lippen auf seine.

Ich wollte das hier wirklich nicht genießen. Immerhin hat er nicht wirklich Anzeichen gemacht, dass ihm das hier gefällt. Dieser Kuss ist also eine reine Zweckmäßigkeit, um wieder aus diesem Raum zu entkommen.

Mein Vorsatz verfliegt aber so schnell, wie er gekommen war, denn seine Lippen sind so weich und fühlen sich so schön auf meinen an, dass ich gar keine andere Wahl habe, als es zu genießen.

Die Stimmen, die laut mitzählen, verschwimmen im Hintergund und da sind nur noch er und ich. Langsam gleiten meine Hände in diese herrlich verwuschelten Haare und ich kann bestätigen, dass sie unglaublich weich sind. Weicher als Wolcken. Also, wenn man Wolcken anfassen könnte.

Ich fühle mich für einen Augenblick furchtbar leicht. Als könnte ich fliegen und kurz vergesse ich, dass ich das hier tun muss. Viel mehr denke ich, dass ich es wirklich will, doch dieses Hochgefühl verschwindet, sobald laut die Fünfundzwanzig ertönt und sich Mr Perfect blitzartig von mir löst, mich sogar leicht von sich wegschubst.

Kurz sehen wir uns an, aber ich kann seinen Blick nicht ganz deuten. Ich hingegen muss wohl ziemlich überrascht und enttäuscht aussehen. Zumindest fühle ich mich so.

Das Gefühl der Enttäuschung wächst, als er kehrtmacht und beinahe fluchtartig den Raum verlässt. Ich verabschiede mich noch, bevor ich ihm folge, obwohl ich mich stadessen lieber in eine Ecke verkriechen würde.

Es verletzt mich nämlich sehr, dass ihm dieser zweckbedingte Kuss so gar nichts zu bedeuten scheint, denn mir hat er etwas bedeutet. Mehr, als ich zugeben will.

Noch immer spüre ich den leichten Druck von seinen Lippen auf meinen, aber es ist nicht dasselbe, auch wenn ich wohl nicht mehr bekommen werde.

Also schiebe ich meine Enttäuschung und mein schmerzendes Herz erstmal beiseite, um Mr Perfect zu helfen, seine Schwetser zu finden.

Immerhin hat er sich die Mühe gemacht, auf mich zu warten, auch wenn sein Blick mehr als verschlossen ist.

Wortlos gehen wir weiter und durchkämmen die nächsten Räume: Abstellkammer, Gästeklo, zweites Gästezimmer -mein Dad und ich wohnen quasi in einer Villa, inklusive Hausangestellten.

Plötzlich dringt lautes Gelächter auf den dunklen Flur und das kommt nicht vom fröhlichen Saufgelage von Camille und ihren Freunden. Es kommt vom Ende des Gangs, aber eigentlich dürfte da nichts sein.

Dort ist doch schließlich nur mein abgeschlossenes Zimmer und ... Mir wird eiskalt.
Nein. Sie würden doch nicht ...

Dennoch renne ich plötzlich los und höre wie Mr Perfect mir wahrscheinlich verwundert folgt. Vor der Tür gegenüber meines Zimmer bleibe ich wie angewurzelt stehen, sodass er beinahe in mich reinrennt, aber das bemerke ich kaum.

Die Tür, vor der wir stehen, ist schon sehr alt. So alt, dass man sie nur mit einem rostigen Riegel abschließen kann. Ich habe es nie übers Herz gebracht, etwas an diesem Raum zu ändern und ich habe auch niemals geglaubt, dass jemand so dreist sein könnte, um diese Tür zu knacken, so einfach das auch ist.

Anscheinend habe ich mich geirrt.

Mit schweren Herzen reiße ich die Tür auf und das Bild, das sich mir bietet, hätte für mich nicht schlimmer sein können.
Mr Perfects Schwester, Izzy hieß sie vielleicht, sitzt mit hochgerutschtem Kleid auf ihrem Sessel, während die drei Typen um den Sessel herum stehen und sie lüstern angrinsen.

Einer ist schon dabei, sie anzufassen, aber das ist erst das zweite, das mir wirklich auffällt.

Überall auf dem Boden liegen Bücher verteilt und die Fotos an der Wand sind größtenteils heruntergefallen. Auch liegen noch ein paar Pappbecher auf dem Boden, deren Inhalt den schönen Teppich ruinieren.

Die Vier scheinen Spaß zu haben, aber mir ist einfach nur zum Kotzen zumute.
Mit kalter Stimme schreie ich wütend ~Raus hier, verdammt nochmal!~

Ich werde von insgesamt fünf Augenpaaren erstaunt angestarrt, aber das ist mir egal.
Als sich keiner bewegt, wird meine Stimme noch zorniger, aber auch dünner~RAUS HABE ICH GESAGT!!!~

Einer der Typen hebt nur unschuldig die Hände und murmelt etwas von Untervögelt oder wie.

Doch dann verlässt er mit seinen Kumpels die kleine, nun verwüstete, Bibleothek.
Einer versucht noch, Izzy mitzunehmen, die schon eifrig nickt, doch dann scheint in Mr Perfect
Bewegung zu kommen, denn er schreitet sofort ein und lehnt ab.

Dann nimmt er seine Schwetser an der Hand und zieht sie mit sich, wobei er entnervt auf sie einredet. Ich hingegen gehe weiter in die Bibleothek hinein.

Meine Beine sind wie aus Gummi und die Welt scheint zu schwanken, weshalb es mich nicht wundert, dass ich auf dem weichen Teppich auf die Knie sinke. Tränen lassen meine Sicht verschwimmen, während meine Finger zitternd über ein Bild streichen, das vor mir liegt.

Der Rahmen ist zersprungen, aber zum Glück ist das eigentliche Bild noch heil.
Es zeigt eine junge Frau im tiefblauen Skianzug, die ihre breite Skibrille hochgeklappt hat und freudig in die Kamera grinst.

Das hier war meine persönliche Gedenkstätte an sie. Der Ort, wo ich mich ihr am nächsten fühle und jetzt ist er verschandelt.
Das hier war der einzige Ort, der mir von meiner Mom übrig geblieben ist und jetzt ist er zerstört. Meinetwegen.

Malec-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt