Es dauerte drei Wochen.
Drei Wochen in denen sie jeden Abend nach dem Unterricht und auch am Wochenende Blut bekam, abwechselnd von Mr. Morlet, Mr. Banks und Mr. Matthews. Jedes Mal kämpfte ihr Körper gegen das tote Blut an und ihr ging es hundeelend. So elend, dass sie nach der Blutgabe von Ares in ihr Bett getragen wurde. Tag für Tag. Von Lucien hielt sie sich fern. Auf Anraten von Ares. Sie sah ihn oft mit Annie. Das gefiel ihr überhaupt nicht.
Die drei Grazien wurden der Schule verwiesen. Offiziell hieß es, dass sie ihre Laufbahnen früher angetreten haben, da es sich gerade angeboten hätte.
Ihren Klassenkameraden wurde erzählt, dass ihre Verwandlung vorgezogen wird, da sie an einem Hirntumor litt, der sie töten würde. Das akzeptierten sie so und behandelten sie dementsprechend. Also waren alle besorgt und umsorgten sie. Sie bekam ein Zimmer für sich allein, in dem Ares oft bei ihr schlief. Zumindest immer dann, wenn sie Mr. Morlets Blut bekam. Dann bekam er es nämlich aufgetragen auf sie aufzupassen, da ihr Körper sehr heftig auf das sehr alte Blut reagierte. Wenn sie die Kraft dazu hatte, befriedigte sie ihn oral. Doch das kam höchstens zweimal in der Woche vor. Trotzdem schlief er mit keiner anderen.
Sehr löblich, dachte Trina. Sie war gerade auf dem Weg zu Mr. Banks Quartier. Heute bekam sie das Blut von Mr. Morlet, das bedeutete, dass es ihr danach wieder extrem schlecht gehen würde. Sie seufzte, konnte es nicht endlich vorüber sein? Sie sehnte sich mittlerweile nach der vollständigen Verwandlung. Dieser schmale Grat, auf dem sie im Moment wanderte, war echt nervig. Es war nichts halbes und nichts ganzes. Und keiner konnte ihr prognostizieren, wie lange es noch dauern würde.
Sie ging den Flur im Lehrerflügel entlang, dann eine Etage nach unten. Sie wusste inzwischen, welcher Lehrer wo wohnte. Der einzige Zugang zu den Lehrerquartiern war im dritten Stock. Dort war sie gerade entlang gegangen und auf dieser Etage wohnten Mrs. Adoette Caffarelli, Lehrerin für Englisch und Spanisch und Mr. Bram Spellman, der Sportlehrer, der sie auch in den Grundkenntnissen von IT unterrichtete. Eine Etage weiter oben lebten Mrs. Isobel Fitz, die Erdkunde und Politisches Wesen unterrichtete und Mr. Isaac Robbins, Lehrer für Mathematik und Literatur. Noch weiter oben, im Turm wohnte Mr. Morlet mit Mrs. McLean, die sie in Physik, Biologie und Chemie hatte. Auf der Ebene, auf der Trina sich gerade befand, lebten Mr. Banks, der Genealogie unterrichtete und gegenüber Mr. Beau Morgan, zuständig für die Fächer Allgemeinwissen und Kunst. Und noch eine Etage weiter unten, im ersten Stock, waren Mr. Matthews, der Geschichtslehrer, dem Trina gegenüber ähnliche Gefühle wie Ares, Lucien und den anderen hegte und Mr. Vincent Lang, Lehrer für strategisches Denken und ethischem Verhalten. Das klang blöd, beschrieb seinen Unterricht jedoch am besten. Sie dachte an Luciens Worte: je dunkler die Seele, desto tiefer das Stockwerk. Das traf zu, zumindest vom äußeren Anschein. Die Lehrer, die für die zusätzlichen Kurse zuständig waren, kamen von außerhalb. Trina hatte Latein, Deutsch, europäische Geschichte und Ethik und Bürowesen.
Vorsichtig klopfte sie an Mr. Banks Tür.
"Komm herein, Trina", dröhnte seine Stimme durch das alte Holz der Tür. Sie trat ein und war verunsichert. Nicht nur Mr. Banks, von dem sie mittlerweile die Erlaubnis hatte, ihn beim Vornamen zu nennen, stand wie gewohnt am reichlich verzierten Kamin, sondern auch Mr. Matthews. Auch ihn nannte sie beim Vornamen. Sie begrüßte die beiden: "Hallo Corvin, hallo Amon." Amon wich ihrem Blick aus. Corvin hingegen wirkte ein wenig vergnügt. Sie schaute fragend. Corvin erklärte ihr: "Da Ihre Verwandlung kurz bevorsteht, hielt ich es für angebracht, Amon über die Empfindungen, die Sie ihm gegenüber hegen, aufzuklären."
Oh nein! Wie peinlich. Trina wünschte sich im Boden zu versinken.
"Äähm, ich... Ich weiß... Nicht, wie das...", stammelte sie und schaute betreten auf den Boden. Amon wirkte peinlich berührt. "Das ist schon in Ordnung. Ich meine, du kannst da ja nichts für. Es ist halt etwas seltsam," unterbrach er sie. Sie lächelte verlegen. Es klopfte kurz und heftig an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, kam Mr. Morlet in den Raum. Amon und Corvin nickten ihm zu: "Sir."
"Ah ja, ja." Er wandte sich sofort an Trina. "Ms. Silver, ich weiß jetzt, weshalb sich Ihre Verwandlung so lange hinzieht und kann dementsprechende Maßnahmen beziehungsweise Vorbereitungen treffen."Sein Wissen kam von der Analyse einer Blutprobe von ihr. Vorgestern wurde ihr eine Ampulle vor und eine Ampulle nach der Blutgabe abgenommen.
"Also, es scheint, als hätten Sie überdurchschnittlich viele Antikörper in Ihrem Blut, die das getrunkene Blut angreifen und zersetzen. Eine ganz normale Reaktion des Immunsystems. Jedoch- je stärker das Immunsystem, desto schwieriger die Verwandlung. Da wir das jetzt wissen, werden wir dem vorbeugen.", erklärte er weiter.
"Und wie?", fragte Trina.
"Nun, es wird sehr unangenehm für Sie. Aber wir kommen nicht umhin, Ihnen vor der Gabe unseres Blutes möglichst viel von Ihrem zu nehmen."
Er drehte sich zu Corvin: "Sie werden bitte alles nötige vollziehen. Ich werde jetzt lediglich mein Blut zur Verfügung stellen und dann gehen. Reichen Sie mir bitte den Kelch und das Messer." Amon gab ihm die Utensilien und Mr. Morlet füllte den Kelch zu dreiviertel voll mit seinem Blut. Er reichte die Sachen zurück und ging dann. Doch er streckte seinen Kopf noch kurz durch die Tür und sagte zu Trina: "Ich habe Mr. Seale und Mr. Walker Bescheid gegeben. Sie werden gleich hier sein und sich zusammen mit Mr. Banks und Mr. Matthews von Ihnen nähren. Das ist die schnellste und einfachste Methode."
Weg war er."Gut, dann würde ich sagen, bereiten wir alles vor", sprach Corvin und fasste Trina am Oberarm. "Komm mit!" Er brachte sie in das angrenzende Zimmer, seinem Schlafgemach. Amon folgte ihnen.
Auch hier war gedämmtes Licht und jede Menge Regale vollgestopft mit Büchern. Ein riesiges Bett mit schwarzen samtenen Vorhängen stand mittig im Raum. Dorthin führte er sie. "Mach es dir bequem, Trina. Ich warte nebenan auf die anderen beiden Gentlemen und bringe den Kelch mit. Ihr beide könnt ja eure etwas verworrene Situation besprechen.", sagte der Genealogie Lehrer und ging hinaus. Trina meinte den Hauch eines Grinsens in seinem Gesicht zu sehen. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, setzte sich Amon zu ihr aufs Bett. Sie schaute ihn mit großen Augen an, wusste nicht, was sie sagen sollte. Zum Glück ergriff Amon das Wort: "Was denkst du? Was fühlst du mir gegenüber?"
"Also zuerst: Mir ist das unangenehm, Amon. Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen da so unbeschwert drüber reden kann. Immerhin sind Sie mein Lehrer."
"Du brauchst dich nicht zu scheuen,Trina. Ich finde dich durchaus attraktiv und könnte mir gewisse Dinge vorstellen. Du musst nur mit mir sprechen", versuchte er sie zu ermutigen. "Und außerdem bist du sonst auch nicht auf den Mund gefallen", fügte er hinzu. "Ja, aber das ist etwas anderes. Aber ich versuche es einfach mal. Also gewissermaßen haben Sie eine unglaubliche Anziehung auf mich."
"Ich bin meiner Ausstrahlung anderen gegenüber durchaus bewusst, das liegt einfach an meinem Alter und an dem mächtigen Blut, das durch meine Adern fließt. Geht es vielleicht präziser?", erwiderte er etwas ungeduldig.
"Ja, sicher, Verzeihung. Wenn man es genau beschreibt, würde es treffen, wenn man sagt: am liebsten würde ich Ihnen die Kleider vom Leib reißen und mit Ihnen schlafen. Aber es ist nicht nur das Sexuelle. Gleichzeitig fühle ich mich sicher und geborgen bei Ihnen. So in etwa...", sagte sie leicht überfordert.
Amon lachte. Er strich seine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. "Das ist wirklich herzallerliebst. Schülerin ist verliebt in ihren Lehrer."
Sie wurde wütend. Was fiel ihm ein? Warum machte er sich über sie lustig? Als er Trinas Gesicht sah, hörte er schlagartig auf zu lachen. "Du meinst das ernst, ja? Arme, kleine Trina."
Vor der Tür waren Schritte und Stimmen zu hören.
Ares kam hinein, gefolgt von Corvin, der den Kelch in der Hand hielt und Lucien. Ihr Herz setzte kurz aus.
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BlutsMacht - Die Zeremonie
VampireEin Internat in Nordamerika, das sich um die Vampirgeborenen, die Halblinge kümmert und sie von Kind an zu möglichst erfolgreichen und einflussreichen Vampiren formt. Genau auf diesem Internat durchlebt die 18jährige Trina gerade die "Verwandlungsph...