Bis zur Calhoun war es nicht weit, doch ich hielt mich brav an Natalies Regel und lief viel zu früh los. Harlow hüpfte aufgeregt neben mir auf und ab. Die rosarote Geschenktüte klatschte dabei mehrmals gegen irgendwas, was meiner Schwester in den Weg kam. War es ein Auto oder eine Straßenlaterne. Ich konnte nur hoffen, dass das Geschenk nicht zerbrechlich war.
Als wir vor der Spielehalle ankamen, wurden wir sofort von Harlows Freundin empfangen, die uns total aufgeregt begrüßte und Harlow sofort ihr Geschenk abnahm. Wie scheiße undankbar.
Ihre Eltern waren wahrscheinlich Eastsiders, aber definitiv nicht wie meine Eltern. Es gab auch nette und einigermaßen gut verdienende Menschen auf der Eastside.
Die lila Flügel ihrer Verkleidung wippten auf und ab und fingen allmählich an sich mit ihren braunen, langen Haaren zu verknoten, was mich total ablenkte und ich genau soviel von dem hörte, was sie sagte: nichts.
Danach verabschiedete sich Harlow schnell von mir. „Bis heute Abend", rief sie mir mit einem breiten Grinsen zu und rannte dem geflügelten Mädchen hinterher. Dass ich ihr ebenfalls winkte sah sie vermutlich gar nicht mehr, aber das störte mich nicht. Solange sie glücklich war, war ich froh. Da konnte es mir auch richtig scheiße gehen. Sie stand ganz oben.
Ich blickte ihr noch kurz nach, bevor ich mich wieder umdrehte und mich näher an die Straße stellte, damit Wyatt mich besser sehen konnte.
Wenn er denn überhaupt auftauchte.
Die Scheiß-Stimme in meinem Kopf ließ mich nie in Ruhe. Selbst wenn ich versuchte nicht negativ zu denken, gelang es mir nicht. Wenn ich nur eine Sache an mir zum kotzen fand, dann war das definitiv wie paranoid ich war. Volles Vertrauen ist etwas, was ich nur in die Personen stecken konnte, von denen ich wusste, dass sie mich nicht enttäuschen und mein Vertrauen durch die Kacke ziehen würden. Und Wyatt war keine dieser Personen.
So gern ich auch was anderes sagen wollte: ich kannte ihn nicht. Ich kannte nur ein Teil von ihm, ein Teil den er mir zeigen wollte und genauso kannte er auch nur einen Teil meines Ichs.
Ein kleiner Teil - der drohte ein beschissen großer Teil zu werden - glaubte, dass Wyatt mich nur verarschen wollte und das ließ mich mit den Gedanken spielen einfach wieder zu gehen. Wir hatten keine direkte Zeit ausgemacht, ich konnte immer noch sagen ich hätte ewig gewartet doch er war nicht gekommen.
Doch der krass verliebte Teil in mir siegte tatsächlich und ich blieb stehen. Kein Plan, ob das die beste Entscheidung meines Lebens war - vielleicht war es sogar die beschissenste - aber ich blieb. Weil ich zum ersten Mal im Leben einer fast-fremden Person zeigen wollte, dass ich nicht nur das arrogante Ghetto-Arschloch war.
Und das war nicht, weil er scheiße viel Kohle hatte - wahrscheinlich mit soviel Geld auf seinem Konto, dass er ein paar Scheine locker als Klopapier nutzen konnte. Scheiße nein. Ich mochte ihn. Nicht weil er dem Fantasie-Wyatt so verdammt ähnlich war oder weil er sogar noch süßer war als der Fantasie-Wyatt. Er war einfach er selbst und er schien offensichtlich mein Arschgesicht auch zu mögen.
Deswegen blieb ich und wartete.
Das schwarze Auto sah ich schon vom weitem, doch erst als er direkt vor mir am Bürgersteig zum stehen kam, war ich mir zu 100 Prozent sicher, dass es Wyatt war.
Ich zögerte nicht als ich drauf zuging und auf den Beifahrersitz kletterte. Vielleicht sollte ich mich verdammt nochmal fragen, was zur Hölle er jetzt mit mir vorhaben könnte, aber ich tat es nicht, weil es mir scheißegal war. „Hi." Ich lächelte.
„Hi." Er lächelte zurück. „Wie geht's dir?"
Ich zuckte mit den Achseln. „Jo, könnte besser sein", gab ich wahrheitsgemäß von mir. „Und du?"
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Different Worlds | bxb
Romance„Kann man dir vielleicht helfen?", fragte ich und legte den Kopf schief. Ein Grinsen konnte ich mir auch nicht verkneifen. Er hob den Kopf noch ein wenig weiter. „Nein", meinte er giftig und blinzelte mich böse an. „Ich brauche keine Hilfe. Jedenfal...